Zadic Homosexuelle Justiz Entschädigung
Justizministerin Alma Zadić präsentierte ein Konzept zur Rehabilitierung und Entschädigung strafrechtlich verfolgter Homosexueller.
APA/HANS KLAUS TECHT

Sämtliche Personen, die in der Zweiten Republik wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen strafrechtlich verfolgt wurden, werden rehabilitiert und finanziell entschädigt. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf kündigte Justizministerin Alma Zadić (Grüne) am Montag in einer Pressekonferenz an, einer "man könnte schon sagen historischen Pressekonferenz", wie Zadić es formulierte. Ergangenen Urteile sollen also aufgehoben, die betroffenen Menschen rehabilitiert und entschädigt werden. Für diese Maßnahmen stehen laut Justizministerium insgesamt bis zu 33 Millionen Euro zur Verfügung.

Demnach wird es für jedes aufgehobene Urteil eine Zahlung von 3.000 Euro geben, für jedes angefangene Jahr in Haft 1.500 Euro, für jedes eingeleitete Ermittlungsverfahren 500 Euro – das gilt unabhängig vom Verlauf. Sollten den Opfern der alten rechtlichen Regelung wirtschaftliche, berufliche oder gesundheitliche Nachteile entstanden sein, bekommen diese noch einmal 1.500 Euro anerkannt.

11.000 Betroffene

Das Justizministerium geht von 11.000 Betroffenen aus. An sie wird das Ministerium jedoch nicht direkt herantreten, indem die Urteile etwa abgearbeitet werden, sondern die Opfer der alten Regelung sollen sich selbst an die Landesgerichte oder an das Ministerium wenden. Geplant seien Informationen auf der Website des Ressorts, ihr Ressort sei auch mit diversen Organisationen in Kontakt: "Wir hoffen, dass sich ganz viele Menschen melden", sagte die Ministerin.

Im Jahr 1971 wurde Homosexualität in Österreich grundsätzlich entkriminalisiert. Weiter bestehen blieben aber Sonderparagrafen, die ein ansonsten legales Verhalten bei gleichgeschlechtlichen Handlungen unter Strafe stellten. 2002 wurde dann die letzte dieser Bestimmungen vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) aufgehoben. Mit der nunmehrigen Regelung sollen jetzt all jene Urteile aufgehoben werden, die aufgrund gleichgeschlechtlicher Handlungen ergangen sind, so sie bei verschiedengeschlechtlicher Begehung nicht ebenfalls strafbar gewesen wären.

"Historisches Zeichen"

Als Justizministerin, aber auch persönlich als Mensch sei es ihr ein Anliegen, "dieses Unrecht anzuerkennen und aufzuarbeiten", sagte Zadić. Sie habe sich auch in einem ersten Schritt stellvertretend für "das Leid und Unrecht, das die Menschen durch die Justiz erfahren haben", entschuldigt. Ihr sei bewusst, dass die finanzielle Entschädigung niemals den Schaden gutmachen könne, der Staat müsse aber Verantwortung übernehmen und zumindest symbolisch mit dieser Regelung einen Akt setzen, dass es sich bei diesen alten Urteilen um Unrecht handle. Zadić betonte, dass auch heute noch homo- und transsexuelle Menschen "Hass, Hetze und Gewalt ausgesetzt sind".

Anwesend waren bei dem Medientermin am Montag auch der Historiker und Co-Leiter des Zentrums für queere Geschichte (QWien), Andreas Brunner, und ein von der Strafverfolgung persönlich betroffener Mann. Der heute 44-Jährige war als 19-Jähriger wegen Sex mit einem 17-Jährigen wegen "Unzucht" mit einem Minderjährigen verurteilt worden. Wäre der 17-jährige Mann eine 17-jährige Frau gewesen, hätte dies keine strafrechtliche Relevanz gehabt. Er sagte, er freue sich über diesen Tag und "die klare Botschaft", dass Liebe über Intoleranz triumphiere. Brunner, der im Juni 1996 bei der Organisation der ersten Regenbogenparade in Österreich beteiligt war, hielt fest, dass die Entschädigung zwar für viele zu spät komme, aber dennoch ein "historisches Zeichen" sei.

Ewa Ernst-Dziedzic, Sprecherin der Grünen für LGBTIQ und Menschenrechte, freute sich über die Ankündigung ihrer grünen Kollegin: "Mit der Rehabilitierung und den Entschädigungszahlungen stellt sich die Republik Österreich klar auf die Seite der Menschenrechte", teilte sie in einer Aussendung mit. "Endlich übernimmt unsere Republik Verantwortung für das Unrecht, das sie tausenden Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung angetan hat", begrüßte auch SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner den Entwurf in einer Aussendung: Lindner schloss sich darin auch "der Community-Forderung nach einer abschlagsfreien Anrechnung von Haftzeiten wegen homophober Unrechtsurteile auf die Pensionsansprüche der Betroffenen an".

Und auch Neos-LGBTIQ-Sprecher Yannick Shetty hielt fest: "Die Entschädigung für die Strafverfolgung von Homosexuellen ist ein spätes, aber sehr wichtiges Signal für alle Opfer, die für ihre Liebe kriminalisiert worden sind". Aber: Auch 50 Jahre nach der gesetzlichen Abschaffung des Totalverbots homosexueller Handlungen "sind wir noch lange nicht da angekommen, wo wir hinmöchten". In den vergangenen Jahren hätte eine massive Zunahme von Homophobie stattgefunden "nicht nur, aber gerade auch unter Zuwanderern": "Wir müssen jetzt also entschlossen und gemeinsam klarmachen, dass wir das nicht akzeptieren, und mit aller Kraft für eine offene und liberale Gesellschaft kämpfen." (red, 13.11.2023)