Entrup ÖFB Team Hartberg
Neo-Teamspieler Maximilian Entrup fühlt sich im familiären Hartberg pudelwohl. Ein Sieg gegen Rapid würde das Wohlbefinden weiter erhöhen.
APA/ERWIN SCHERIAU

Hätte jemand Maximilian Entrup vor drei oder vier Monaten gesagt, er gehöre im November dem Kader der österreichischen Fußballnationalmannschaft an, hätte Folgendes passieren können: Entrup hätte den Kopf geschüttelt und den Jemand für unzurechnungsfähig erklärt. Da der 26-jährige Stürmer von Hartberg aber nicht auf den Mund gefallen und zudem ein höflicher Mensch ist, wäre seine Antwort so ausgefallen: "Ja, vielleicht auf Fifa." Entrup hätte über den eigenen Schmäh sehr gelacht.

Am Abend des vergangenen Sonntags hat Entrups Smartphone geläutet, was an sich noch kein epochales Ereignis war. Peter Schöttel war dran, eine große Überraschung, jedenfalls hat der Sportdirektor des Fußballbundes ÖFB eine Vorwarnung ausgesprochen. "Er hat mir gesagt, dass ich im Kader bin und dass mich Teamchef Ralf Rangnick am Montagvormittag anrufen wird." Im Kader für das an Spannung überbietbare EM-Qualifikationsspiel am 16. November in Tallinn gegen Estland und den Testspielheuler am 21. November im ausverkauften Happel-Stadion gegen Deutschland.

"Riesengroße Ehre"

Rangnick hat sich also gemeldet, das Gespräch hat knapp 15 Minuten gedauert und war laut Entrup "echt nett. Ich war total nervös, er hat mir erklärt, warum ich dabei bin. Wegen meines Tiefgangs und der Sprintstärke. Es ist nach wie vor ein Traum, der nun Realität wird. Eine riesengroße Ehre, irgendwie unwirklich und surreal. Vor allem mit meiner Geschichte."

Die Geschichte des Maximilian Entrup begann mit der Geburt am 25. Juli 1997. Aufgewachsen ist er zunächst in Großebersdorf, die Familie übersiedelte später nach Wien, nach Strebersdorf in den 21. Bezirk. Bei einer Firmenfeier im Garten war zufällig ein Nachwuchstrainer von Enzersfeld anwesend, der Mann mit Weitblick sah den kleinen Maxi gaberln, und so begann die Karriere in Enzersfeld. Entrup war sieben Jahre alt und unausgelastet. Wechsel zur Vienna, kurz zur Wiener Austria, 2012 folgte der Floridsdorfer AC. Entrup hat einen Leitsatz: "Wer aufgibt, verliert." Der sollte seine spätere Laufbahn nachhaltig prägen.

Zlatan ist gewarnt

Vorbild war und ist Zlatan Ibrahimovic. "Er weiß natürlich nichts davon, leider. Ich habe ihn nie getroffen. Aber wenn ich so weitermache, passiert es vielleicht irgendwann einmal." Ibrahimovic ist also vorgewarnt.

2016 hat Rapid zugeschlagen. Sieben Jahre später möchte sich Entrup damit "nicht mehr befassen. Es ist Vergangenheit." Traurige Vergangenheit. Er wurde gemobbt, ja bedroht. Die Rapid-Ultras hatten erfahren, dass Entrup Mitglied des Austria-Fanklubs Inferno war. In deren ziemlich eingeschränktem Weltbild geht das gar nicht. Spruchbänder wie "Die grüne Hölle wird für dich zum Inferno" wurden aufgehängt, einmal explodierte ein Knallkörper neben der Ersatzbank. Die Rückendeckung durch den Verein war nicht vorhanden. Entrup wurde an St. Pölten verliehen, dort hat er Markus Schopp, den aktuellen Hartberg-Trainer, kennengelernt. 2018 wurde der Vertrag mit Rapid aufgelöst. "Es dauerte eine Zeit, bis ich das verarbeitet hatte, aber ich bin stärker und reifer geworden. Man soll sich nicht unterkriegen lassen." Anders ausgedrückt: Wer aufgibt, verliert.

Kein Gerümpel

Entrup hat zwei Schritte zurück gemacht. Nach einem Kurzgastspiel in Lafnitz heuerte er 2020 in der Regionalliga beim FCM Traiskirchen an, 2022 wechselte er zum FC Marchfeld Donauauen – darauf muss man erst einmal kommen. In 37 Partien erzielte der 1,86 Meter große Zentrumsstürmer 31 Tore. Im Sommer hat ihn Schopp nach Hartberg geholt. "Es ist einer der außergewöhnlichsten Karrieren", sagt Entrup, "aber anscheinend gibt es meinen Weg doch." Die Regionalliga, die dritthöchste Klasse, habe Qualität. "Die ist keine Gerümpelliga. Auch dort wird gescoutet. Ich habe ein Zeichen gesetzt. Gib niemals auf, glaube an deinen Traum." Er habe riskiert, die Karriere rausgezögert. "Ich wurde belohnt. Wäre ich mit 26 in die zweite Liga gegangen, es gab Angebote, wäre es das Ende der Fahnenstange gewesen." Und Rangnick hätte niemals angerufen.

Schopp schwärmt von Entrup. "Den größten Schritt hat er im Kopf gemacht. Ein High-Potential-Spieler. Er ist hungrig, dient der Mannschaft, ist robust, schnell, besitzt Spielintelligenz und Torinstinkt."

Trainer Schopp ist stolz auf seinen Spieler Entrup.
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Hartberg ist Vierter, empfängt am Samstag Rapid (17 Uhr). Auswärts wurde absolut nicht unverdient 1:0 gewonnen, die Hütteldorfer haben als Sechste vier Zähler weniger als die Oststeirer. Entrup führt mit acht Treffern die Schützenliste an. Bemerkenswert ist, dass er aufgrund einer Bandscheibenvorwölbung fünf Matches auslassen musste.

Der TSV Hartberg wurde 1946 gegründet, musste also 77 Jahre warten, um einen österreichischen Nationalspieler zu stellen. Entrup (Vertrag bis 2024) ist vereinshistorisch. "Der Klub arbeitet mit den Möglichkeiten, die er hat, hervorragend. Er wird familiär geführt, die Qualität ist hoch. Es geht in die richtige Richtung." Ein Sieg gegen Rapid wäre ein weiteres Ausrufezeichen.

Entrup pendelt zwischen Hartberg und Wien. Am Montag bleibt er quasi daheim, erscheint pünktlich im Teamhotel an der Ringstraße. Rangnick wird ihn herzlich empfangen. "Auf einmal spiele ich mit Leuten zusammen, die ich nur aus dem Fernsehen kenne. Ich habe keine Angst, hoffe, es ist erst der Anfang." Ein Zeichen, sagt Maximilian Entrup, habe er in jedem Fall gesetzt. (Christian Hackl, 11.11.2023)