Spermienmodelle schwimmen Richtung Eizelle
Immer wieder wird der Einfluss der Handystrahlung auf die männliche Fruchtbarkeit diskutiert. Angesichts einer neuen Langzeitstudie bleiben Expertinnen und Experten entspannt.
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Man macht sich Sorgen um die Fruchtbarkeit – um die männliche nämlich. Tatsache ist, dass die Qualität der Spermien seit den 1970er-Jahren um mehr als die Hälfte abgenommen hat. Ihre Form ist nicht mehr so perfekt, und sie schwimmen auch nicht mehr so schnell. Das führt dazu, dass sie nicht mehr so zuverlässig eine Eizelle befruchten, es gibt einen regelrechten Run auf Reproduktionskliniken. Und sehr oft ist der Mann die alleinige Ursache für die ungewollte Kinderlosigkeit eines Paares – laut Statistik in 40 Prozent der Fälle.

Die Gründe dafür sind vielfältig – und auch nicht alle ganz klar. Es gibt aber zahlreiche Erklärungsansätze, vom Aufkommen von Wegwerfwindeln mit den darin enthaltenen Weichmachern bis hin zu Östrogenen im Abwasser durch die Verbreitung der Pille. DER STANDARD hat das "Spermageddon" hier genauer hinterfragt. Nun gibt es für eine Ursache, die immer wieder für Diskussionen sorgt, neue wissenschaftliche Erkenntnisse: nämlich für die Rolle von Mobiltelefonen. Eine Studie, die die American Society for Reproductive Medicine soeben publizierte, hat gezeigt, dass junge Männer im Alter zwischen 18 und 22 Jahren, die laut eigenen Angaben ihre Telefone mehr als 20-mal am Tag benutzen, ein um 21 Prozent höheres Risiko für eine insgesamt niedrige Spermienzahl hatten. Dazu kommt ein um 30 Prozent höheres Risiko für eine niedrige Spermienkonzentration, also wie viele Spermien sich in einem Milliliter Samenflüssigkeit befinden.

Insgesamt 2.886 junge Schweizer Männer nahmen an der Untersuchung eines Teams der Universität Genf in Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH) teil. Sie machten per Fragebogen umfassende Angaben zu Lebensstil, allgemeinem Gesundheitszustand, der Nutzung ihres Mobiltelefons und der Position desselben bei Nichtgebrauch. Über den Fruchtbarkeitsstatus der Teilnehmer wusste man vorher nicht Bescheid, diverse Störfaktoren wurden vor der Auswertung der Angaben herausgerechnet.

Ältere Technologie, weniger Spermien

Der Untersuchungszeitraum begann bereits im Jahr 2005, als die Nutzung von Mobiltelefonen noch nicht so weit verbreitet war und andere Netztechnologien vorherrschten. Dadurch war es möglich, den Zusammenhang zwischen Häufigkeit der Nutzung und Samenparametern über verschiedene Zeiträume zu untersuchen, insgesamt 13 Jahre bis 2018. Und dabei entdeckte man eine überraschende Tatsache: Mit immer besser werdender Technologie wurden die Auswirkungen auf die Spermienanzahl schwächer.

"Mich fasziniert die Beobachtung, dass die stärkste Wirkung auf die Spermien offenbar bei älteren Telefonen mit 2G- und 3G-Technologie zu beobachten war im Vergleich zu moderneren 4G- und 5G-Versionen", sagt Allan Pacey, Androloge an der Universität Manchester. Er habe dafür keine Erklärung: "Da müssen Sie mit einem Experten für elektromagnetische Strahlen sprechen, um das besser zu verstehen." Er beurteilt die Studie insgesamt als sehr gut durchgeführt und befürwortet das Arbeiten mit Daten aus der realen Welt im Vergleich zu Versuchsanordnungen im Labor – auch wenn die Auswertung der Daten nur eine Korrelation, also einen Zusammenhang von Handynutzung und Spermienqualität zeigt, keinen kausalen Zusammenhang.

Alison Campbell, wissenschaftliche Leiterin des britischen IVF-Instituts Care Fertility, findet es aufschlussreich, dass zwar bei zunehmender Handynutzung die Spermienzahl weniger wurde, aber ihre Form nicht weiter negativ beeinflusst wurde: "Für die Furchtbarkeit ist nicht nur die Anzahl der Spermien relevant, sondern auch ihre Form, eine intakte DNA und ihre Fähigkeit zu schwimmen. Hier gibt es offenbar keinen Nachteil durch mehr Handynutzung."

Keine Panik und weniger Alkohol

"Ich sehe keinen Grund zur Panik oder Anlass für eine drastische Änderung der Gewohnheiten", beruhigt Campbell. "Wollen Männer in absehbarer Zeit ein Kind zeugen und deshalb die Qualität ihrer Spermien verbessern, sollen sie Sport machen, ausgewogen essen, gesundes Gewicht halten, nicht rauchen und den Alkoholkonsum einschränken." Der Entwicklungszyklus eines Spermiums dauert 72 bis 90 Tage, in einem Zeitraum von drei Monaten sind alle neu gebildet – und damit kann sich auch die Qualität rasch verbessern.

Auch Androloge Pacey bleibt gelassen angesichts der Erkenntnisse: "Die Studie liefert gute Ansatzpunkte für zukünftige Untersuchungen, aber meine Empfehlungen an Männer, die sich Sorgen um ihre Fruchtbarkeit machen, ändern sich dadurch nicht." Man könne ja relativ leicht etwas gegen die potenziellen Auswirkungen von Handys tun, indem man das Telefon nicht mehr in der Hosentasche aufbewahrt und es generell weniger nutzt. "Es gibt aber derzeit keine Beweise dafür, dass sich die Spermienqualität dadurch verbessert. Ich selbst werde mein Handy weiterhin in der Hosentasche aufbewahren." (Pia Kruckenhauser, 17.11.2023)