Costa an einem Rednerpult
António Costa, Portugals bisheriger Premier.
AP/Rene Rossignaud

Portugals Ministerpräsident António Costa ist am Dienstagnachmittag überraschend zurückgetreten. Das gab der seit 2015 regierende Sozialdemokrat in einer Fernsehansprache bekannt. Zuvor hatte er zweimal Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa besucht. Es kam schnell und überraschend.

Nur wenige Stunden zuvor hatte die Polizei die offizielle Residenz Costas sowie die beiden Ministerien für Umwelt und Infrastruktur und mehrere andere Gebäude durchsucht. Der Verdacht lautet auf Korruption, Amtsmissbrauch und Vorteilsgewährung im Zusammenhang mit der Vergabe von Lizenzen zum Abbau von Lithium in der Nähe des Ortes Montalegre im Norden Portugals sowie für die Produktion "grünen" Wasserstoffs in der südwestportugiesischen Hafenstadt Sines.

"Reines Gewissen"

"Mir ist bewusst, dass Würde mit keinem Verdacht vereinbar ist (...). Die Würde der Amtsführung des Premierministers ist mit keinem Verdacht auf seine Integrität vereinbar (...), deshalb habe ich natürlich meinen Rücktritt eingereicht", erklärte Costa, nachdem bekannt geworden war, dass das Oberste Gericht in einem getrennten Verfahren seine Rolle untersucht. Er habe "ein reines Gewissen", beteuerte Costa in der TV-Ansprache seine Unschuld.

Die wenigen Details, die bisher bekannt wurden, stammen aus renommierten Medien, wie der Nachrichtenagentur Lusa und dem öffentlichen Fernsehen RTP. Sie berufen sich auf Behördeninformationen. Demnach soll die Polizei 40 Anwesen durchsucht haben. Insgesamt wurden – so die portugiesischen Medien – fünf Personen festgenommen, darunter Costas Kabinettschef Vítor Escaría, der Bürgermeister von Sines, Nuno Mascarenhas, sowie drei einflussreiche Geschäftsleute, darunter Diego Lacerda Machado. Der enge Freund Costas überführte die einst von den Konservativen privatisierte Fluggesellschaft TAP im Auftrag der Regierung erneut in Staatsbesitz.

Auch Infrastrukturminister João Galamba und Umweltminister Duarte Cordeiro sowie dessen Vorgänger im Amt, João Pedro Matos Fernandes, sollen sich unter den Verdächtigen befinden.

Lizenzvergabe um zig Millionen

Es geht bei der Lizenzvergabe um zig Millionen, wenn nicht gar um Milliarden. Im Norden Portugals direkt an der spanischen Grenze rund um Montalegre und dem unweit davon gelegenen Covas do Barroso sollen sich die größten bisher in Europa bekannten Lithiumvorkommen befinden. Das Alkalimetall wird bei der Herstellung von Batterien für E-Mobilität dringend benötigt. Portugal verspricht sich davon endlich in den Mittelpunkt der Industrienationen zu rücken. Trotz heftigen Widerstands der lokalen Bevölkerung wurde im Frühjahr überraschend schnell ein positives Umweltgutachten für die Minenbetreiber in Covas do Barroso ausgestellt. Im September folgte Montalegre.

Die Vorkommen im Norden Portugals werden alleine rund um Covas do Barroso auf 27 Millionen Tonnen lithiumhaltiges Gestein geschätzt. In Montalegre sollen es weitere 15 Millionen Tonnen sein. Jährlich soll Lithium für mindestens eine halbe Million E-Auto-Batterien abgebaut werden. Die Anwohner fürchten um das Grundwasser. Denn bei der Lösung des Metalls aus dem Gestein werden giftige Chemikalien eingesetzt.

Das zweite Standbein des portugiesischen Plans für eine industrielle Zukunft dank neuer Technologien ist der "grüne" Wasserstoff. In der Nähe von Sines soll eine der Produktionsstätten entstehen. Ein Teil der Produktion soll dann über Spanien und eine Pipeline von Barcelona nach Marseille auch nach Mitteleuropa gelangen. (Reiner Wandler aus Madrid, 7.11.2023)