Mike Johnson
Drastische Einschnitte vor allem bei den Sozialausgaben konnte der Republikaner Mike Johnson nicht durchsetzen. Umgekehrt liegt aber auch das von Präsident Joe Biden vorgelegte 106-Milliarden-Dollar-Sicherheitspaket weiterhin auf Eis.
REUTERS/SARAH SILBIGER

Ohne Drama geht nichts im US-Kongress. Doch der jüngste Akt im ebenso bizarren wie endlosen Haushaltsstreit bot ein paar spektakuläre Spezialeffekte: Erst versetzte der gestürzte Repräsentantenhaus-Sprecher Kevin McCarthy am Dienstag einem seiner Kritiker einen physischen Schlag in die Niere, dann verbündete sich sein Hardliner-Nachfolger Mike Johnson mit den Demokraten, und schließlich billigte das Parlament einen Übergangsetat nach exakt jenem Vorbild, das McCarthy Anfang Oktober den Job gekostet hatte.

Trotz dieser Posse machte sich am Mittwoch in Washington Erleichterung breit: Die Gefahr eines am Samstag drohenden Shutdowns, der mit ausbleibenden Löhnen, fehlendem Flughafenpersonal und geschlossenen Nationalparks vielen Millionen Menschen das Thanksgiving-Fest in der kommenden Woche gewaltig verdorben hätte, ist abgewendet. Die erforderliche Zustimmung des Senats und die Unterschrift des Präsidenten unter das Gesetz, das der Politik eine weitere Galgenfrist bis Mitte Jänner gewährt, scheint sicher.

Haushaltspolitisch segelt die USA damit quasi auf Autopilot ins nächste Jahr hinein. Die alten Etatansätze gelten weiterhin. Drastische Einschnitte vor allem bei den Sozialausgaben, wie sie seine Parteifreunde fordern, konnte der Republikaner Johnson nicht durchsetzen. Umgekehrt liegt aber auch das von Präsident Joe Biden vorgelegte 106-Milliarden-Dollar-Sicherheitspaket mit Militärhilfen für die Ukraine und Israel sowie humanitärer Unterstützung für den Gazastreifen weiter auf Eis. Die Verabschiedung der Ukraine-Mittel im geplanten Umfang wird damit immer fraglicher.

Fast alle Demokraten dafür

Wie prekär die Machtposition des frischgewählten ultrarechten Repräsentantenhaus-Chefs ist, macht der Ablauf der Abstimmung deutlich. Erst konnte Johnson in seiner eigenen 221-köpfigen Fraktion nicht einmal die erforderlichen Stimmen für die Einbringung seines Übergangsetats zusammenbringen. Dann lehnte fast die halbe republikanische Truppe das Paragrafenwerk ab. "Das ist Mist", erklärte Chip Roy, einer der Wortführer der ultrarechten Hardliner. Am Ende fand der Entwurf nur deshalb die erforderliche Zweidrittelmehrheit, weil fast alle 213 Demokraten für ihn stimmten.

Die Zerstrittenheit der republikanischen Fraktion war buchstäblich mit den Händen zu greifen. Kevin McCarthy, der vor sechs Wochen wegen seiner Zusammenarbeit mit den Demokraten von den Hardcore-Trumpisten gestürzt worden war und seither einen gewaltigen Groll in sich hineinfrisst, stieß am Vormittag auf einem Flur des Kapitols mit Tim Burchett, einem der acht Putschisten, zusammen. Nach Darstellung von Burchett rammte ihm McCarthy von hinten den Ellbogen in die Niere. Es entspann sich ein lautstarkes Wortgefecht. McCarthy bestreitet eine Absicht. Doch eine Reporterin des renommierten Senders NPR, die Augenzeugin war, bestätigt den geschilderten Tathergang.

Unterschied nur in der Reaktion

Tatsächlich hätten die ultrarechten Hardliner das jetzige Ergebnis auch ohne den Sturz McCarthys haben können. "Was ist der Unterschied zwischen dem Übergangsetat, den das Parlament am Dienstag unter dem neuen Sprecher Mike Johnson verabschiedete, und dem vom September unter dem damaligen Chef Kevin McCarthy?", leitete das konservative "Wall Street Journal" am Mittwoch seinen Kommentar ein. Die Antwort lautete: "Es gibt keinen." Unterschiedlich freilich scheint die Toleranz der Trumpisten zu sein, die bisweilen darauf verzichten, ihren Gesinnungsgenossen Johnson wegen der Abweichung vom rechten Fundi-Kurs zu stürzen.

Das Problem ist damit aber nur verschoben. Am 19. Jänner läuft nun die Finanzierung für einige weniger umstrittene Etats aus. Am 2. Februar sitzen alle Bundesbehörden auf dem Trockenen. Einen weiteren Übergangsetat hat Johnson ausgeschlossen. Seine Fraktion will dem neuen Haushalt aber nur mit drastischen Kürzungen zustimmen, die bei den Demokraten und im Senat chancenlos sind. "Der Budgetstreit dieser Woche war nur eine Aufwärmübung für das, was Anfang 2024 kommt", prophezeit die Nachrichtenseite "Politico". (Karl Doemens aus Washington, 15.11.2023)