Das Bild zeigt den ehemaligen OpenAI-CEO Sam Altman
Ja, nein, vielleicht: Die Beziehung zwischen OpenAI und Sam Altman scheint kompliziert.
AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Die Nachricht klang wie eine Halluzination von ChatGPT: Wie aus dem Nichts gab der Vorstand des Chatbot-Entwicklers am Freitag die Entlassung von Sam Altman bekannt. Dass ausgerechnet der CEO von OpenAI – und Gallionsfigur der gegenwärtigen KI-Bewegung – gehen musste, ging wie eine Schockwelle durch die Tech-Welt.

Die nächste Überraschung lässt jedoch nicht lange auf sich warten: Das Unternehmen sei "optimistisch", den ehemaligen Chef wieder zurückzuholen, wie Berichte von The Information und The Verge nahelegen – und mit ihm auch Greg Brockman und zahlreiche andere Schlüsselpersonen, die als Reaktion auf den Rauswurf Altmans das Unternehmen ebenfalls verlassen haben.

Video: Geschasster OpenAI-Chef Altman geht zu Microsoft
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Investoren greifen ein

Wie man es sich vielleicht fast schon denken kann, dürfte dieser Sinneswandel nicht ganz freiwillig erfolgen. Treibende Kraft hinter den Bestrebungen, Altman wieder zurückzuholen, sind die Investoren des Unternehmens, darunter auch Microsoft als größter Geldgeber. Die Investoren, zu denen auch Thrive Capital und Tiger Global Management gehören, setzen sich nicht nur für Altman ein, sondern fordern auch einen Austausch des aktuellen Vorstands. Sie zeigen sich besorgt über die möglichen Auswirkungen des prominenten Abgangs, und befürchten nicht ohne Grund einen weiteren Abgang der größten Talente bei OpenAI.

Altman selbst ist offen für eine Rückkehr, allerdings unter der Bedingung, dass Änderungen in der Unternehmensführung vorgenommen werden. Microsoft-CEO Satya Nadella hat sich mit Altman in Verbindung gesetzt und ihm Unterstützung für seine nächsten Schritte zugesagt. Infolge der Entlassung Altmans haben mehrere Mitarbeiter, einschließlich des Mitbegründers Greg Brockman, das Unternehmen verlassen. Weitere Abgänge zeichnen sich ab.

Situation bei OpenAI angespannt

Einige Mitarbeiter sind erzürnt über die gegenwärtigen Entwicklungen und erwägen, Altman zu folgen, falls er nicht bis zum Ende des Wochenendes wieder eingesetzt wird. Andere bekunden Interesse, Altman bei der Gründung eines neuen Unternehmens zu unterstützen. Auch Brockman wäre daran voraussichtlich beteiligt.

Der Vorstand, bestehend aus drei externen Mitgliedern und dem leitenden Wissenschaftler Ilya Sutskever, hat die Technologiedirektorin Mira Murati vorübergehend mit der Leitung des Unternehmens betraut. Nach einer Krisensitzung bemühte sie sich, die Belegschaft zu beruhigen. Sie versicherte, dass die Partnerschaft mit Microsoft stabil bleibt und die Führungskräfte des Finanzpartners weiterhin Vertrauen in OpenAI setzen.

Der Chief Operating Officer von OpenAI, Brad Lightcap, betonte in einem internen Memo, dass Altmans Entlassung nicht aufgrund von Fehlverhalten oder Problemen mit den Finanzen oder Sicherheitspraktiken des Unternehmens erfolgte, sondern auf einem "Zusammenbruch" der Kommunikation zwischen ihm und dem Vorstand basierte. Auch Lightcap versicherte, dass Microsoft weiterhin voll und ganz als Investor engagiert bleibt.

Die Nerven liegen blank und die Sorgen sind groß, weil die Geschäfte lukrativ sind. Die Situation wird von vielen Seiten aufmerksam beobachtet, wobei prominente Persönlichkeiten wie der Venture-Kapitalist Vinod Khosla ihre Unterstützung für Altman ausgedrückt haben, unabhängig davon, ob er zu OpenAI zurückkehrt oder ein neues Projekt startet.

Lukrative Geschäfte stehen auf dem Spiel

Vor etwa einem Jahr erregte OpenAI mit der Veröffentlichung von ChatGPT weltweit Aufmerksamkeit und sorgte für eine Welle der Begeisterung in der Welt der generativen KI. Dieser Chatbot entwickelte sich rasch zu einer der am schnellsten wachsenden Software-Anwendungen weltweit. ChatGPT zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, Nachrichtenartikel zu verfassen, ganze Romane zu schreiben und sogar wissenschaftliche Arbeiten zu imitieren, die so gut formuliert sind, dass sie kaum von menschlichen Werken zu unterscheiden sind. Diese Technologie öffnet Unternehmen potenziell lukrative Geschäftsmöglichkeiten.

Daniel Ives, Analyst bei Wedbush Securities, äußerte sich gegenüber Reuters überrascht über den Weggang von Sam Altman, da er als wesentlicher Faktor für den Erfolg von OpenAI galt. Es wird erwartet, dass Microsoft nun mehr Einfluss auf OpenAI nehmen könnte. Trotzdem sind nicht alle Experten in dem Kontext besorgt und betonten, dass die Innovationen von OpenAI über einzelne Personen hinausgehen und die Führungsposition des Unternehmens weiterhin bestehen bleibt.

Sam Altmans Charisma habe maßgeblich dazu beigetragen, talentierte KI-Fachkräfte für OpenAI zu gewinnen, indem er sie von etablierten Technologieunternehmen wie Google und Microsoft abwarb. Eric Schmidt, ehemaliger CEO von Google, lobte Altman als "Helden", der OpenAI zu einem Unternehmen mit einem Wert von 90 Milliarden Dollar aufgebaut hat und die Welt nachhaltig verändert hat. Schmidt ist gespannt auf Altmans zukünftige Projekte, von denen er glaubt, dass Milliarden von Menschen profitieren werden.

Dennoch gibt es auch skeptische Stimmen bezüglich der Chatbot-Technologie, vor allem in Bezug auf das Risiko des Diebstahls geistigen Eigentums und der Möglichkeit, sie zum Betrügen bei schriftlichen Arbeiten in Schulen oder Universitäten zu nutzen. Altman selbst hielt strenge Regulierungen bisher für unnötig, räumte jedoch ein, dass sie hilfreich sein könnten, wenn das Modell einmal "die Leistung eines ganzen Unternehmens oder sogar eines ganzen Landes erbringen" könne. (bbr, 19.11.2023)