Alexander Freiherr von Warsberg wird am 30. März 1836 im südlich von Trier gelegenen Saarburg als Sohn des preußischen Kammerherrn Joseph Alexander Freiherr von Warsberg und dessen Frau Elisabeth geboren. Als er noch ein Kind ist, verkauft der Vater die Familienbesitzungen, und man übersiedelt nach Graz. Dort besucht Alexander das Gymnasium und beginnt 1855 ein Jusstudium, das er im Folgejahr in München fortsetzt, wo der kunstinteressierte junge Mann das Haus des Künstlers, Schriftstellers und Musikers Franz von Pocci frequentiert und dort unter anderem dem späteren bayerischen König Ludwig II. begegnet.

Altes Haus
Das Haus in der Zinzendorfgasse in Graz, in dem Warsberg während seiner Jugendzeit lebte.
Stefan Dreier

Nach Graz zurückgekehrt, schließt Warsberg sein Studium ab und beginnt 1859 eine Beamtenlaufbahn, zuerst bei der Statthalterei in Venedig, im Jahr darauf bei deren Grazer Pendant. 1866 wechselt er als Konzeptsadjunkt in das Handels- und von dort 1868 in das Außenministerium nach Wien. Schon früh erkrankt er an einem Lungenleiden, lässt sich deshalb bald nach seinem Eintritt ins Außenministerium für mehrere Jahre in Disponibilität versetzen und sucht Erholung unter anderem im Süden. Ab 1882 amtiert Warsberg schließlich als Konsul auf Korfu, ehe er Ende 1887 mit der Leitung des Generalkonsulats in Venedig betraut wird.

Eine schicksalhafte Begegnung

1863 trifft Warsberg in Graz Anton Freiherr (später Graf) Prokesch von Osten, eine schillernde Figur, die sowohl als Militär, Kunstkenner, Numismatiker, Reiseschriftsteller und vor allem als Diplomat reüssiert hat. Zum Zeitpunkt ihrer Begegnung fungiert er als österreichischer Gesandter in Konstantinopel. Sie verstehen sich auf Anhieb, und trotz des Altersunterschieds von über vier Jahrzehnten entwickelt sich eine enge Freundschaft. Der Diplomat lädt Warsberg im Sommer 1864 an den Bosporus, und dieser ist überwältigt: Wie Prokesch-Osten lässt auch ihn der Orient (worunter man damals durchaus auch den griechisch geprägten Raum subsumiert) nun nicht mehr los.

Beide Herren sind von der Überlegenheit orientalischer Wesensart, Geisteshaltung, Ästhetik etc. überzeugt. Warsberg: "Aus dem Oriente kömmt eben nicht nur das Licht, aber dort ist auch die Ruhe und Beharrlichkeit und der ewig unveränderliche Born eines ursprünglicheren und gesunderen Geistes, der die Menschheit immer wieder umtauft, wenn sie sich drüben im Okzidente an materialistischer Überfeinerung zugrunde gerichtet hat." Bei Prokesch-Osten wie auch bei seinem jungen Freund basiert diese Orient-Verehrung beziehungsweise Okzident-Skepsis nicht zuletzt auf einer konservativen vormärzlichen Grundhaltung, die in konstitutioneller Monarchie und Demokratie den Anfang vom Untergang des Abendlandes erblickt.

"Der letzte Grieche"

Die Sehnsucht nach dem Süden führt Warsberg (teilweise in Begleitung Prokesch-Ostens) unter anderem nach Ägypten, Syrien und Libyen. Doch seine große Leidenschaft gehört den Landschaften des alten Griechenland. Er ist überzeugt, durch das unmittelbare Erleben der Schauplätze der klassischen Dichtung Letztere auch besser zu begreifen. Bald veröffentlicht er erste Reiseskizzen in verschiedenen Blättern, vor allem in der "Augsburger Allgemeinen Zeitung". Die Eindrücke seiner Reise nach Konstantinopel verarbeitet er in der Monografie "Ein Sommer im Orient" (1869).

