Ökonomische Strukturen und Machtverhältnisse haben sich in der digitalen Plattformökonomie stark verändert. Digitale Konzerne wie Amazon, Meta, Apple, Alphabet, unter anderem versuchen, in ihrem jeweiligen Bereich durch neue Geschäftsmodelle und spezielle Service-Ökosysteme Monopol- und Preissetzungsmacht zu erlangen. Wertschöpfung bedeutet heute nicht mehr nur, effizient Produkte und Dienstleistungen zu erstellen, sondern vor allem auch eines: Alle verfügbaren Daten und jeden Content, den Nutzer:innen (manchmal mehr, manchmal weniger freiwillig) bereitstellen, für neue Wertschöpfungsmodelle zu nutzen.

Begründet wird dies mit einem gestiegenen Kundennutzen, denn solche Plattform- und "Sharing"-Modelle senken Transaktionskosten beim Auffinden relevanter Produkte, ermöglichen die Vergleichbarkeit der Anbieter und Preise, personalisieren die Angebote nach Kundenpräferenzen und sind bequem bedienbar. Ebenso können Plattformen für sich in Anspruch nehmen, durch die Schaffung neuer Technologien, Produktionsmethoden oder Arbeitsplätze volkswirtschaftlichen Nutzen zu bieten. Aus dem Umgang mit den vielfältig vorhandenen (offenen) Daten1 in unserer Gesellschaft ergeben sich jedoch einige wichtige, auch gesellschaftspolitisch relevante, Fragen.

Denn wie genau verwenden Plattformunternehmen diese offenen, also zum Beispiel offen lizenzierte und frei zugängliche, Daten für die Erschließung neuer Märkte? Welche Folgen hat die immer größer werdende Marktkonzentration in diesen Industrien? Sind offene Daten, die für die Gesellschaft eigentlich frei verfügbar sein sollten, wirklich zugänglich und nutzbar? Denken wir an wichtige Public-Value-Inhalte auf Videoplattformen oder die Unzahl an Daten, die auf Kommunikationsplattformen entstehen und dort moderiert werden. Welche ethischen und gesellschaftspolitischen Probleme erzeugt die fehlende Transparenz des Umgangs mit unseren Daten auf Plattformen, beispielsweise, wenn Algorithmen diese weiterverarbeiten?

Wie mit Daten auf Plattformen umgegangen wird, damit hat sich die FH St. Pölten in einem Forschungsprojekt beschäftigt.
Getty Images/Prostock-Studio

In einem Forschungsprojekt für den ÖNB-Jubiläumsfonds2 hat sich die FH St. Pölten diesen Fragen gewidmet. Dabei haben wir drei spezifische Fälle der Datengebarung (der Datengovernance, also Steuerung) von Plattformunternehmen untersucht: den Fall einer digitalen Public-Value-Plattform (man könnte beispielsweise die geplante ORF-On-Plattform so bezeichnen), den Fall von Daten der Content-Moderation und -Kuratierung auf Kommunikationsplattformen wie Facebook und den Fall von Open-Data-Infrastrukturen3 (wie sie zum Beispiel Behörden oft für Government Data verwenden). Alle Fälle verwenden Daten auf ihre je eigene Art und Weise und die Frage lautet, ob sie auch gesellschaftliche Anforderungen erfüllen: etwa ein möglichst breiter und offener Zugang zu Public-Value-Content, eine transparente Datengebarung bei Content-Moderation und -Kuratierung oder für Bürger:innen offen und transparent zugängliche Dateninfrastrukturen.

Austrocknung der Wissensallmende?

Wir können zunächst beobachten, dass offene Daten vermehrt privatisiert statt verbreitet werden, was den Zugang zu wichtigen Wissensbeständen (der Wissensallmende) gefährdet. Weiters besteht die Gefahr, dass es durch verschiedene Lizenzierungsstrategien zu Marktversagen kommt; ein restriktiver Zugang (beispielsweise durch strenge Lizenzierungen) kann zu Unternutzung führen, ein recht freier Zugang (beispielsweise bei offenen Lizenzierungen) kann zu Marktkonzentration führen. Die Abhängigkeit von großen Plattformen (Lock-in-Effekte) steigt, und es werden Regulierungsmöglichkeiten für digitale Plattformen über den DSA (Digital Services Act) hinaus nötig werden, wenn wir ein bestimmtes, auch ethisch gebotenes, Verhalten digitaler Plattformen bezüglich ihres Datenmanagements erreichen möchten; die für Plattformen typische algorithmische Vorselektion von Inhalten wäre hier ein Beispiel. Nicht alle Probleme können durch eine gute Governance Lösung gelöst werden, aber wir konnten in unserem Projekt feststellen, wo eine solche noch fehlt und bestimmte normative Erwartungen an digitale Plattformen, die die Gesellschaft hat, erfüllen könnte.

