Rishi Sunak vor seinem Amtssitz 10 Downing Street.
Rishi Sunak erlitt vor Gericht eine Niederlage.
EPA/NEIL HALL

Eine massive Ohrfeige für Premier Rishi Sunak: Einstimmig und ohne jede Einschränkung hat der britische Supreme Court am Mittwoch die Ruanda-Asylpolitik der konservativen Regierung für rechtswidrig erklärt. Angesichts der Menschenrechtssituation in dem ostafrikanischen Land könne nicht garantiert werden, dass Asylwerber dort ein faires Verfahren erhalten würden. Vielmehr bestehe die Gefahr ihrer zwangsweisen Rückführung ins Heimatland, wo ihnen Gefahr für Leib und Leben drohe, sagte der Gerichtspräsident, Lord Robert Reed.

Dies sei "nicht der Verfahrensausgang, den wir uns gewünscht haben", teilte Sunak mit. Er kündigte einen neuen Vertrag mit Ruanda an, um das Vorhaben doch noch umzusetzen und die "illegale Migration" über den Ärmelkanal zu stoppen. Diesbezüglich wolle er auch die heimische Gesetzgebung und Großbritanniens internationale Verpflichtungen überprüfen.

Erst am Montag hatte der Regierungschef Innenministerin Suella Braverman gefeuert, wofür sich die Galionsfigur des harten rechten Flügels tags darauf mit einer wortreichen Abrechnung rächte: Sunak sei schwach und halte seine Versprechen nicht. Die Downing Street reagierte mit der eisigen Mitteilung, der Premier "danke Frau Braverman für ihre Arbeit".

Michael Howard, der frühere Innenminister und Parteichef, selbst ein eingefleischter Parteirechter, beschuldigte Braverman der Meuterei: "Die Regierung ist ohne sie besser dran."

Bravermans Vorwurf gegen Sunak bezieht sich auf den langgehegten Wunsch der nationalistischen Rechten, dem Europarat und damit der Europäischen Menschenrechtskonvention den Rücken zu kehren. Ausdrücklich verwies Reed in der Urteilsbegründung jedoch darauf, man habe sich nicht nur auf die Konvention, sondern auch auf eine Reihe von UN-Verträgen gestützt.

Einstimmige Entscheidung

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) habe die beste Möglichkeit, das Asylsystem in Ruanda zu beurteilen, sagte Reed und verwies auf die 100-prozentige Ablehnungsrate Ruandas gegen Asylwerber aus Konfliktzonen wie Syrien, Jemen oder Afghanistan. Reed und der erfahrene Höchstrichter David Lloyd-Jones waren mit der Bearbeitung des Falls befasst; ihrer Bewertung stimmten die anderen drei Richter – allesamt Männer, darunter Reeds Vizepräsident – uneingeschränkt zu.

Das von Braverman verfolgte Projekt sah vor, dass "illegal" per Lastwagen oder Schlauchboot auf die Insel Gekommene zukünftig grundsätzlich ihr Asylrecht verwirkt haben. Sie sollten interniert und abgeschoben werden. Im 7000 Kilometer entfernten Ruanda sollten die überwiegend alleinreisenden jungen Männer Aufnahme und ein Asylverfahren erhalten, die Rückkehr ins Königreich wäre in jedem Fall ausgeschlossen gewesen. London hat der wegen Menschenrechtsverletzungen umstrittenen Regierung von Präsident Paul Kagame bisher bereits mindestens 162,5 Millionen Euro gezahlt.

Labour hatte den Regierungsplan von Anfang an als "unausführbar, unethisch und total überteuert" bezeichnet. Die bezweckte Abschreckung werde nicht eintreten. Für viel wichtiger hält die Oppositionspartei eine Reform des Asylsystems: Derzeit warten 175.000 Menschen auf eine Entscheidung, Zehntausende verbringen lange Jahre in Notunterkünften, ehe sie am Ende häufig doch anerkannt werden. (Sebastian Borger aus London, 15.11.2023)