1870/71 hält er sich für mehrere Monate auf Ithaka auf, eine der Ionischen Inseln und mythische Heimat des Odysseus. Seine dort angefertigten Aufzeichnungen bilden den Grundstock für den Dreibänder "Odysseische Landschaften" (1878 bis 1879). Warsbergs Reisebücher sind Landschaftsschilderungen, die dem Leser die unmittelbare emotionale Wirkung, die das Geschaute im Autor auslöst, nicht vorenthalten, ganz im Gegenteil: Er bekommt Schwärmerei und Gefühlsseligkeit im Übermaß serviert, denn der Autor trägt sprachlich teils recht dick auf. Da sind Frauen schon einmal "Engel der Sittsamkeit und Güte", während er an den "weichen, wollüstigen, phäakischen Ufern des Ostens" entlangwandelt. Es sind wohl diese zeitgebundene Übersättigung des Ausdrucks, das Romantisieren und die in seinen Werken immer wieder beobachtbare künstliche Stimmungsmache, die dafür sorgen, dass der Schriftsteller Warsberg nach seinem Ableben relativ bald in Vergessenheit gerät.

In seine Texte eingeflochten sind neben statistischen Angaben auch kleine historische Skizzen. Gern baut er auch literarische Zitate ein, die Referenzwerke schlechthin stellen jedoch Homers Epen dar. Nach den "Odysseischen Landschaften" wendet sich "der letzte Grieche", wie ihn seine Freundin Rosa von Gerold apostrophiert, der Landschaft der Ilias zu. Den Anlass bietet die Übertragung des sogenannten Heroon von Trysa (in der heutigen Südwesttürkei) in das Wiener Hofmuseum, ein Projekt unter der Leitung des Archäologen Otto Benndorf. Warsberg, der mit der wissenschaftlichen Annäherung an die Antike bisweilen fremdelt und deren unmittelbares Erleben vor Ort bevorzugt, begleitet Benndorf auf dieser Expedition. Später kommt es im Zusammenhang mit der Verwendung von Fotografien dieser Forschungsreise in Warsbergs Publikationen zu einem Konflikt. Von dem geplanten dreibändigen Werk über das Land der Ilias erscheint nur "Eine Reise durch das Reich des Sarpedon" (1884).

Freunde und besondere Freundinnen

Obschon sich der ewige Junggeselle Warsberg als "Wollüstling der Einsamkeit" geriert, begibt er sich gern in Gesellschaft und pflegt zahlreiche Freundschaften. Neben Prokesch-Osten zählen etwa der Diplomat und Schriftsteller Alexander von Villers sowie die Grafen Karl Lanckoroński-Brzezie und Rudolf von Hoyos-Sprinzenstein, wie Warsberg beide leidenschaftliche Kunstsammler, zu seinen Vertrauten.

Eine besondere Rolle nehmen in seinem Freundeskreis Frauen ein, etwa Laura Minghetti, die Frau des italienischen Spitzenpolitikers Marco Minghetti, oder die bereits erwähnte Schriftstellerin und Salonière Rosa von Gerold, deren Gatte Warsbergs "Odysseische Landschaften" verlegt. Sie ist heute ebenso weitgehend vergessen wie eine andere zu ihrer Zeit vielgelesene Frau der Feder, mit der sich Warsberg anfreundet ‒ Malwiga von Meysenbug. Er lobt ihren auf Korfu angesiedelten Roman "Phädra", worauf sich eine rege Korrespondenz entspinnt, ehe sie sich nach zwei Jahren in Rom zum ersten Mal persönlich treffen. Obschon in vielen Fragen unterschiedlicher Meinung – Meysenbug vertritt aufklärerisches und emanzipatorisches Gedankengut und sympathisiert mit dem Sozialismus –, entdecken sie doch eine gewisse Seelenverwandtschaft und tauschen sich lebhaft über Privates, allgemein Menschliches und Ästhetisches aus.

