Michaela Krömer will es noch einmal wissen: Nach einem ersten Versuch, der im Sommer scheiterte, bringt die Anwältin erneut eine Klimaklage im Namen von zwölf Kindern und Jugendlichen beim Verfassungsgerichtshof (VfGH) ein. Ziel ist es, den Staat zu stärkeren Klimaschutzmaßnahmen zu verpflichten. Wie schon beim ersten Antrag richtet sich das Verfahren gegen das derzeit unwirksame Klimaschutzgesetz. Durch leichte Modifikationen sollen nun Bedenken des VfGH aus dem Weg geräumt werden. Mit an Bord sind auch dieses Mal Fridays for future und der Verein Claw – Initiative für Klimarecht.

Zur Erinnerung: Die erste Kinderklimaklage war vom VfGH nicht inhaltlich behandelt, sondern schon aus formellen Gründen zurückgewiesen worden. Aus Sicht der Höchstrichterinnen und Höchstrichter war der Antrag zu eng gefasst, es seien "zu wenig Gesetzesteile angefochten worden". Eine Aufhebung dieser einzelnen Gesetzesteile hätte nämlich dazu geführt, dass das Gesetz einen "völlig veränderten Inhalt" bekommt. Damit wäre der VfGH quasi zu einem aktiven Gesetzgeber geworden, was nicht erlaubt sei.

Kläger haben Antrag angepasst

Krömer will den formellen Bedenken des VfGH nun begegnen, indem sie den Antrag weiter fasst. Im Zweifel soll der VfGH – sollte eine teilweise Aufhebung nicht möglich sein – das Gesetz gänzlich streichen. "Bisher wollten wir das eigentlich nicht anstreben, weil gar kein Klimaschutzgesetz auch keine ideale Lösung ist", sagt Krömer. Der VfGH könne den Gesetzgeber nämlich nicht dazu verpflichten, einen Ersatz zu schaffen. Sollte das Gesetz gänzlich aufgehoben werden, hätte man aber zumindest "klare Vorgaben, was nicht geht, und kein verfassungswidriges Gesetz im Bestand, das aktiv die Rechte der Kinder verletzt". Außerdem würde der Druck auf die Politik steigen.

Junge Aktivistinnen mit einem Schild
Kinderrechte stehen in Österreich im Verfassungsrang. Im Sinne der Generationengerechtigkeit brauche es deshalb stärkere Maßnahmen für den Klimaschutz, so das Argument.
APA/EVA MANHART

Inhaltlich bleiben die Argumente gleich. "Aus unserer Sicht gibt es aufgrund der Kinderrechte eine Pflicht des Staates, sie vor der Klimakrise zu schützen. Da geht es insbesondere um das dort verankerte Recht auf Generationengerechtigkeit", sagt Krömer. Ziel sei eine Klarstellung darüber, was Kinderrechte im Zusammenhang mit der Klimakrise bedeuten. "Wenn Menschen Verfassungsrechte haben, aber keine Möglichkeit, diese Rechte durchzusetzen, dann wird das System des Rechtsstaats ad absurdum geführt."

Verfahren auf europäischer Ebene

Auf europäische Ebene sind derzeit mehrere Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängig. Erst vor wenigen Monaten verhandelten die Richterinnen und Richter über eine Klage von sechs portugiesischen Jugendlichen. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Profil erklärte VfGH-Präsident Christoph Grabenwarter, dass man "gespannt" auf diese Entscheidung warte. Der VfGH habe sich "in der Vergangenheit danach gerichtet".

Für ihr aktuelles Verfahren ist das aber ohnehin nicht entscheidend, sagt Krömer. "Rein juristisch ist die portugiesische Klage für unseren Antrag nicht wirklich relevant." In dem EGMR-Verfahren gehe es um Grundrechte in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) wie das Recht auf Leben und Privatleben. Im österreichischen Verfahren gehe es dagegen um die Kinderrechte, wie sie in der österreichischen Verfassung nach dem Vorbild der Kinderrechtskonvention verankert sind.

Neben dem Fall der portugiesischen Jugendlichen ist am EGMR derzeit auch eine Klage der Schweizer Klimasenior:innen anhängig. In beiden Fällen könnten in den nächsten Monaten Urteile fallen. Das nächste Jahre dürfte für europäische Klimaklagen also entscheidend werden. (Jakob Pflügl, 20.11.2023)