Der VSC-5 war bislang Österreichs leistungsfähigster Supercomputer.
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Künstliche Intelligenz verändert die Forschungswelt radikal: Kaum eine Fachrichtung kommt mehr ohne den Einsatz von KI-Modellen oder -anwendungen aus. Damit Österreich in Zukunft mit der Forschung Schritt hält, wurde am Montag der neue Hochleistungs-Computercluster an der TU Wien vorgestellt. Dieser hört auf den klingenden Namen MUSICA, wobei es sich natürlich um ein Akronym handelt, das wiederum für "Multi-Site Computer Austria" steht. Für diesen Cluster gibt es nun 16 Millionen Euro zusätzlich aus dem Bundesbudget 2024, was eine Verdoppelung der Rechenleistung möglich macht. MUSICA ist auf die Standorte Wien, Linz und Innsbruck verteilt.

Diese Entwicklung soll eine wesentliche Modernisierung der österreichischen High-Performance-Computing-Infrastruktur (HPC-Infrastruktur) vorantreiben und das Gesamtcomputersystem des MUSICA-Projekts auf der Top-500-Liste unter die Top 20 der leistungsfähigsten Systeme weltweit bringen. Am Montag stellten Bildungsminister Martin Polaschek und Staatssekretär Florian Tursky zusammen mit TU-Rektor Jens Schneider und Ernst Haunschmid das Projekt im TU-Wien-Science-Center vor.

40 Petaflops Leistung

"Das MUSICA-Projekt ist ein Meilenstein für unsere heimische Forschungslandschaft und ein entscheidender Beitrag Österreichs zur internationalen Spitzenforschung. Mit unserer Investition von 16 Millionen Euro und der damit verbundenen Verdoppelung der Rechenkapazität unterstützen wir nicht zuletzt Forscherinnen und Forscher bei der Bewältigung komplexer Probleme und schaffen eine solide Grundlage für zukünftige Innovationen", freute sich Martin Polaschek, Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

Staatssekretär Florian Tursky, Bildungsminister Martin Polaschek, TU-Rektor Jens Schneider und MUSICA-Projektleiter Ernst Haunschmid.
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"Die Zukunft der künstlichen Intelligenz liegt in der Rechenleistung. Wie wir wissen, verdoppeln KI-Systeme ihre Leistung alle 3,5 Monate. Um mit dieser Geschwindigkeit Schritt halten zu können, investiert die Bundesregierung 36 Millionen Euro in den Supercomputer des MUSICA-Projekts", erklärte Staatssekretär Florian Tursky. Damit wird die Rechenleistung statt der geplanten 20 Petaflops auf insgesamt 40 Petaflops verdoppelt. Zum Vergleich: Die leistungsfähigste Consumer-Grafikkarte für den Gaming-PC zu Hause, die 4090 von Nvidia, erreicht rund 83 Teraflops. Damit wäre MUSICA das fünftschnellste Computersystem in Europa.

Quanten-Computing in Innsbruck

Der Zweck von MUSICA ist klar: Das System soll Forchungsteams nicht nur bei der Berechnung komplexer Simulationen auf KI-Basis helfen, sondern es ist auch zentraler Teil einer vollintegrierten, hybriden Infrastruktur für Quanten- und HPC-Computing. Zusammen mit dem Projekt "Quantum Accelerated Computing Infrastructure" wird MUSICA zusätzlich die Ausführung hybrider Quantenalgorithmen ermöglichen und somit die Bereiche Quanten- und Hochleistungsrechnen am Standort Innsbruck zusammenführen.

Die Ausweitung von HPC-Rechenprozessen betrifft nicht mehr nur die klassischen Naturwissenschaften, sondern nahezu alle Forschungsbereiche. Mit dem MUSICA-Projekt wird auf diesen Bedarf reagiert. Die Erweiterung der bestehenden Hochleistungsrechnerlandschaft in Österreich wird bis Ende 2025 abgeschlossen sein, wobei die Arbeiten am Standort Wien nahezu abgeschlossen sind und die Rechner somit wohl noch Ende des Jahres 2023 in Betrieb gehen können.

Schub für den Forschungsstandort

Rektor Jens Schneider erhofft sich vom MUSICA-Verbund einen deutlich Schub für den Wissenschaftsstandort Österreich und: "Diese Infrastruktur ist zudem wichtig für unser Innovationsökosystem mit KI- und Quantum-Start-ups, die aus der TU Wien und unseren Forschungspartnern ausgegründet werden und internationales Kapital anziehen."

Doch wie kann man auf die Rechenpower von MUSICA zugreifen? Projektleiter Ernst Haunschmid erklärt, dass dies möglichst unkompliziert über Projektanträge ablaufen soll. Außerdem biete das Vienna Scientific Cluster mit den beiden Supercomputern VSC 4 und 5 über das Research Center für Forschende und Studierende ein Schulungsangebot zum Thema High Performance Computing.

Komplexe Multipartikelverfolgung

Doch was konkret sind die Anwendungsfälle, die mit MUSICA berechnet werden? Haunschmid führt im Gespräch mit dem STANDARD als Beispiel die sogenannte Multipartikelverfolgung an, bei der eine Vielzahl von Objekten gleichzeitig beobachtet werden muss und deren wahrscheinlichstes Verhalten berechnet wird. Oder im Klartext: Wenn etwa bei autonomem Fahren Bremsvorgänge oder Stopps vorhergesehen werden, kann das System so den Verkehr vorausplanen. Vor allem für komplexe Simulationen soll MUSICA genutzt werden. Was das der Wissenschaft bringt? Haunschmid schmunzelt: "Unsere Arbeit ist gerade nicht weniger geworden."

Am MUSICA-Projekt sind die Johannes-Kepler-Universität in Linz, die TU Graz, die TU Wien, die Universität für Bodenkultur in Wien, die Universität Innsbruck sowie die Universität Wien beteiligt. Der leistungsfähigste Supercomputer der Welt ist übrigens Frontier des Oak Ridge National Laboratory mit 1,194 Exaflops. Derartige Vergleiche hinken aber, weil die Leistungsfähigkeit von KI-Rechnern durch die Tensor-Kerne bestimmt werden und weniger mit der Gleitkommaberechnung zu tun haben.