Was spricht nun dagegen, dass Plattformunternehmen transparenter machen, wie sie mit (unseren) Daten umgehen? Welche Hindernisse können bestehen, verschiedene Open-Data-Projekte, die den breiten gesellschaftlichen Zugang zu Datenbeständen sichern sollen, zu fördern? Können wir dies von den Unternehmen erwarten (im Sinne einer Selbstregulierung) oder kann/muss der Staat hier eingreifen? Unser Projekt hat gezeigt, dass dies sehr kontextbezogen zu betrachten ist. Zwar sprechen einige Gründe dagegen, dass digitale Konzerne und Medienunternehmen freiwillig ihre Datengebarung offen legen und beispielsweise Algorithmen transparent machen oder Content für möglichst viele Nutzer:innen frei zur Verfügung stellen. Schließlich geht es oft um traditionelle Geheimhaltungsinteressen (Amts-, Geschäftsgeheimnis) und potenzielle Risken durch Kontrollverlust und Beschränkung von Verwertungs- und Erlösmöglichkeiten. Vielen (vor allem privatwirtschaftlichen) Unternehmen ist der konkrete Nutzen von Open Data unklar und staatliche Anreize funktionieren eher im öffentlichen Sektor (in dem solche Aktivitäten schon länger vorangetrieben werden). Ein Eingriff in private Eigentums-/Verfügungsrechte bedarf immer eines hohen Legitimationsbedarfs.

Trotzdem konnten wir durch verschiedene Erhebungsmethoden (Fokusgruppen, Expert:inneninterviews, Szenarien-Surveys) feststellen, dass je nach Anwendungsgebiet einige spezifische Modelle der Governance besser wirken können als andere; während einmal die staatliche Regulierung vorzuziehen ist, könnte woanders ein "Intermediationsmodell", also zwischengelagerte Verhandlungs- und Entscheidungsmechanismen die Chance bieten, die beschriebenen Dilemmasituationen aufzulösen. Nach wie vor lebt Open Data in Österreich von einem großen Anteil an Freiwilligkeit und Selbstverpflichtung, der jedoch durch gesetzliche Initiativen wie dem Informationsfreiheitsgesetz, dem EU Data Act oder zunehmende Transparenzverpflichtungen, insbesondere im Kontext der Nachhaltigkeitswende (Green Deal & Circular Economy Action Pan), ergänzt werden wird.

Drei konkrete Plattformen und ihre Governance

Für unsere drei in der Einleitung erwähnten konkrete Beispiele bestehen nach Durchführung des empirischen Teils des Projekts folgende Erkenntnisse und Wünsche an die Regulierung.

Erstens: Wenn wir in unserer Mediengesellschaft sogenannten Public-Interest-Content auch auf digitalen Plattformen verfügbar machen wollen, gilt es zunächst einmal, die Universalität des Zugangs zu sichern, und transparent zu machen, welche Kuratierungs- und Log-in-Möglichkeiten erwünscht sind. Dazu müssen (und das ist eine der komplexen Hauptaufgaben) die jeweiligen Lizenzen, Metadaten und Usabilityfaktoren sowie die geplante Algorithmenstrategie geklärt/verbessert werden. Die grundsätzliche Bereitschaft der in diesem Feld tätigen Stakeholder (also öffentlich-rechtliche und private Medienanbieter) zu einer Open-Data-Strategie ist vorhanden, denn sie wissen, dass eine Open-Data-Strategie die Reichweite des Contentangebots auf solchen Plattformen und somit auch die Erlösmöglichkeiten steigern würde; verständlicherweise wollen sie aber nur dann eine solche Plattform (auch kooperativ) bespielen, wenn die Finanzierungs-, Erlös- und Rechtefragen geklärt sind.

Die Regulierungsfrage hier ist, ob sich eine diesbezügliche Kooperation freiwillig ergeben kann, wenn man die unterschiedlichen Zielvorstellungen vieler privater Content-Anbieter im Vergleich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk kennt. Wir haben hierfür ein so genanntes Stakeholder-Board mit weitreichenden Verhandlungs- und Entscheidungsbefugnissen als Lösung vorgeschlagen, das wohl nur dann akzeptiert würde, wenn dort anerkannte Medienexpertise vorhanden ist. Generell möchte man verhindern, dass eine Überregulierung auf diesem Gebiet Innovationen hemmt, als Instrument zur Umsetzung (vielleicht neuer) gesetzlicher Vorgaben oder zur Stärkung der Qualität von Public Value Inhalten kann aber die Kooperation mit einem Intermediär als koregulative Variante funktionieren.

Zweitens: Internetplattformen betreiben Kuratierungs- und Moderationssysteme für Inhalte, mit denen sie öffentliche Diskurse maßgeblich beeinflussen. Die Funktionsweisen der Systeme und Daten über ihre Effekte werden von Plattformen jedoch weitgehend einer öffentlichen Kontrolle entzogen. Dadurch kann kaum beobachtet werden, ob und in welchem Ausmaß sich potenzielle, vieldiskutierte Risiken der Systeme (wie Bias, Overblocking, Manipulation) auch tatsächlich realisieren. Als ein wichtiges Regulierungsziel für Plattformdienste gilt deshalb die Verbesserung der Transparenz von Moderations- und Kuratierungssystemen.

