Demonstrativ gut gelaunt zeigte sich Joe Biden am Donnerstag vor dem Weißen Haus. "Sie lesen die Umfragen nicht richtig", beschied er lächelnd den Reportern: Trotz schlechter Werte für den Präsidenten hatten die Demokraten zuvor in Ohio, Kentucky und Virginia wichtige Erfolge eingefahren.

Doch schon wenige Stunden später folgte eine Hiobsbotschaft für den 80-Jährigen: Der streitbare demokratische Senator Joe Manchin aus West Virginia will 2024 nicht mehr für den Kongress kandidieren. Was angesichts der häufigen Querschüsse des Kohle-Lobbyisten gegen die Biden-Politik zunächst wie eine gute Nachricht klingen mag, birgt tatsächlich hochbrisanten Sprengstoff: Manchins Rückzug könnte die Demokraten nämlich die Mehrheit im Senat kosten und das Comeback Donald Trumps befördern.

Joe Manchin vor einer Fototapete mit dem Kapitol.
Joe Manchin war stets ein Problem für Joe Biden. Ohne ihn wird dieses aber noch größer.
AP/Mariam Zuhaib

Linken Demokraten ist der 76-Jährige stets ein Dorn im Auge gewesen. Der von der fossilen Industrie unterstützte Politiker hat viele progressive Projekte behindert. Letztlich hat er aber doch die entscheidende Stimme für Bidens großes Industrie- und Sozialpaket geliefert. In den ersten zwei Jahren der Biden-Amtszeit, als im Senat ein Patt herrschte, hatte Manchin praktisch eine Vetomacht.

Keine Chance?

Nun bedrängen führende Demokraten wie der Senatsmehrheitsführer Chuck Schumer den rechten Parteifreund inständig, noch einmal anzutreten. Im strukturkonservativen West Virginia, wo Donald Trump 2020 knapp 69 Prozent holte, hätte ein moderaterer Demokrat keine Chance. Doch die Republikaner schicken den Trump-Freund Jim Justice ins Rennen. Angeblich traut sich Manchin nicht zu, gegen Justice zu bestehen, und erklärte deshalb nach 13 Jahren im Senat seinen Rückzug.

Politische Beobachter sind sich einig, dass damit der Sitz für die Demokraten verloren ist – wie womöglich auch in anderen Staaten. Die Senatsmehrheit könnte 2024 also an die Republikaner fallen. Doch Biden droht noch eine viel größere Gefahr: Manchin könnte ihn bei den Präsidentschaftswahlen herausfordern. Die Erklärung des 76-Jährigen liest sich nämlich eher wie ein Kampagnenaufruf als wie ein politischer Abschied. "Ich werde durch das Land reisen und Gespräche führen, um herauszufinden, ob es Interesse an einer Bewegung zur Mobilisierung der Mitte und zur Zusammenführung der Amerikaner gibt", kündigte er (noch) vage an.

Manchin liebäugelt seit längerem mit einer Kandidatur als Unabhängiger bei den Präsidentschaftswahlen. Echte Chancen auf einen Einzug ins Weiße Haus hätte er zwar nicht, aber im Zweiparteiensystem der USA können solche Bewerbungen im jeweiligen Lager den Favoriten entscheidende Stimmen kosten, wie 2016 schon Hillary Clinton erfahren musste, die von der Grünen Jill Stein angegriffen wurde. Am Ende siegte Donald Trump.

Diese Geschichte droht sich nun 2024 zu wiederholen. Rahna Epting von der progressiven Demokraten-Plattform Move On warnt: "Wenn Joe Manchin auf einem No-Labels-Ticket antritt, wäre er dafür verantwortlich, dass Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt." (Karl Doemens aus Washington, 10.11.2023)