Pedro Sánchez geht in seine nächste Amtszeit als Spaniens Regierungschef. Der alte und neue Ministerpräsident, dessen sozialistischer PSOE mit 121 Sitzen bei den Wahlen im vergangenen Juli nur zweitstärkste Kraft wurde, erhielt die Stimmen von 179 der 350 Abgeordneten und damit das Vertrauen der Mehrheit der Volksvertreterinnen – etwas, woran Wahlsieger Alberto Núñez Feijóo mit seinem Partido Popular (PP) Ende September gescheitert war. Er paktierte mit der rechtsextremen Vox. Bis auf zwei kleinere rechte Parteien wollte sich diesem Pakt niemand anschließen. Es war die Chance für Sánchez – und er nutze sie.

Pedro Sánchez im Parlament.
Pedro Sánchez kann sich selbst Beifall spenden. Trotz Wahlniederlage ist er erneut Regierungschef.
AFP/POOL/JAVIER SORIANO

"Der PP öffnete der extremen Rechten die Türe zu fünf Regionalregierungen und 135 Gemeindeverwaltungen. Er gab ihnen die Macht, das Leben von mehr als zwölf Millionen Spaniern zu beeinflussen (...). Wir müssen uns entscheiden, ob wir die Würde der Arbeit, die Stärkung der Frau, die Achtung der sexuellen Vielfalt, die Integration der Migranten weiter vorantreiben wollen (...) oder ob wir die Propheten des Hasses unterstützen", warb er für eine Brandmauer gegen rechts. Sánchez versprach, weiterhin soziale Rechte auszubauen, wie er dies unter anderem mit der Anhebung des Mindestlohnes und der Pensionen sowie mit einem Gesetz zur sexuellen Freiheit und mit mehr Rechten für Transsexuelle getan hat. Außerdem soll der Wandel weg von fossilen Brennstoffen beschleunigt werden.

Neben den Abgeordneten der Koalitionspartner – des PSOE und des linksalternativen Sumar – folgten Sánchez die Vertreter der Regionalparteien der Kanaren, aus Galicien, dem Baskenland und Katalonien. Dies ist das Ergebnis langwieriger Verhandlungen, bei denen der PSOE zahlreiche Zugeständnisse machte. Die Kanaren und Galicien erhalten mehr Investitionen; das Baskenland endlich Kompetenzen, die seit 1979 im Autonomiestatut stehen, aber nie transferiert wurden; die Katalanen einen Schuldenerlass, ein neues Steuersystem und eine Amnestie für diejenigen, die wegen der Abhaltung einer Bürgerbefragung 2014 und eines Referendums zur Unabhängigkeit 2017 gerichtlich verfolgt werden – darunter der im Brüssler Exil lebende, ehemalige katalanische Präsident Carles Puigdemont, dessen Partei Junts per Cat ebenfalls für Sánchez stimmte.

"Aus der Not eine Tugend machen"

"Es handelt sich um eine Maßnahme, die von einem wichtigen Teil der katalanischen Gesellschaft gefordert (...), aber möglicherweise von vielen Bürgern nicht geteilt wird", weiß Sánchez. Noch im Wahlkampf verneinte er selbst vehement einen Straferlass. Doch ohne katalanische Unabhängigkeitspolitiker hat Sánchez keine Parlamentsmehrheit. "Es ist aus Gründen des Allgemeininteresses notwendig, aus der Not eine Tugend zu machen. (…) Was will die große Mehrheit der Bürger: das Katalonien 2017 oder das Katalonien 2023? Diese Maßnahme hilft, gesellschaftliche Risse zu überwinden", versuchte Sánchez die Debatte um die Amnestie zu beenden.

PP und Vox machten klar, dass der Straferlass das Hauptthema ihrer Oppositionsarbeit sein wird. Für Feijóo ist die Regierung "aus einem Betrug geboren". "Über das, was heute dem Parlament vorgelegt wird, wurde bei den Wahlen nicht abgestimmt. (...) Es ist ein Akt der politischen Korruption. Entscheidungen gegen das Allgemeininteresse im Austausch für persönliche Vorteile zu treffen hat keinen anderen Namen", wetterte Feijóo und fordert Neuwahlen.

Vox-Chef Santiago Abascal beschimpfte Sánchez am Mittwoch gar als Diktator und verglich ihn mit Hitler und Nero. Ohne auf die Gegenrede von Sánchez zu warten, verließ er mit den Seinen den Plenarsaal und schloss sich den Protesten vor dem Parlament und später dann der Demonstration vor der PSOE-Zentrale an, die seit knapp zwei Wochen jeden Abend stattfinden. Es kam erneut zu gewalttätigen Ausschreitungen, 15 Menschen wurden verhaftet. (Reiner Wandler aus Madrid, 16.11.2023)