Der Abschied von der Wiener Zeitung als Neubeginn: Am 1. Dezember startet in Österreich die Monatszeitung Das Feuilleton. Die finanzielle Basis ist eine Crowdfundingkampagne. Sie endet an diesem Mittwoch und hat bis jetzt 87.000 Euro (Stand: Montagnachmittag) in die Kassen gespült – und damit das Ziel von 75.000 Euro deutlich übertroffen.

Die Nullnummer der Monatszeitschrift
Die Nullnummer der Monatszeitschrift "Das Feuilleton" hat potenzielle Abonnentinnen und Abonnenten überzeugt. Start ist am 1. Dezember.
APA/HANS KLAUS TECHT

Die Initiatorinnen und Initiatoren sind großteils ehemalige Mitarbeitende der Wiener Zeitung (WZ). Als Herausgeber des Vereins fungieren die vormalige WZ-Feuilletonleiterin Christina Böck, der frühere stellvertretende Leiter des WZ-Feuilletons und Medienjournalist Bernhard Baumgartner sowie Filmspezialist Matthias Greuling. Mit an Bord als Autorin ist auch Judith Belfkih. Sie bildete gemeinsam mit Thomas Seifert die Chefredaktion der alten Wiener Zeitung. Das Motto des neuen Mediums lautet "Journalismus, wie er sein soll".

Die
Von links: die "Feuilleton"-Herausgeber Christina Böck, Matthias Greuling und Bernhard Baumgartner.
Robert Newald

Genugtuung

Die Gründung fühlt sich für das Herausgebertrio wie eine Genugtuung an. "Das Projekt wird getragen von Sympathie. Jahrelang hat man uns so dargestellt, als wären wir die letzten Dillos, jetzt stellt sich heraus, dass das Publikum anderer Meinung ist. Das ist sehr erfreulich", sagt Baumgartner, der ebenso wie die meisten langjährigen Redakteure und Redakteurinnen die Wiener Zeitung verlassen hat.

Er spricht von einem "großen Vertrauensvorschuss". "Die Leute bezahlen ein Jahresabo für ein Produkt, das sie noch nie in den Händen hatten." Das zeige, "wie groß die Wertschätzung für unsere bisherige Arbeit ist".

Eine Wertschätzung, die sie von der Politik vermisst haben. Die türkis-grüne Regierung hat die älteste Tageszeitung der Welt trotz massiver Proteste zu einer Onlineplattform umgebaut, deren Fokus die junge Zielgruppe ist und die sich von Tagesaktualität verabschiedet hat. Nach "wirtschaftlicher Maßgabe" soll es auch ein Printprodukt geben. Bis jetzt, gut fünf Monate nach dem Neustart, ist noch keines erschienen.

Abos und Inserate

Von einer "Nische", die in Österreich nicht besetzt sei, spricht Böck, wenn sie über Das Feuilleton redet. Das Crowdfunding ist ein Indiz dafür. Nach dem Erfolg soll der Umfang der Zeitschrift von ursprünglich 24 Seiten auf 36 erweitert werden, erzählen Baumgartner und Böck im STANDARD-Gespräch. Zu den Abos im "niedrigen vierstelligen Bereich" kommen Inserate, die eine Ausweitung ermöglichen.

Das reguläre Abo kostet 60 Euro, das "Förderabo" 120 Euro jährlich. "Viele erzählen, dass sie langjährige Abonnenten der Wiener Zeitung waren und traurig sind, dass sie es nicht mehr sein können", so Baumgartner. Diese Lücke möchte Das Feuilleton füllen. *Das Heft soll auch in Trafiken vertrieben werden.

Thematisch soll es etwa um Literatur, Kunst und Kultur, Medien und Zeitgeschehen gehen. Garniert mit Interviews, Reportagen und Kolumnen – etwa von Severin Groebner oder Walter Gröbchen, die bereits als Kolumnisten der Wiener Zeitung tätig waren. Nicht zu kurz soll der Humor kommen, sagt Böck: "Wir wollen dem Verrückten Platz geben. Sonst fällt das oft Einsparungen zum Opfer."

Während in Österreich viele Medienhäuser mit erodierenden Printerlösen zu kämpfen haben, setzt Das Feuilleton konsequent auf das gedruckte Wort. Digital werde es nur eine E-Paper-Ausgabe als PDF geben, die Printartikel sollen nicht einfach und schon gar nicht kostenlos auf die Homepage gestellt werden. "Wir werden Sachen anteasern, machen aber keine Paywall, das schaffen wir auch technisch nicht", sagt Baumgartner.

Keine Rache an der "WZ"

Einen Groll gegen die WZ-Geschäftsführung, die den Umbau des im Eigentum der Republik befindlichen Mediums zu verantworten hatte, hegen sie nicht, betonen Baumgartner und Böck unisono.

"Die Politik hat eine Entscheidung getroffen, die habe ich damals für falsch gehalten, und ich halte sie immer noch für falsch", sagt Baumgartner. Es gebe aber keine Friktionen oder gegenseitige Ressentiments. Und Böck ergänzt: "Das Projekt ist keine Rache an der Wiener Zeitung." Sondern etwas Neues. (Oliver Mark, 14.11.2023)