Für den israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant war es ein dramatischer Auftritt. In einem von den großen TV-Sendern ausgestrahlten Video informierte er seine Landsleute über den Fortschritt im Krieg Israels gegen die Hamas – und wählte dabei deutliche Worte: Die Hamas, so sagte er, habe "die Kontrolle über Gaza verloren". Zivilisten würden Vorratslager der Organisation plündern, während sich die Kämpfer gemeinsam mit Zivilisten aus dem Nordteil Gazas über Fluchtrouten in den Südteil retten würden.

Israels Premier Benjamin Netanjahu besuchte Montag die vorwiegend aus Frauen bestehende Einheit Karakal.
IMAGO/Kobi Gideon/Israeli Gpo

Gallant übertraf mit den Aussagen noch das, was sein Chef, Premier Benjamin Netanjahu schon am Wochenende bei einer Pressekonferenz verkündet hatte: Die Hamas kontrolliere den Norden des Gazastreifens nicht mehr.

Gallant sprach am Montag hingegen von Gaza, womit in der Regel der ganze Gazastreifen und nicht nur Gaza-Stadt gemeint ist. Es verdichten sich auch sonst die Hinweise, dass Israels Armee bei ihrer Kampagne gegen die Hamas bedeutende militärische Fortschritte macht. Ein Foto zeigte Soldaten innerhalb eines von der Hamas als Parlament genutzten Raumes, der sich im Zentrum von Gaza-Stadt befindet. Sie hielten dort die israelische Flagge in die Kameras.

In eine ähnliche Richtung deutete eine Mitteilung der Hamas vom Abend. Diese ließ wissen, man sei im Gegenzug zur Freilassung von Palästinenserinnen und Kindern aus israelischer Haft und für eine fünftägige Feuerpause dazu bereit, rund 70 israelische Geiseln freizulassen. Über den Inhalt eines solchen Deals, den offenbar die USA und Katar verhandeln, war bereits am Wochenende berichtet worden. Dass die Hamas dies nun öffentlich macht, dürfte ebenfalls auf den Druck hindeuten, der auf der Organisation lastet.

Dramatische Situation

Zugleich wurden auch in der unmittelbaren Umgebung zweier zentral gelegener Krankenhäuser heftige Kämpfe gemeldet. Das al-Quds-Spital, wo die Behandlung von Patientinnen und Patienten schon am Wochenende eingestellt wurden, war Schauplatz einer Schießerei. Nachdem israelische Soldaten aus dem Krankenhaus heraus angegriffen worden seien, hätten sie "mindestens 21 Terroristen" in dem Spital getötet, meldete die israelische Armee. Der Palästinensische Rote Halbmond sprach im gleichen Zusammenhang von "Schusswechseln in der Gegend".

Dramatisch gestaltete sich die Lage auch beim Krankenhaus al-Shifa, der größten medizinischen Einrichtung des Gazastreifens. Dort war am Wochenende der Treibstoff ausgegangen. Ärzte berichteten unter anderem über den Ausfall von Beatmungsstationen für 39 Babies, von denen am Montag mehrere gestorben seien. Weil Evakuierungen aufgrund der Kämpfe nicht möglich seien, würden sich weiterhin mehr aus tausend Menschen in den Spital befinden. Die Lage in dem Krankenhaus gilt als besonders heikel, weil laut israelischen – aber auch US-amerikanischen – Einschätzungen in einem Tunnelsystem unterhalb des Spitals wichtige Kontrollzentren der Hamas vermutet werden. Israels Armee veröffentlichte zudem am Montagabend ein Video aus dem von Soldaten eingenommenen Krankenhaus al-Rantissi. Dort seien im Keller Tunnel und Kampfmaterialen der Hamas gefunden worden – und zudem Anzeichen darauf, dass dort Geiseln festgehalten worden seien.

Video: Palästinenser-Regierung fordert Luftbrücke für Gaza
AFP

US-Präsident Joe Biden rief in einem Statement am Montagabend dazu auf, Spitäler zu schützen.

Israel selbst bestreitet, Krankenhäuser zu beschießen. Ein Sprecher der Armee nahm Sonntag allerdings auch Bezug auf Berichte, wonach die Hamas selbst sich unter anderem in medizinischen Einrichtungen verschanze. In dem Fall würden die Soldaten "machen, was zu tun ist".

Brenzlige Lage im Norden

Zugleich spitzt sich langsam die Lage an der nördlichen Grenze Israels zum Libanon zu. Dort liefern sich die vom Iran unterstützte Schiitenmiliz Hisbollah und die israelische Armee seit Wochen Scharmützel, die bisher allerdings nicht außer Kontrolle geraten sind. Am Wochenende waren beim Beschuss der Hisbollah dann aber mehrere zivile Mitarbeiter eines israelischen Stromkonzerns getroffen worden. Sie wurden schwer verletzt, ein Mann verstarb am Montag.

Israel reagierte mit Angriffen, die weiter innerhalb des libanesischen Staatsgebietes stattfanden als bisherige Gegenangriffe. Der Chef des israelischen Generalstabs, Herzi Halewi, sagte zudem Montagabend, es könne nicht sein, dass Menschen im Norden Israels wegen der weiträumigen Evakuierungen nicht in ihre Häuser zurückkehren können. Israel habe deshalb einen "umfangreichen Aktionsplan" in der Tasche, um die Sicherheit seiner Bürger im Norden zu garantieren. Bisher hatten vor allem die USA massiven Druck auf beide Seiten ausgeübt, um ein Ausufern des Konfliktes Richtung Norden zu verhindern.

Im aktuellen Krieg gibt es nach Angaben der Hamas-Behörden in Gaza 11.240 Tote. Diese Zahlen können nicht unabhängig überprüft werden, bei früheren Konflikten haben sie sich bei nachträglichen Zählungen aber als plausibel erwiesen.

Zu einer Beruhigung der Lage rief Montag erneut der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf. Er wird im Lauf der Woche in Israel erwartet. (Manuel Escher, 13.11.2023)