Das Hauptziel der spanischen EU-Ratspräsidentschaft bei den sogenannten INC3-Verhandlungen zu Kunststoffen "besteht darin, ein rechtsverbindliches, ehrgeiziges internationales Abkommen zu erreichen, das den gesamten Lebenszyklus von Kunststoff abdeckt und konkrete Maßnahmen und spezifische Ziele enthält, um eine nachhaltige Produktion und einen nachhaltigen Verbrauch von Kunststoffprodukten sowie die Beseitigung der Kunststoffverschmutzung zu erreichen", heißt es aus dem spanischen Ministerium für den ökologischen Übergang. Spanien hofft, dass "vor 2024 eine Einigung erzielt wird". Seit September liegt der erste Entwurf für ein globales Abkommen gegen die Plastikflut vor. Er bildet die Grundlage für die Vertragsverhandlungen, die an diesem Montag in Nairobi beginnen.

Die Linkskoalition des Sozialisten Pedro Sánchez reist im europäischen Auftrag und ist stolz darauf, zu Hause die Hausaufgaben in Sachen Plastik gemacht zu haben – zumindest auf den ersten Blick. Nur Deutschland recycelt in der EU mehr Plastik. In Spanien waren es 1,12 Millionen Tonnen, Berlin meldet zwei Millionen. Im Verhältnis zur Bevölkerung – Deutschland hat knapp doppelt so viele Einwohner wie Spanien – ist Spanien somit gleichauf. 2020 recycelte Spanien bereits 68 Prozent seines Verpackungsmülls und übertraf damit schon das EU-Ziel für 2025 (65 Prozent).

Überfüllte Mülleimer auf einem Volksfest in Deutschland.
Ohne Plastik geht in der modernen Gesellschaft nicht viel. Das größte Problem ist Einwegplastik.
IMAGO/Arnulf Hettrich

Doch: "Die Statistiken sind eine Sache, die Realität teilweise eine ganz andere", beschwert sich der Sprecher für Abfallwirtschaft von Ecologistas en Acción, Carlos Arribas. Die wichtigste spanische Umweltschutzorganisation untersucht, woher die Zahlen kommen, und schaut auf die Verschmutzung der Natur durch Plastikabfälle. "Die Quelle der Recyclingquoten in Spanien ist Ecoembes, eine gemeinnützige Organisation, hinter der die Verpackungs- und Lebensmittelindustrie sowie die großen Einzelhandelsketten stehen. Ecoembes ist alles andere als unabhängig", sagt Arribas und rückt die Recyclingquote in ein anderes Licht. Das große Problem sei nach wie vor das Einwegplastik.

Hier recycelt Spanien nur 50 Prozent. Pfand auf Einwegflaschen wie in vielen anderen EU-Ländern (in Österreich wird das Einwegpfand 2025 umgesetzt, Anm.) gibt es in Spanien nicht. Die hohen Zahlen bei der Wiederverwendung kommen nicht zuletzt von Plastikabfällen, die im großen Stil in der Industrie und Landwirtschaft anfallen. So werden zum Beispiel große Anbauflächen für Gemüse mit Folienzelten abgedeckt. Recyceln ist hier viel leichter als beim Haushaltsmüll.

Gemeinden versagen

Es sind gerade die Gemeinden und Regionen, die bei der Mülltrennung versagen. Nur drei Regionen im Norden, das Baskenland, das benachbarte Navarra und Katalonien, erfüllen derzeit die Vorgaben der EU, nach denen 2020 50 Prozent des Haushaltsmülls der Wiederverwertung zugeführt werden müssen. Sie übertreffen gar die für 2025 vorgesehenen 55 Prozent.

Spanienweit sieht es hingegen schlecht aus. 2020 waren es im Landesschnitt gerade einmal 36,4 Prozent, deutlich unter dem EU-Schnitt von 49 Prozent. Von den dichtbevölkerten Gebieten des Landes schneidet die konservativ regierte Hauptstadtregion Madrid am schlechtesten ab. Gerade einmal 28,6 Prozent des Haushaltsmülls werden dort recycelt, 58,5 Prozent landen auf einer gewöhnlichen Müllhalde, 12,9 Prozent in der Müllverbrennungsanlage. Spanien sei ein "Land, suchtkrank nach Müllhalden", schreibt die größte spanische Tageszeitung El País.

Die Plastikfalle

Gradmesser für die Realität jenseits der Statistik über Plastikreycling ist für Umweltschützer der Zustand des Mittelmeers. "95 Prozent der Abfälle, die im Mittelmeer treiben, sind Plastik. Der Großteil dieses Plastiks kommt aus der Türkei und Spanien, gefolgt von Italien, Ägypten und Frankreich", schreibt die Umweltorganisation WWF in einer Studie mit dem Titel "La Trampa de Plástico" (Die Plastikfalle). Es sind die Länder mit Massentourismus entlang ihrer Küsten. Das Mittelmeer weist 1,25 Millionen Plastikteile pro Quadratkilometer Meer auf. Das ist laut WWF weit aus mehr als bei der berühmten "Plastikinsel" im Pazifischen Ozean. (Reiner Wandler aus Madrid, 13.11.2023)