Ein Roboter sitzt an einem Schreibtisch und liest ein Buch.
KI kann ein effizienter Arbeitskollege sein, nicht alles wird durch sie aber besser.
IMAGO/Rüdiger Wölk

Eine Suite ohne WLAN, Fernseher und Telefon? Im steirischen Luxushotel Die Wasnerin zahlen Gäste genau dafür – in der sogenannten Offline-Suite. Ein Störsender schirmt sie sogar von Handyempfang ab. "Offline sein, ist heute Luxus", wirbt das Hotel. Und tatsächlich sperren immer mehr Menschen Technologie zumindest teilweise aus ihrem Leben aus.

Darin erkennt die Unternehmensberatung Accenture sogar einen globalen Trend. Das geht unter anderem aus dem jährlich erscheinenden "Accenture Life Trends"-Bericht hervor, für den Accenture weltweit rund 15.000 Menschen befragt. Zudem erwartet man für kommendes Jahr einen weiteren Aufstieg von künstlicher Intelligenz (KI), Fremdeln mit Technologien und abnehmende Kreativität in Unternehmen. KI ist dabei Teil der Lösung, aber auch des Problems.

Markus Höfinger von Accenture erklärt, dass "Chatbots im Kundenservice endlich sinnvolle und relevante Auskünfte geben können", die KI lerne zudem unglaublich schnell. Eine Win-win-Situation: Kunden könnten individueller beraten werden, und Firmen können die gesammelten Daten nutzen, um "hyperrelevante Produkte" zu formen. Sprachliche KI, wie ChatGPT, sei zudem "eine Technologie mit ganz niedrigen Einstiegshürden", führt Höfinger aus. Früher habe man Kurse besucht, "um zu erlernen, wie man mit Word einen Brief am PC schreibt, formatiert und ausdruckt".

Kreative Stagnation

Gleichzeitig hat Accenture einen gegenläufigen Trend entdeckt: Technologieverdrossenheit. Mensch und Technologie seien an einem kritischen Punkt in ihrer Beziehung angelangt. Die Hälfte der Befragten gibt an, überfordert von der Schnelligkeit neuer Technologien zu sein. Nicht wenige sehen KI gar als Bedrohung für die Menschheit. Deswegen wird auf geringere Bildschirmzeiten, weniger soziale Medien und simplere Technik mehr Wert gelegt.

So rückt auch die Offline-Suite in der Steiermark in ein attraktives Licht. Hotel-Geschäftsführerin Petra Barta erzählt: "Ich beobachte mit Freude, dass gerade die ganz junge Generation nicht mehr nur auf das Handy fixiert ist: Sie haben schön langsam genug davon, ständig online zu sein." Laut Accenture können Kunden durch zu radikale technologische Fortschritte schnell überfordert werden. Unternehmen sollten "immer die Bedürfnisse der Benutzer an erste Stelle setzen" und nicht etwa Technologie oder das Geschäftsmodell, rät Höfinger.

Und es gibt ein weiteres Problem. KI steht nicht automatisch für künstliche Kreativität. Deswegen ist gar von einer Phase der "kreativen Stagnation" die Rede. Kunden bemängeln, dass Apps sich zum Verwechseln ähnlich sehen und Produkte verschiedener Marken sich kaum voneinander unterscheiden. Diese Entwicklung wird durch die KI noch weiter vorangetrieben. Wirtschaftlicher Druck verlangt Effizienz in der breiten Masse, was die KI mit generierten Inhalten schnell liefern kann. Die Folge: Mittelmäßigkeit wird über Individualität gestellt. "Ohne menschliches Zutun ist die Technologie nicht wirklich kreativ. "Aber die Technologie wird kreativen Menschen dabei helfen, schneller, effizienter und günstiger kreativer zu sein", sagt Höfinger. Laut Accenture mache es sich deswegen bezahlt, in Kreativität zu investieren.

Das sieht auch Stefan Mitmansgruber so. Er ist angehender Geschäftsführer der oberösterreichischen Online-Marketing-Agentur eMagnetix. KI leiste Vorarbeit beispielsweise bei ersten Entwürfen von Anzeigetexten, das bilde aber nur einen geringen Teil der kreativen Arbeit ab. Denn "je höher der Anspruch an die Individualität und Korrektheit des Outputs ist, umso weniger sollte man sich rein auf die Ausgaben einer KI verlassen", erklärt Mitmansgruber. KI beschleunige vor allem das Kopieren zulasten der Individualität, was der Kreativität schade. KI an sich werde aber Unternehmen wie seines nicht ersetzen können, gibt er sich überzeugt. Aber: "Unternehmen, die KI besser nutzen, können Unternehmen, die sie nicht nutzen, ersetzen", mahnt er. Und das sind in Österreich nicht wenige, wie eine von dem IT-Dienstleister Tietoevry in Auftrag gegebene Studie zeigt: 80 Prozent der befragten heimischen Führungskräfte gaben an, dass in ihrem Unternehmen strukturell noch keine KI benutzt wird.

In schwarz und weiß ist das Firmenlogo von OpenAI zu sehen.
ChatGPT wird immer häufiger genutzt – auch in der Arbeit.
IMAGO/Angga Budhiyanto

KI als Arbeitskollege

Arbeitserfahrung mit KI hingegen hat Yussi Pick. Er ist Gründer der Wiener PR-Agentur P&B, die unter anderem Kampagnen für die Wiener Linien gestaltet. "Wir haben ganz gute Erfahrungen gemacht", erzählt er. Vor allem auf der Bildebene funktioniere die KI gut. Stockfotos, also oft kostenpflichtige Symbolbilder, können so teilweise ersetzt werden. Bei Texten hapere es allerdings noch, die KI-Sprache sei noch nicht ausgereift genug. "Auf Englisch funktioniert das schon besser, weil es standardisierter ist als Deutsch", erklärt Pick. Und auch bei Kampagnen werde die KI noch nicht gestalterisch eingesetzt, betont er. Wie kreativ ist die KI also? "Gar nicht", antwortet Pick prompt und formuliert die Frage um: "Wie gut kann ein Taschenrechner rechnen?" Das sei ungefähr dasselbe Verhältnis, denn "KI kann Kreativität nur nachahmen". Sie braucht jemanden, der sie bedient, um ein Ergebnis auszuspucken. Wie ein Taschenrechner eben.

Doch neben wirtschaftlichen Überlegungen grübelt Pick vor allem über ethische Grundsätze: "Es ist wichtig, transparent zu machen, wenn wir mit KI arbeiten", stellt er fest. Man arbeite an einem internen Leitfaden, wann und wie KI einzusetzen ist. Denn KI schreibe gesellschaftliche Vorurteile oft weiter fort, gibt er zu Bedenken. Dabei sei unter anderem die Frage von Bedeutung, ob es in Ordnung ist, Menschen abzubilden, die es gar nicht gibt. Darüber stolperte etwa die Modemarke Levi Strauss. Mit der Begründung, mehr Diversität abbilden zu wollen, sollten KI-Models eingesetzt werden. Freilich wurden damit auch Kosten eingespart: zulasten echter Models. (Noah May, 21.11.2023)