Als besinnlich gilt er, der Advent. Als die Zeit des Gebens gilt er, zumindest sagt man das so. Wer also erst einmal schluckt, weil auf Wiener Christkindlmärkten heuer rund zehn Euro für einen simplen Punsch zu geben sind, sollte sich darauf besinnen, dass man die Hälfte in Form von Pfand wieder zurückbekommt. Dennoch: Das Thema ist emotional aufgeladen. Auf den großen Wiener Christkindlmärkten fallen heuer zwischen vier und fünf Euro Häferlpfand an, wie ein STANDARD-Rundruf ergibt.

Nicht selten sehen Gespräche über den hohen Einsatz so aus: "Klar ist es viel, aber du bekommst es ja wieder zurück." Es folgt ein "Jo, eh, versteh ich ja, aber trotzdem." Durch vollumfänglich durchdachte Rationalität bestechen diese Diskussionen eher selten, es geht aber auch nicht um eine wissenschaftliche Arbeit. Warum also bewegt uns das Häferlpfand so sehr?

Zwei Menschen stoßen mit Glühweinhäferln an.
Menschen bewerten einen "Verlust" stärker als einen "Gewinn", selbst wenn es um Pfand geht, das eigentlich ein Nullsummenspiel ist.
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Die Prospect Theory

Die Verhaltensökonomin Katharina Gangl vom Institut für Höhere Studien (IHS) begründet im Gespräch mit dem STANDARD die Aufregung unter anderem mit der sogenannten Prospect Theory, bei der es darum geht, wie Gewinn und Verlust bewertet werden: "Tendenziell gewichten Menschen den 'Verlust' von zehn Euro Pfand stärker als den 'Gewinn', wenn man das Pfand zurückbekommt." Jede Handlung bzw. Entscheidung werde individuell bewertet, deswegen überwiege der Ärger über die hohe Summe, sagt Gangl. "Außerdem muss man sich bei der Rückgabe noch mal anstellen. Dass das viele als mühsam empfinden, liegt auch ohne wissenschaftliche Erklärung auf der Hand."

Ganz grundsätzlich begrüßt Gangl das Pfandsystem, unabhängig davon, ob am Christkindl- oder im Supermarkt. "Ein funktionierendes Pfandsystem vermeidet Müll. Irgendjemand bringt die Behälter immer zurück, egal ob man es selbst ist oder Bedürftige, die das Geld brauchen." Das Pfand auf PET-Flaschen in Deutschland belege diese Dynamik deutlich.

Marge wohl einberechnet

Marktbetreiber begründen das hohe Häferlpfand auch mit der Teuerung, Kosten für Produktion, Reinigung und Logistik seien massiv gestiegen. Geben nun manche ihre Häferln nicht zurück, ist das für einen Standler trotzdem kein Beinbruch. Es liegt nahe, dass im Häferlpfand auch eine Marge eingerechnet ist, die kompensiert, wenn einige abhandenkommen.

Im großen Stil kein Pfand zu verlangen wäre jedoch ökonomisch und ökologisch unklug. Ohne Pfand würden wohl Plastik- oder Pappbecher ausgegeben, was zu großen Müllbergen führen würde. Bei fünf Euro Einsatz passen die meisten Menschen auch nach mehreren Häferln Glühwein noch auf, dass das Behältnis nicht bricht, und Standler müssen nicht laufend neue bestellen, wenn die bestehenden zurückkommen.

Jemand füllt Glühwein in zwei Häferl. 
Für das Häferl bekommt man Geld zurück, vom picksüßen Inhalt bleibt im besten Fall ein lustiger Abend, im schlechtesten ein flauer Magen und Kopfweh.
IMAGO/wolterfoto

Diese Erfahrung machte etwa Hannes Dejaco, der die Weihnachtsmärkte am Stephansplatz, am Maria-Theresien-Platz, beim Belvedere und im Alten AKH organisiert. Nach der Covid-Pandemie und wegen der noch nicht wieder funktionierenden Lieferketten hatte der Unternehmer im Vorjahr zu wenige Tassen für seine Märkte auf Lager. Deshalb wurde das Pfand von vier auf fünf Euro erhöht "in der Hoffnung, dass weniger Tassen von den Weihnachtsmärkten mitgenommen werden und wir mit dem Bestand ein Auslangen finden konnten", sagt er. Das habe funktioniert.

Die Besucherinnen und Besucher hätten weniger Tassen mitgenommen, man habe viele Transportfahrten vom zentralen Häferllager zu den Märkten sowie Verpackungsmaterial einsparen können. "Auch konnten wir heuer die Menge an neu zu produzierenden Tassen reduzieren und somit die Lastwagenfahrten quer durch Europa bzw. die Anzahl der Container im Seetransport von China reduzieren", sagt Dejaco.

Diesen "nachhaltigen Weg" gehe er heuer mit einem Pfand von fünf Euro auf seinen Märkten weiter – und auch in Zukunft. "Mit einem höheren Tasseneinsatz schaffen wir die Abkehr vom billigen Mitnehmsouvenir Häferl zu einem gegen Einsatz bereitgestellten traditionellen und für Heißgetränke geeigneten Trinkgefäß, was ja auch dem eigentlichen Sinn des Häferls entspricht."

Gefahr der "Majestätsbeleidigung"

Dass ein hohes Pfand die Lust auf Punsch bei den Weihnachtsmarktbesucherinnen und -besuchern bremsen könnte, glaubt Expertin Gangl nicht. Auch am Weihnachtsmarkt gelte das Konzept von Angebot und Nachfrage. "Im Umkehrschluss könnte man auf einem schlecht besuchten Markt eventuell die Nachfrage anheizen, indem man auf den Einsatz verzichtet. Das ist aber auch nur so lange sinnvoll, solange man den Überblick behalten kann, dass die Leute die Behälter verlässlich zurückgeben", meint die Forscherin.

Reagieren Menschen auf eine Sache emotional und/oder irrational, hilft es oft, ihnen die Situation zu erklären. Im Fall vom Häferlpfand könnte das aber auch nach hinten losgehen, meint die IHS-Verhaltensökonomin. "Eine solche Erklärung könnte sozusagen als Majestätsbeleidigung aufgefasst werden. Menschen, die sowieso vorgehabt hätten, ihre Häferln zurückzubringen, könnten das als Unterstellung auffassen, dass sie es nicht gemacht hätten, bzw. als Bevormundung."

Pfand zieht Bettler an

Die hohen Einsätze ziehen verständlicherweise auch Bettlerinnen und Bettler an. Aus ein paar geschenkten Häferln lässt sich leicht verhältnismäßig viel Geld machen. In den vergangenen Jahren hat die Wiener Polizei deswegen regelmäßig Schwerpunktkontrollen durchgeführt mit "besonderem Augenmerk auf aggressives oder aufdringliches Betteln". Damit ist auch heuer zu rechnen, zudem rät die Exekutive stets zur Vorsicht – und dazu, die eigenen Häferln nicht aus den Augen zu lassen. Viele Standler gehen gegen Häferldiebstahl vor und geben Pfand nur zurück, wenn man einen entsprechenden Chip oder ein Markerl dazu hat. (Andreas Danzer, Stefanie Rachbauer, 13.11.2023)