Wien – "Schuldig oder nicht schuldig?" Diese vom vorsitzenden Richter Wolfgang Ettl gestellte Frage beantwortete der Angeklagte nicht. "Ich weiß nichts", sagte der 51-jährige Mann nur. Und das wiederholte er in der Folge als Antwort auf viele vom Gericht gestellte Fragen.

Angeklagter Obdachloser am Montag, 13. November 2023 anlässlich des Prozess wegen Doppelmordes an Apotheker und zweifacher Mutter in Wien
Zwei Justizwachebeamten hielten den 51-Jährigen untergehakt, als er in den Gerichtssaal gebracht wurde. Der Mann gilt als hochaggressiv.
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Woran der des Zweifachmordes beschuldigte Pole sich nicht erinnern konnte oder wollte, sind zwei Tötungsdelikte von besonderer Brutalität. Dafür fasste er Montagabend die Höchststrafe aus: lebenslang und Einweisung in ein forensisch-therapeutisches Zentrum.

Staatsanwältin: "Hart und grausam"

In den frühen Morgenstunden des heurigen 1. Jänners drang der alkoholkranke Obdachlose in Wien-Donaustadt in das Haus eines Apothekers ein. Er drückte einfach die Eingangstür auf. Im Erdgeschoß sammelte er in einer Tragetasche Alkoholika ein. Dann ging er in die Anlegerwohnung zu dem 74-jährigen Apotheker hinauf, der kurz vor Mitternacht von einer Silvesterfeier bei einem befreundeten Ehepaar heimgekehrt war.

Was dann geschah, sei "nicht in Worte zu fassen", sagte die Staatsanwältin Montagvormittag in ihrem Eröffnungsplädoyer: "Was Sie heute hören werden, wird hart und grausam", warnte sie die Geschworenen.

Der Todeskampf des Opfers dauerte eine halbe Stunde. Der Mörder hatte es an den Beinen gefesselt, die Leiche wies schwere Kopfverletzungen und Misshandlungsspuren auf. Danach aß der Täter im Haus, duschte, kleidete sich neu ein und nahm die Schuhe sowie die Geldbörse des Apothekers mit.

Kinder waren im Haus

Sieben Tage später, am Abend des 7. Jänner, verschaffte er sich auf ähnliche Art Zutritt zum Haus einer 31-jährigen Frau in Wien-Floridsdorf. Er attackierte sie mit Küchenmessern und schlug sie auf den Kopf, dann plünderte er die Alkoholvorräte im Haus. Die Frau starb Stunden später.

Während der Tat saßen die zwei Kinder des Opfers – damals vier und fünf Jahre alt – im ersten Stock in der Badewanne. Sie harrten in der Folge mehr als einen Tag neben ihrer toten Mutter aus. Der Vater kam erst am Abend des 8. Jänner von einer Reise zurück.

Gefasst wurde der 51-Jährige, als er einen Tag nach der Tat zu dem Haus zurückkam. Er klopfte an der Haustür, anwesende Journalistinnen und Journalisten verständigten die Polizei.

Verteidigerin: Weitere Morde verhindert

Möglicherweise habe diese Festnahme eine Serie weiterer brutaler Morde verhindert, sagte die Verteidigerin des Beschuldigten, Astrid Wagner, in einem Interview am Rande des Prozesses. In der Vergangenheit sei ihr Mandant vor allem durch Eigentumsdelikte aufgefallen und deshalb in Deutschland auch vorbestraft. Dann habe sich seine Gewalttätigkeit potenziert. Unter anderem sei wegen Misshandlung seiner Lebensgefährtin gegen ihn ermittelt worden.

Dem psychiatrischen Sachverständigen zufolge weist der polnische Staatsbürger eine schwere Persönlichkeitsstörung auf. Laut Staatsanwaltschaft soll er im Fall einer Verurteilung nach Ende seiner Strafe in einem forensisch-therapeutischen Zentrum untergebracht werden. Denn: Zu beiden Tatzeitpunkten sei er zurechnungsfähig gewesen.

Das zweifelte Anwältin Wagner an. Ihr Mandant sei nicht zurechnungsfähig, er habe ihr von "schwarzen Gestalten" erzählt, die ihn verfolgten. Im Fall von Zurechnungsunfähigkeit erfolgt sie Einweisung in die Psychiatrie direkt, die Gerichtsstrafe wird ausgesetzt.

Am Montag verzichtete das Gericht auf die Zeugenvernehmung des Mannes der getöteten 31-Jährigen. Auch das mit dem Apotheker befreundete Ehepaar, das seinen Bekannten am 1. Jänner tot in dessen Wohnung vorfand, musste diese Schilderungen vor Gericht nicht wiederholen. Ihre Aussagen wurden vielmehr verlesen. (bri, 13.11.2023)