Sphinx von Gizeh, Ägypten
Die Große Sphinx von Gizeh ist rund 4.500 Jahre alt. Vielleicht wurde ihre Rohform von der Natur gestaltet.
Foto: AP/Nariman El-Mofty

Im Asterix-Band "Asterix und Kleopatra" aus dem Jahr 1965 ist es der schwergewichtige Obelix, der der Großen Sphinx von Gizeh ihrer Nase beraubt, als er auf ihrem Kopf herumklettert. Das Riechorgan konnte sein Gewicht nicht tragen und brach schließlich ab. Tatsächlich aber dürfte die monumentale Darstellung eines Löwen mit Menschenkopf erst im Hochmittelalter ihre Nase verloren haben. Dies spricht auch gegen den modernen Mythos, die Nase sei Opfer von Kanonenbeschuss durch Napoleons Truppen während seines Ägyptenfeldzugs 1798 geworden.

Während der arabische Historiker Abd al-Latif al-Baghdadi noch im 13. Jahrhundert von der prächtigen Nase der Sphinx schwärmte, hat sie Ende des 14. Jahrhunderts bereits gefehlt: Ein anderer arabischer Autor namens Al-Maqrīzī berichtete, dass der strenggläubige Scheich eines Kairoer Sufi-Klosters, ein fanatischer Bilderstürmer, die Nase der Sphinx 1378 abschlug. Er bezahlte dafür mit seinem Leben, eine aufgebrachte Menge soll ihn nach der Tat gelyncht haben.

Anfangs rot bemalt

Wann die heute 73 Meter lange und 20 Meter hohe Sphinx errichtet wurde, lässt sich nur annähernd eingrenzen. Archäologen vermuten, dass sie während der 4. Dynastie unter der Herrschaft von Pharao Chephren (um 2520 bis 2494 v. Chr.) entstand und anfangs mit rötlichem Ocker bemalt war. Dass sie viereinhalb Jahrtausende überdauern konnte, liegt unter anderem an ihrem Standort: Die Sphinx wurde aus einem Kalksteinhügels gehauen, der auch als Steinbruch für die Cheops-Pyramide gedient hatte. Dadurch steht sie in einer sanften Mulde, und Flugsand konnte ihren Leib die meiste Zeit schützend bedeckten.

Im Vergleich zu ihrem langen Körper wirkt der Kopf der Sphinx unverhältnismäßig klein, was zu einigen Spekulationen Anlass gab. So kursieren etwa Vermutungen, dass das Haupt erst später entstanden ist, doch bisherige Untersuchungen widersprechen dieser Auffassung. Möglich ist allerdings, dass die Sphinx ursprünglich einen größeren Kopf besaß und die heutige Form auf spätere Veränderungen zurückgeht. Dies würde zwar erklären, warum der Kopf weniger verwittert ist als der Körper, aber Beweise dafür konnten bisher nicht gefunden werden.

Sphinx von Gizeh, Ägypten, Strömungsexperiment
Die Strömungsexperimente an der New York University schälten aus einem halben Ellipsoid allmählich eine Gestalt.
Illustr.: NYU/ Applied Mathematics Laboratory

Ursprünglich ein Yardang?

Nun haben Forschende eine andere These zur Entstehung der Großen Sphinx einer Prüfung unterzogen: Wind und Sandflug könnten den Kalksteinhügel bereits zuvor ohne menschliches Zutun zu einer entsprechend löwenähnlichen Form abgetragen haben. Die alten Ägypter mussten den von der Natur gestalteten "Rohling" um 2500 v. Chr. nur weiter ausgestalten und ihm den letzten Schliff geben, um ihn in das heute bekannte ikonische Monument zu verwandeln. Grundlage sei ein sogenannter Yardang gewesen, eine geomorphologische Erosionsform, die in der Wüste häufig zu finden ist, erklärte ein Team um Leif Ristroph von der New York University.

Um diese Theorie zu untersuchen, gestaltete das Team einen kleinen Hügel aus weichem Lehm mit einem festeren Material im Inneren und platzierte ihn in einem Wassertunnel. Ein rasch fließender Wasserstrom sollte dabei die Winderosion simulieren, die über Jahrtausende auf den Steinhügel eingewirkt hat. Als Ausgangsform wählten die Wissenschafter ein "halbes Ellipsoid". Und tatsächlich: Als das Wasser einen Teil des Lehms erodierte, hinterließ es eine Form, die annähernd der Grundstruktur der Sphinx glich. Das widerstandsfähigere Material wurde dabei zum "Kopf" der Skulptur, und auch auf diese Weise entstandene Elemente an der Front ähnelten dem Hals und den Pfoten des Löwenkörpers.

Sphinx von Gizeh, Ägypten, Strömungsexperiment
Am Ende stand eine Form, die durchaus Ähnlichkeit mit der Sphinx von Gizeh hatte.
Foto: NYU/Applied Mathematics Laboratory

Kein Beweis

Auch dass die Sphinx in Ost-West-Richtung und damit entlang der Hauptwindrichtung orientiert ist, spricht für die löwenähnliche Formationen durch Erosion. Freilich stellen die Ergebnisse keineswegs einen Beweis für die Theorie dar, räumt das Team ein, das seine Resultate kürzlich im Fachjournal "Physical Review Fluids" veröffentlicht hat.

"Wir haben gezeigt, dass der natürliche Prozess der Erosion in der Tat eine Form hervorbringen kann, die wie ein liegender Löwe mit einem erhobenen Kopf aussieht", meint Ristroph. Damit sei allerdings nur gezeigt worden, dass eine solche Entstehungsweise möglich sei. Ob es tatsächlich so war, muss dagegen offen bleiben. Jedenfalls bestehe "kein Zweifel, dass die Gesichtszüge und die Detailarbeit von Menschen gemacht wurden", so Ristroph. (Thomas Bergmayr, 13.11.2023)