Reisemarschall Ihrer Majestät

Als die sich ebenfalls für das griechische Altertum begeisternde Kaiserin Elisabeth 1885 zu einer längeren Orientreise aufbrechen will, tritt der Hof an Warsberg mit der Bitte heran, auf dieser Fahrt als ihr Reisebegleiter und -führer zu fungieren. Dessen erster Eindruck von der Monarchin ist recht negativ, er findet sie hässlich und zweifelt gar an ihrem Verstand. Doch wird er dieses Bild später gründlich revidieren. Auf der Staatsyacht Miramar geht es über Korfu, Patras, Patmos, Santorin, Lesbos, Smyrna, Rhodos und Zypern bis nach Alexandrien, auf dem Rückweg läuft man erneut Korfu an.

Warsberg erweist sich aus Sicht der Kaiserin als ideale Wahl und in gewisser Weise als ihr Seelenverwandter ‒ an seiner Seite wird aus dieser Orientfahrt zugleich eine Zeitreise in die Antike. Doch gibt es auch manche Unbill zu ertragen, etwa durch die sie begleitenden Seekadetten: "Dieser Rudel junger Leute schwatzte nun so und von so wenig zur Örtlichkeit passenden Dingen, dass irgendeine poetische Stimmung nicht möglich war." Die Fahrt ist strapaziös, wozu auch Sisis legendärer Laufschritt das Seine beiträgt, Warsbergs Gesundheit ist danach angegriffener denn je.

Das Achilleion, Sisis antiker Traumpalast

Im Herbst 1887 fungiert er erneut als Baedeker Ihrer Majestät, diesmal werden Korfu und Ithaka intensiv erkundet. Wieder zehrt die Reise an seinen Kräften: "Alles lag auf mir", klagt er Malwida von Meysenbug, "niemand sonst ordnete etwas an". In dieser Situation kommt nun von der Kaiserin ein besonderer Auftrag: Sie möchte sich auf Korfu einen Palast in antikem Stil als Refugium errichten, und Warsberg soll die Planungen leiten. Für ihn scheint sich damit ein Traum zu erfüllen, was ihn seine schlechte Konstitution vorerst vergessen lässt. Der Palast soll den Namen Achilleion tragen, nach dem von der Kaiserin bewunderten Helden der Ilias. Doch die hektischen Reisen nach Neapel zum beauftragten Architekten sowie an die jeweiligen Aufenthaltsorte der Monarchin sind letztlich zu viel für ihn, sodass er die Leitung des Projekts an seinen Bruder Gustav abtreten muss.

Skulptur in Garten
"Sterbender Achill" von Ernst Herter im Park des Achilleion auf Korfu.
Hubert Bergmann
Villa, im Vordergrund Grünpflanzen
Das Achilleion auf Korfu.
Hubert Bergmann

Tod in Venedig

Wohl auch als Zeichen der Wertschätzung ernennt man Warsberg Ende 1887 zum Generalkonsul in Venedig. Er stürzt sich sogleich in die neue diplomatische Aufgabe, doch seine kurze Amtszeit wird überschattet von dem zusehends seine Kräfte übersteigenden Engagement für den Prunkbau auf Korfu und seiner Krankheit. Venedig ist erst knapp zwanzig Jahre zuvor von Österreich zu Italien gewechselt, und es herrschen noch antiösterreichische Ressentiments in der Stadt, die Warsberg zu überwinden trachtet. Um repräsentieren zu können, mietet er den Palazzo Savorgnan an – er soll seine letzte Bleibe werden. Als er am 28. Mai 1889 stirbt, ist sein Bruder bei ihm und Malwida von Meysenbug, die eilends aus Rom angereist ist. Warsbergs Leichnam wird nach Graz überführt und am St.-Leonhard-Friedhof beigesetzt. Das Grabmal liegt nicht weit von dem deutlich auffallenderen Mausoleum für Warsbergs Lebensfreund Prokesch-Osten entfernt. (Hubert Bergmann, 17.11.2023)

Gedenktafel
Gedenktafel für Warsberg vor dem Achilleion auf Korfu.
Hubert Bergmann
Grab
Warsbergs (inzwischen neu belegte) Grabstätte auf dem Grazer St.-Leonhard-Friedhof.
Stefan Dreier