Krise hin oder her, der Arbeitsmarkt hat sich bisher als relativ robust erwiesen. So ist die Arbeitslosigkeit trotz Rezession in Österreich nur leicht gestiegen. Dazu kommt, dass die Zahl der offenen Stellen weiterhin hoch ist. Beim AMS waren bisher im Jahresschnitt 110.000 offene Stellen gemeldet, aktuell sind es um die 100.000. Seit zehn Jahren war dieser Wert nur im vergangenen Jahr etwas höher. Was aus Sicht der Arbeitnehmer eine gute Nachricht ist, schafft eigene Herausforderungen: Unternehmen beklagen immer noch, sich bei der Suche nach geeignetem Personal schwerzutun.

Video: Das Arbeitsmarktservice und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) haben am Mittwoch ein neues System bei der Jobvermittlung vorgestellt: das sogenannte Kompetenzmatching.
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Als Antwort auf diese Konstellation will das AMS bei der Personalvermittlung neue Wege gehen. Statt wie bisher bei der Vermittlung von Jobs vor allem auf formale Ausbildung zu achten, soll künftig der Fokus auf Kompetenzen liegen, die nachgefragt und angeboten werden. AMS-Chef Johannes Kopf und seine Co-Chefin Petra Draxl erklären das so: Offene Stellen lassen sich nicht mehr so leicht in ein "Kastl" drängen. Unternehmen suchen immer öfter spezialisierte Arbeitskräfte, die neben erlernten Qualifikation auch viel anderes Wissen mitbringen müssen. Beispiel: ein Installateur, der sich auch bei Photovoltaikanlagen und Klimasystemen auskennen muss.

Dazu kommt, dass die Zahl ausländischer Arbeitskräfte in Österreich gestiegen ist, die vielleicht formal die erforderlichen Kriterien für einen Job nicht erfüllen, wie einen Lehrabschluss, aber wohl nötige Qualifikationen anderweitig erworben haben. Hinzu kommt, dass Lebensläufe bunter geworden sind, Stichwort häufigere Jobwechsel und Lebensläufe mit mehreren Umbrüchen.

Ein angehender Schweißer bei der Ausbildung in einem AMS-Zentrum.

Wie soll das neue System konkret aussehen? Im alten AMS-Programm funktionierte die Suche primär auf Basis der Bezeichnung für offene Stelle. Bei einer Chemikerin, die auf Jobsuche war, spuckte das Programm aus, wo Unternehmen Chemiker suchen. Für einen Bautischler wurden keine Stellenausschreibungen angeschrieben, bei denen Montagetischler gesucht wurden. Im neuen System können Kompetenzen von Jobsuchenden angegeben werden, über diese kann nach offenen Stellen gesucht werden. Eine Chemikerin passt dann auch auf einen ausgeschriebenen Job als Projekttechnikerin zu 73 Prozent, weil viele der gesuchten und angebotenen Kompetenzen passen, auch wenn Berufsbezeichnung nicht passt.

25.000 Kompetenzen im System

Aktuell nützen das neue System bereits AMS-Beraterinnen und -Berater, um Unternehmen und Arbeitssuchende zusammenzubringen. Im Oktober 2022 wurde ein Pilotprojekt mit ersten Schulungen der AMS-Berater gestartet, entwickelt hat das Programm ein niederländisches Unternehmen. AMS-Chef Johannes Kopf sprach von der "mit Abstand größten Innovation im AMS seit 25 Jahren."

Das neue Programm kennt laut Kopf 25.000 unterschiedliche Kompetenzen, die programmiert werden können.

Was ist genau neu im System? Schließlich waren AMS-Berater auch bisher dazu aufgerufen zu schauen, welche Kompetenzen Bewerberinnen und Bewerber haben. Ja, sagt AMS-Chef Kopf. Allerdings ermögliche das neue System auch Jobvermittlungen, an die bisher nicht gedacht wurde, weil Kompetenzen übereinstimmen. Beispiel: Eine Beschäftigte im Tourismus, die damit beauftragt war, Pressetexte Korrektur zu lesen, konnte als Lektorin vermittelt werden. Und: Durch eine neue IT-Eingabe, bei der Kompetenzen eingegeben werden müssen, werden sie von AMS-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern eher abgefragt.

Ab 1. Jänner soll das neue System im AMS verpflichtend verwendet werden. Sprich: Überall dort, wo bei einer Suche von Unternehmen oder Arbeitslosen nicht genug Matches angeboten werden, muss eine Suche nach Kompetenzen durchgeführt werden. Ab Herbst 2024 soll die neue Applikation die alte ablösen.

Kosten für das Projekt: mehr als zehn Millionen Euro. (András Szigetvari, 15.11.2023)