Der Bereich Wettervorhersage scheint wie geschaffen für den Einsatz künstlicher Intelligenz. Unmengen an Daten zu verarbeiten, um darauf basierend Prognosen zu erstellen, das ist die Kernstärke solcher Maschinenlernsysteme. Dass das nicht nur Theorie ist, belegen nun Google-Forscher eindrücklich.

Graphcast
Eine Graphcast-Prognose.
Deepmind / Google

Unter dem Namen Graphcast hat Googles Deepmind nun eine KI präsentiert, die nicht nur bessere Vorhersagen als traditionelle Systeme liefern soll, sie braucht dafür auch nur einen Bruchteil der Rechenkraft – und somit des Stroms.

Vergleiche

Wie Deepmind in einem Blogeintrag ausführt, liefert Graphcast Zehn-Tage-Prognosen, die bei 90 Prozent der insgesamt 1.380 Testvariablen bessere Resultate liefern als der aktuelle "Goldstandard" der Branche – die High Resolution Forecast (HRES) des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF). Das bestätigt auch die ECMWF selbst gegenüber der "Financial Times".

Was aber mindestens genauso wichtig ist: Ist das Graphcast-System einmal trainiert, kann es auf einem einzigen KI-Chip (Googles eigener TPU v4), innerhalb einer Minute eine Zehn-Tage-Prognose liefern. Damit das möglich ist, wurde es zuvor an 40 Jahren historischer Wetterdaten trainiert.

Zum Vergleich: Traditionelle Systeme laufen derzeit auf Supercomputern, sie nutzen eine Fülle von komplizierten Formeln, die eine möglichst treffende Prognose erstellen sollen. Ein solcher Durchlauf braucht dabei mehrere Stunden und sehr viel mehr Strom. Laut der ECMWF verbraucht Graphcast in der Nutzung gerade einmal ein Tausendstel des Stroms von klassischen Prognosesystemen.

Reaktionszeit

Die höhere Präzision sowie die gesteigerte Geschwindigkeit haben zudem das Potenzial, rascher und besser auf Extremwetterereignisse reagieren zu können, betont Deepmind. So hätte Graphcast jenen Hurrikan Lee, der im September Nordamerika heimgesucht hat, bereits neun Tage zuvor korrekt berechnet. Das klassische Modell hätte hier erst drei Tage später zutreffende Vorhersagen getroffen.

A selection of GraphCast’s predictions rolling across 10 days
A selection of GraphCast’s predictions rolling across 10 days showing specific humidity at 700 hectopascals (about 3 km above surface), surface temperature, and surface wind speed.
Google DeepMind

Das heißt allerdings nicht, dass Graphcast die klassischen Supercomputersysteme schon bald ablösen wird. Ein offener Punkt bleibt nämlich, wie gut es die Auswirkungen des Klimawandels einbeziehen kann. So sei die KI-Lösung bei einem anderen Extremwetterereignis, dem Hurrikan Otis, nicht besser als traditionelle Berechnungen gewesen, da sich dieser unerwartet schnell entwickelt habe.

Die Zukunft

Trotzdem ist Graphcast damit laut Deepmind das derzeit genaueste System für mittelfristige Wetterprognosen und übertrifft damit auch andere KI-Wettersysteme von Firmen wie Nvidia oder Huawei. Unabhängig von einzelnen Herstellern scheint jedenfalls klar, dass der Einsatz künstlicher Intelligenz bei der Wettervorhersage in Zukunft eine wichtige Rolle einnehmen wird. Der Meteorologe Matthew Chantry vom ECMWF zeigt sich jedenfalls von den aktuellen Fortschritten bei der KI-Wettervorhersage begeistert, diese seien "viel schneller und beeindruckender gekommen als erwartet".

Beim ECMWF läuft Graphcast bereits parallel zu den bisherigen Systemen, wenn auch noch explizit als "experimentell" gekennzeichnet. Auf der Website gibt es eine Reihe von Karten mit aktuellen Prognosen des Deepmind-Systems. Das britische Met Office plant wiederum, ein eigenes KI-System zu entwickeln, um dann in Kombination mit den bisherigen Supercomputermodellen bessere Vorhersagen treffen zu können. (Andreas Proschofsky, 15.11.2023)