Supermarkt, MPreis, Lebensmittelhandel, Bundeswettbewerbsbehörde
MPreis soll Lieferanten Rechnungen ausgestellt haben, die nicht im Zusammenhang mit gelieferten Produkten standen.
APA/EXPA/JOHANN GRODER

Wien – Die BWB will nach den am Freitag verkündeten 16 Geldbußenanträgen gegen die Tiroler Supermarktkette MPreis auch gegen andere Lebensmittelhändler wegen unfairen Handelspraktiken ermitteln. "Wir gehen jetzt allen Verdachtsmomenten in diesem Bereich mit Nachdruck nach und ich möchte hier nicht ausschließen, dass es hier in den nächsten Monaten noch weitere Entwicklungen geben wird", so BWB-Chefin Natalie Harsdorf-Borsch am Samstag in der Ö1-Reihe "Im Journal zu Gast".

Ein Vorgehen gegen unfairen Handelspraktiken stehe "ganz oben auf der Prioritätenliste der BWB". Gegen welche anderen Supermarktketten ermittelt wird, wollte Harsdorf-Borsch auf Nachfrage nicht bekannt geben. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat vergangene Woche die langerwartete Branchenuntersuchung zum Lebensmittelhandel vorgestellt. Vier von zehn befragten Lieferanten, die an Rewe (unter anderem Billa, Penny), Spar, Hofer und Lidl liefern, seien nach eigenen Angaben von sogenannten "schwarzen Klauseln" betroffen, sagte Harsdorf-Borsch in der "ZIB2" am Freitagabend. Dies habe sich auch im Ermittlungsverfahren gegen MPreis bestätigt. MPreis betreibt 279 Supermarkt-Filialen im Westen Österreichs sowie in Südtirol und hat vor allem in Tirol einen hohen Marktanteil.

"Proforma-Rechnungen" bei MPreis

Die BWB erhielt Informationen, wonach MPreis an Lieferanten von Agrar- und Lebensmittelprodukten sogenannte Proforma-Rechnungen über unterschiedlich hohe Pauschalbeträge versandt habe, wobei die verlangten Zahlungen nicht im Zusammenhang mit den von diesen gekauften Produkten standen. MPreis habe Zahlungen zur Unterstützung eines Transformationsprozesses im MPreis-Unternehmen gefordert, so die Wettbewerbshüter. Sofern Zahlungen geleistet wurden, hat MPreis laut BWB diese an die Lieferanten bereits zurückgezahlt. Die Tiroler Supermarktkette wollte die Geldbußenanträge vorerst nicht kommentieren. Man habe das Schreiben der Bundeswettbewerbsbehörde zur Kenntnis genommen und der Sachverhalt werde "aktuell von der MPreis-Rechtsabteilung geprüft", hieß es auf APA-Anfrage.

Das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz (FWBG) trat mit 1. Jänner 2022 in Kraft. Die BWB wurde mit dem Vollzug des FWBG als Durchsetzungsbehörde betraut und stellt nun erstmals Geldstrafenanträge auf Basis des neuen Gesetzes. Als verbotene "unfaire" Handelspraktiken gelten laut BWB beispielsweise einseitige Vertragsänderungen, das Verlangen von Zahlungen, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen des Lieferanten stehen, die rechtswidrige Nutzung von Geschäftsgeheimnissen und die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen, falls ein Unternehmen bei Behörden eine Beschwerde einreichen will.

Die Bundesregierung hatte sich Mitte Oktober nach langem Tauziehen auf eine neue Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) geeinigt: Natalie Harsdorf-Borsch, welche die Behörde seit Dezember 2021 interimistisch geleitet hat und seit 2009 bei der BWB beschäftigt ist, wurde Anfang November für fünf Jahre als Generaldirektorin ernannt. Ursprünglich gab es eine Ausschreibung sowie eine Auswahl durch eine Begutachtungskommission, wobei auch ein externer Personalberater hinzugezogen wurde. In der Begutachtungskommission hatte sich der derzeitige Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts (BvWG), Michael Sachs, knapp gegen Harsdorf-Borsch durchgesetzt. Allerdings blockierten die Grünen die Bestellung von Sachs, da er ihrer Ansicht nach die Anforderungen für den Posten nicht erfüllte.

Harsdorf-Borsch wollte den Bestellungsprozess im Ö1- und ZIB2-Interview nicht im Detail kommentieren. Sie verwies darauf, dass sie von der Bundesregierung vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten ernannt wurde. Die BWB arbeite "unabhängig und weisungsfrei".

Borschläge für strengeres Kartellrecht

Die Bundesregierung hat heuer Verschärfungen im Kartellrecht angekündigt, aber noch nichts beschlossen. Mehrere Vorschläge hat die neue BWB-Chefin bereits an Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) übermittelt. "Man könnte zum Beispiel Transparenzmaßnahmen dann auch durch ein Kartellgericht festsetzen lassen. Wir können derzeit nur Empfehlungen aussprechen", sagte Harsdorf-Borsch im Hinblick auf die Branchenuntersuchungen gegenüber "Ö1". Ob und wann es zu Änderungen im Kartellrecht kommen wird, konnte die BWB-Generaldirektorin nicht beantworten. "Konkret habe ich jetzt noch keine Informationen dazu." (APA, 11.11.2023)