Eine Frau trinkt Bier aus einem Glas
Prost! Ein Forscherteam hat eine Software entwickelt, die den Grad der Alkoholisierung nur anhand der Stimme erkennen kann.
EPA/NEIL HALL

Wenige Sätze reichen aus, und das Smartphone erkennt, ob man noch ein Fahrzeug lenken darf oder man dem Wirt besser den Autoschlüssel geben sollte. Eine aktuelle Studie einer vierköpfigen Forschergruppe liefert erstaunliche Ergebnisse, wie eine Software nur durch Nuancen in der Stimme erkennt, ob man zu tief ins Glas geschaut hat.

Derzeit gebe es keine kommerziell erhältlichen Hilfsmittel, mit denen sich eine Alkoholisierung unauffällig und wirksam feststellen lasse, so die vierköpfige Forschergruppe. Transdermale Alkoholsensoren und tragbare Atemalkoholmessgeräte können den Blutalkoholgehalt zwar relativ genau bestimmen, aber die Kosten für derartige Geräte verhinderten bislang, dass sich diese durchgesetzt haben, heißt es in der Publikation im "Journal of Studies on Alcohol and Drugs".

Deshalb kamen die Forscher rund um Brian Suffoletto vom Institut für Notfallmedizin an der Stanford University auf die Idee, die Sensoren von Smartphones für diese Aufgabe heranzuziehen. Das Mikrofon erschien dafür am naheliegendsten, gibt es doch schon vielversprechende Versuche, verschiedene neurologische Erkrankungen anhand der Stimme von Patientinnen und Patienten zu erkennen. Warum also nicht auch die Symptome einer rauschigen Nacht? Und: Smartphones sind anders als Alkomaten so gut wie flächendeckend im Einsatz.

98-prozentige Genauigkeit

Dazu mussten die Probanden einige Tests absolvieren, wie man sie von Studien mit angetrunkenen Personen erwarten würde. Die 18 Erwachsenen im Alter zwischen 21 und 62 Jahren erhielten eine auf ihr Körpergewicht abgestimmte Menge Alkohol in Form von Wodka mit Limette und Sirup. Davor mussten sie einige zufällig ausgewählte Texte, unter anderem Zungenbrecher, einlesen. Oder wie die Forschergruppe es nennt: sich einem fonetischen Stresstest unterziehen. Den ersten Text lasen sie eine Stunde vor dem Trinken laut vor, die weiteren mussten die Teilnehmenden nach dem Alkoholkonsum unter dem Einfluss von etwa 0,8 Promille vorlesen.

Ein Smartphone wurde etwa einen halben Meter vor den Probanden positioniert und zeichnete deren Stimmproben auf. Mit einer Software wurden diese in einzelne eine Sekunde dauernde Segmente zerlegt und Sprechpausen herausgefiltert. Anschließend wurden die Sprachsamples anhand unterschiedlicher Faktoren wie Frequenz und Tonhöhe miteinander verglichen. Die Veränderung der Stimme wurde durch eine KI-gestützte akustische Analyse erfasst. Dabei konnte die Software den Alkoholisierungsgrad der Studienteilnehmenden mit 98-prozentiger Genauigkeit erkennen, was deutlich über bisherigen ähnlichen Experimenten liegt.

Betrunken Textnachrichten schreiben

Bis es eine zuverlässige Alkoholmessung als App tatsächlich gibt, dürfte aber noch einige Zeit vergehen: Das Forscherteam möchte die Versuche nun auf eine größere Personengruppe ausweiten und die Genauigkeit ihres Systems verbessern. Dabei könnten auch andere Smartphone-Sensoren zum Einsatz kommen: So könnten die Accelerometer im Smartphone dazu genutzt werden, den Gang zu analysieren. Außerdem wäre es möglich, den Grad der Alkoholisierung anhand des Stils in Textnachrichten abzulesen.

Die Forschenden weisen außerdem darauf hin, dass es sich um Laborergebnisse handelt und die Stimmproben nicht in einem lauten Gastgarten aufgenommen wurden. Außerdem sei es in der realen Welt eher unwahrscheinlich, dass man seinem Smartphone freiwillig Zungenbrecher vorliest, weshalb das Modell nun erweitert werden und auch anhand kürzerer Sätze eine Alkoholisierung erkennen soll. Darüber hinaus sei noch unklar, wie genau die Stimmanalyse funktioniert, wenn zusätzlich zum Alkohol noch andere Substanzen konsumiert werden.

Bis heimische Smartphones eine Warnung ausgeben, wenn man versucht, betrunken ein Fahrzeug zu lenken, dürfte es sogar noch länger dauern: Aktuell versteht der Alkomat am Handy nur betrunkenes Englisch. (red, 16.11.2023)