Social-Media-Moderations- und -Kuratierungssysteme haben aber kaum Anreize zur Datenöffnung, denn es handelt sich um Geschäftsgeheimnisse, und es besteht die Angst vor einer Fehlinterpretation und Manipulation der Daten; Transparenz widerspricht in diesem Sektor teilweise der Geschäftsstrategie. Zwar können große Internetplattformen die rechtlichen Vorgaben des neuen Digital Services Act nutzen, um hier die Transparenz zu verbessern, jedoch könnte man weitere Organisationsformen andenken, um im Sinne einer Co-Regulierung Zugang zu den vielfältigen Datenbeständen auf diesen Plattformen zu erhalten. Dies wäre beispielsweise für die Forschung eminent wichtig, um zu erfahren, wie Facebook über Blocking entscheidet, welche Algorithmen Hatespeech ausheben sollen, etc. Ideen dazu gibt es bereits viele: Datenintermediäre, Civic Trusts, Datenspenden oder auch Haftungsprivilegien für jene Plattformen, die hier Compliance beweisen, wären denkbar. Kleineren Onlineplattformen muss Klarheit über Kosten und Nutzen der Offenlegung von Kuratierungs- und Moderationsdaten gegeben werden, womit dem Staat hier die Rolle eines Unterstützers entsprechender Modelle und deren Evaluierung zukommen kann, insbesondere bei Projekten im öffentlichen Interesse.

Drittens: Auch im dritten Anwendungsfall unseres Projekts, den so genannten Open-Data-Infrastrukturen ist die freiwillige Selbstverpflichtung aufgrund des fehlenden Compliance-Drucks kein effektiver Hebel zur deren Herstellung. Open Data benötigt nämlich eine starke kulturelle Verankerung innerhalb der beteiligten Organisationen und differenzierte Anreizsysteme, je nach Geschäftslogik. Während aus der Perspektive von Open-Government-Data der gesetzliche Auftrag zur Offenlegung unter möglichst restriktionsfreien Lizenzen (idealerweise Public Domain) als wichtigster Hebel genannt wird, ist dieser Ansatz bei Open Corporate Data aufgrund (berechtigter) Schutzinteressen nur schwer umsetzbar. Andere Offenlegungsverpflichtungen, zum Beispiel im Kontext des Corporate Reportings beziehungsweise der zunehmend wichtigen ESG- und Nachhaltigkeitsberichterstattung, könnten hier jedoch eine Richtung zu abgestuften Graden der Offenlegung weisen und die Akzeptanz und Verfügbarkeit von Open Data erhöhen.

Die richtigen Anreizsysteme

Open Data ist eine wichtige Komponente zur Umsetzung gemeinwohlorientierter Ziele in der Plattformökonomie, aber diese benötigt die Balance zwischen (legitimen) unternehmerischen Interessen und zivilgesellschaftlichen Zielen: zu letzteren gehören eine weite Datennutzung/-verbreitung, hohe Datentransparenz, Datensouveränität für die Eigentümer der Daten und ein Korrektiv zur stärker werdenden Marktkonzentration. Wenn die Politik eine Open-Data-Governance entwickeln will, die diese Ziele ernst nimmt, muss sie auch das ökonomische Anreizproblem, das hinter diesen Strategien steckt, lösen. Denn häufig bestehen ein unklarer konkreter Nutzen und etliche Hindernisse für die freiwillige Etablierung von Intermediationsmodellen.

Hier ist dann unter Umständen der Gesetzgeber (national/EU) in der Verantwortung, die er ja auch bereits für andere Policy-Bereiche wie der Corporate Governance übernimmt. Zum Beispiel könnte er staatliche Rahmenregelungen für Rechtssicherheit oder verschiedene Schutzstandards (zum Beispiel Wettbewerb, Datenschutz) überdenken. Wo die staatliche Interventionskapazität eher gering ist, also vor allem im Privatsektor, sollte man über verschiedene Formen von Intermediationsmodellen als Governance-Option zur Förderung von offenen Daten nachdenken. Dazu gehören Stakeholderboards, Datenintermediäre und Data-Trusts, neben anderen Modellen. Diese können vor allem als Option bei Interessendivergenzen, beziehungsweise zum Interessenausgleich dienen. Neben der Strategie, immer mehr Datenbestände als rein offene Daten verfügbar zu machen, ist natürlich auch die teilweise, differenzierte Öffnung von Daten als Mehrwert zu sehen. In jedem Fall gilt es, die ethischen Ansprüche, die wir als Gesellschaft an die Datengebarung digitaler Plattformen haben, bei künftigen Regulierungsplänen mitzudenken. (Michael Litschka, 9.11.2023)