Cup 2018, Hoffenheim gegen Leipzig: Julian Nagelsmann und Ralf Ragnick kennen einander schon lange.
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Österreichs Fußballnationalmannschaft ist in der Nacht auf Freitag aus Tallinn heimgekehrt, der Flieger ist um 1.15 Uhr in Wien-Schwechat gelandet. Der Tag war dann trainingsfrei, Teamchef Ralf Rangnick ist kein Unmensch, abgesehen davon sind Regeneration und Steuerung wesentliche Bestandteile des Spitzensports.

Die EM-Quali wurde mit einem sehr soliden 2:0 in Estland beendet, sollte am Sonntag Belgien daheim gegen Aserbaidschan nicht gewinnen, wäre man sogar Gruppenerster und bei der EM-Auslosung am 2. Dezember in Hamburg höher gesetzt. Über Dinge, die man selbst nicht beeinflussen kann, soll man freilich nicht sprechen.

Rangnick zog lieber ein Fazit, 19 von 24 möglichen Punkten wurden erreicht. "Ich finde, dass wir uns im Laufe der letzten Monate enorm entwickelt haben. Aber wir sind noch nicht am Limit, wo ich das Team sehe. Deshalb ist es wichtig, gegen Deutschland zu zeigen, was in der Mannschaft steckt." Die Vorfreude ist groß, der 21. November naht, das Happel-Stadion ist am Dienstag ausverkauft (20.45 Uhr, ORF1). Rangnick bleibt, so gut es halt geht, gelassen. "Ein wunderbarer Test. Jeder meiner Spieler freut sich darauf, genauso wie alle aus dem Trainerstab."

Ein Derby

Für ihn selbst sei das Kräftemessen mit der Auswahl seines Heimatlandes und dem Kollegen Julian Nagelsmann keine außergewöhnliche Partie. "Außer dass es ein interessantes Spiel ist – im Vereinsfußball würde man sagen ein Derby –, ist es ein ganz normales Testmatch, wo es einen Fingerzeig gibt, wie es ausschaut, wenn wir gegen eine Topmannschaft Europas spielen." Ihm sei es "zehnmal lieber", gegen ein Kaliber wie Deutschland anzutreten als gegen Moldau und Andorra. "Wir haben schon gezeigt, dass wir gegen solche Mannschaften mithalten und auch gewinnen können."

Heitere Stimmung beim Teamchef.
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Am Samstagvormittag wird wieder trainiert, das Abendprogramm steht fest. David Alaba und Co werden im Teamhotel wie eine Schulklasse vor dem Flachbildschirm sitzen, Schwätzen ist aber schon erlaubt. Denn ab 20.45 Uhr probt Deutschland im Berliner Olympiastadion gegen die Türkei (live RTL). Für Nagelsmann ist es die Heimpremiere, von der Amerika-Reise hat er ein 3:1 gegen die USA und ein 2:2 gegen Mexiko mitgebracht.

Berlin ist quasi ein Sehnsuchtsort, am 14 Juli 2024 findet dort das EM-Finale statt. Im "sehr, sehr lauten" Duell mit der Türkei und ihrem ekstatischen Anhang sucht Nagelsmann nicht nur bei der Stimmung die richtige Balance. "Wir freuen uns, wenn die deutschen Fans mitgrölen und dagegenhalten", sagte der 36-Jährige. Er hat diese Partie und auch jene gegen Österreich unter das Motto "Emotionalität" gestellt. "Zwei Tests, die wir nutzen wollen und die unter dem Vorzeichen Emotionalität stehen. Das wird sicherlich gut."

Keine wilden Experimente im DFB-Team

Nagelsmann wird experimentieren, aber "nicht wild durchwechseln". Er will die wunde Abwehr stärken, "das müssen wir jetzt hinkriegen", aber das Prunkstück Offensive funkeln lassen. Er muss Personalien gefühlvoll moderieren und dabei die Hierarchie intakt halten, alles unter heftigem Zeitdruck. Wenn die Mannschaft sich am Mittwoch von Wien aus in alle Richtungen auflöst, sieht sie sich erst im März wieder: "Leider haben wir einen langen Break." Aktuell hat Österreich einen um zwei Tage längeren Break, Rangnick konnte in Tallinn die Einsergarnitur aufbieten. Die Erholungsphase ist ausreichend, Kollege Nagelsmann ist diesbezüglich gestresster.

Kapitän Alaba lechzt förmlich nach dem Dienstag, vor seinem Wechsel zu Real Madrid hat er 13 Jahre lang Bayern München gedient. Im aktuellen Aufgebot stehen zwölf Deutschland-Legionäre. "Man hat uns wachsen gesehen. Es ist ein sehr spezielles Spiel gegen Deutschland. Das ist eine Topmannschaft", sagte Alaba, der einen weiteren Wachstumsschub nicht ausschließt. (Christian Hackl, 18.11.2023)