Im Juli waren sich Scholz und Erdogan beim Nato-Gipfel in Litauen begegnet.
Im Juli begegneten Scholz und Erdoğan einander beim Nato-Gipfel in Litauen.
IMAGO/Turkish President Press Of

Es wird am Freitagnachmittag für den deutschen Kanzler Olaf Scholz nicht einfach. Während viele Berliner und Berlinerinnen langsam die Woche ausgleiten lassen und entspannt ins Wochenende gehen, hat er noch einen Gast im Kanzleramt, dessen Besuch die deutsche Regierung ganz offen "herausfordernd" nennt.

Zu Mittag – wann genau, ist unklar – landet der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan in Berlin, zum ersten Mal seit drei Jahren kommt er nach Deutschland. Mit ihm hat schon Scholz‘ Vorgängerin Angela Merkel so manches Scharmützel ausgetragen. Doch der aktuelle Besuch ist besonders heikel.

Denn Erdoğan sagt Dinge, die in Berlin blankes Entsetzen hervorrufen: dass Israel ein "Terrorstaat" sei, dessen Führung wegen Kriegsverbrechen vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag müsse, und die Hamas keine Terrororganisation sei, sondern eine politische Partei, die von Palästinensern gewählt wurde. Für Deutschland hingegen ist Israels Sicherheit Staatsräson. Im Vorfeld des Besuchs gab es daher viel Kritik, nicht nur wegen Erdoğans Hetze gegen Israel.

Video: Darum ist Erdogans Besuch so umstritten.
AFP

Kein "roter Teppich"

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hatte in einem Aufruf alle Abgeordneten des Bundestags aufgefordert, den Bundeskanzler zu einer Ausladung des türkischen Präsidenten zu zwingen. "Der für den 17. November geplante Besuch wäre ein fatales Signal an alle Feinde der Freiheit und der Menschenrechte und würde dem Ansehen Deutschlands schaden", heißt es in dem Papier. Auch die Co-Sprecherin der Grünen Jugend, Svenja Appuhn, meint: "Erdoğan den roten Teppich vor dem Kanzleramt auszurollen ist das falsche Signal zur falschen Zeit."

Doch Scholz ließ sich nicht abbringen. "Wir haben immer wieder auch schwierige Partner, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen", sagt sein Sprecher Steffen Hebestreit. Die oppositionelle CDU, die sonst keine Gelegenheit auslässt, die Regierung zu kritisieren, nennt den Empfang Erdoğans "richtig und wichtig".

Scholz will den Gesprächsfaden nicht reißen lassen, es soll bei dem Treffen auch um eine Wiederbelebung des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei gehen. Doch der deutsche Kanzler hat sich auch vorgenommen, den Gast auf dessen Attacken gegen Israel anzusprechen. "Das ist in dieser Frage ganz wichtig, dass da Klarheit herrscht und man sehr deutlich seine eigene Position auch vorbringt", sagte Scholz diese Woche im Bundestag. Und er betonte auch: "Die Vorwürfe, die gegen Israel erhoben werden, sind absurd."

Erdoğan will in Berlin, wie er der Nachrichtenagentur Reuters sagte, eine "warme Atmosphäre" herstellen. Nach der Landung fährt er zunächst ins Schloss Bellevue zum Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Danach geht es zum Kanzler.

Eine Gelegenheit, sich gemeinsam zu zeigen, gäbe es am Samstag. Da spielen die deutsche und die türkische Fußball-Nationalmannschaft im Berliner Olympiastadion gegeneinander. Doch der DFB hat keine Kenntnis darüber, ob Erdoğan auftaucht. Scholz hat schon abgesagt. (Birgit Baumann aus Berlin, 17. 11.2023)