Es ist das, was man dieser Tage bei Wahlen in den USA als einen großen Tag bezeichnen kann, wenn man Anhänger der Demokraten ist: Die Partei von US-Präsident Joe Biden hat bei einigen wichtigen Abstimmungen in zentralen Bundesstaaten Siege errungen. Sie gewann dabei sowohl an Sitzen auf Bundesstaatsebene hinzu als auch bei der Themenführerschaft in zentralen Fragen. Und auch im Kampf um eine zentrale Entscheidung zur Sicherung des Wahlrechts trug sie einen Sieg davon. Wie aber passt das alles zu den düsteren Prognosen für die Partei und zur Aussicht bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr, die in den vergangenen Tagen die Runde machten? Wie sich überraschenderweise zeigt, steht beides nicht im Widerspruch. Die Gefahr, dass die Partei aus dem erfreulichen Dienstag nun die falschen Schlüsse zieht, liegt also sehr nahe. Zuerst aber zu den Ergebnissen:

Video: US-Bundesstaat Ohio stimmt für Verankerung des Abtreibungsrechts in Landesverfassung
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Kentuckys Gouverneur Andy Beshear darf sich gratulieren lassen.
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Pennsylvanias Gouverneur Josh Shapiro (links) darf sich über einen Sieg seines Parteifreundes Daniel McCaffery bei einer wichtigen Supreme-Court-Wahl freuen. Er gilt auch als Personalreserve der Demokraten für hohe Weihen.
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Freude bei den Republikanern, wie hier im Bild, war im Rennen um die Parlamente von Virginia ein eher seltenes Gefühl.
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Der Kandidat, das Problem

Die einzige größere Niederlange für die Demokraten ist ein Rennen, in dem allein die Tatsache, dass ihnen Chancen zugesprochen worden waren, eigentlich sensationell ist: Ihr Kandidat Brendon Presley (weitläufig verwandt mit Elvis) verlor das Rennen um das Gouverneursamt im tiefroten Mississippi recht deutlich gegen den Republikaner Tate Reeves. Alles gut also für die Partei, die zuletzt von Meldungen über eine klare Umfrageführung Donald Trumps vor Joe Biden in wichtigen Swing States geschockt worden war? Vermutlich nicht, wenn man die betreffende Umfrage der "New York Times", die gemeinsam mit dem angesehenen Siena College durchgeführt wurde, ernst nimmt. Auch diese nämlich spricht von einem eigentlich positiven Klima für die Demokraten – das sich allerdings nicht auf den Präsidentschaftskandidaten erstrecke. Biden hat demnach nämlich ein persönliches Problem, das vor allem mit dem Eindruck seines sehr vorgerückten Alters zusammenhänge – nicht eines, das durch die politischen Inhalte zu begründen wäre.

In der besagten Umfrage in den Bundesstaaten Nevada, Georgia, Arizona, Michigan, Pennsylvania und Wisconsin – die er 2020 allesamt gewonnen hatte – liegt Biden selbst in fünf dieser sechs Bundesstaaten teils deutlich zurück. Einzig in Wisconsin weist die Erhebung einen kleinen Vorsprung für den Demokraten aus. Allerdings wird aus den Daten auch klar, wieso. Biden nämlich hat als Person das Vertrauen vor allem junger und vor allem nichtweißer Wählerinnen und Wähler verloren, wie ein genauerer Blick auf die Ergebnisse offenbart. So hatte der amtierende Präsident in der Gruppe der nicht weißen unter 45-Jährigen im Jahr 2020 noch einen Vorsprung von 40 Prozentpunkten auf Trump auszuweisen. Bei der aktuellen Befragung sind es nur noch rund sechs. Bei Weißen über 60, quasi der "gegenteiligen" Gruppe, ist die Lage hingegen fast unverändert. Trump hatte dort 2020 einen Vorsprung von 16 Prozentpunkten, nun sind es 17.

Dass das Klima für andere Kandidatinnen und Kandidaten der Demokratischen Partei kein schlechtes wäre, zeigt auch ein anderes Ergebnis. Ein in der Umfrage nicht namentlich genannter "Kandidat der Demokraten" hätten bei den Wählerinnen und Wählern in den sechs Bundesstaaten zusammengenommen einen Vorsprung von acht Prozentpunkten gegenüber Trump – Biden hatte im Jahr 2020 insgesamt drei Prozentpunkte Vorsprung in den sechs Bundesstaaten. Auch Vizepräsidentin Kamala Harris würde (allerdings knapp) besser als Biden abschneiden.

Welche Schlüsse die Partei aus alledem nun ziehen kann, bleibt offen. Gut möglich, dass die Demokraten die erfreulichen Ergebnisse vom Dienstag gerne aufnehmen und sie dafür nutzen, sich in Sicherheit zu wiegen – das wäre, wenn man den Umfragedaten glaubt, ein gefährlicher Fehler. Freilich: Die Möglichkeiten sind begrenzt. Ein Ausstieg Bidens aus dem Rennen um die Präsidentschaft gilt als sehr unwahrscheinlich, die Findung eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin für das Rennen 2024 wäre eine Mammutaufgabe. Vielleicht aber zeigt das Resultat vom Dienstag zumindest, dass sich die Partei bei ihren Wahlbemühungen stark auf Themen konzentrieren sollte – und weniger auf die Person ihres wahrscheinlichen Spitzenkandidaten. (Manuel Escher, 8.11.2023)