Österreichs Fleischproduktion sorgt zwischen Tierschützern, Landwirten und Händlern regelmäßig für harte Konflikte. Wie weit darf Kritik an konventioneller Tiermast gehen? Damit hat sich auch die Justiz befasst. Im Falle des Kampfes des Lebensmittelkonzerns Spar gegen den Verein gegen Tierfabriken (VGT) gibt es eine neue richtungsweisende Entscheidung.

Schweine in einem Stall
An Österreichs konventioneller Schweinemast entzünden sich harte Konflikte.
APA/dpa/Marijan Murat

Knapp eineinhalb Jahre lang waren dem VGT bei Kritik an Spar rund um den Verkauf und der Bewerbung von Fleisch die Hände gebunden. Die Handelskette hatte Mitte 2022 eine Klage gegen den VGT wegen unrechtmäßiger Verwendung ihre Logos und rufschädigender Behauptungen eingebracht. Dieser habe wiederholt öffentlich behauptet, Spar würde Verbesserungen für das Tierwohl von Schweinen bewusst verhindern. Zudem seien das Spar-Logo und Werbematerial "auf abstoßende Weise" verändert worden.

Die ersten Instanzen, das Handelsgericht Wien und das Oberlandesgericht Wien, erließen den Antrag auf Einstweilige Verfügung in vollem Umfang. Der VGT ging daraufhin in Revision. Der Oberste Gerichtshof hob die Verfügung nun zu wesentlichen Teilen auf. Was bedeutet das?

Beitrag zu Tierleid

Bis jetzt verbotene Flyer, Fotos, Banner und Transparente, die Spar in Verbindung mit verletzten und verendeten Schweinen bringen, die auf umstrittenen Vollspaltenböden gehalten werden, dürfen wieder verwendet werden. Tierschützer dürfen künftig auch wieder behaupten, dass der Konzern mitverantwortlich am Tierleid ist.

Spar wollte dem VGT verbieten, einen Zusammenhang zwischen dem Lebensmittelhandel und Missständen in der Schweinehaltung zu äußern. Dieser sei jedoch bescheinigt, heißt es in der Begründung des OGH. Spar verfüge über eine bedeutende Marktmacht, der Konzern hätte es in der Hand, vermehrt Produkte anzubieten, die nach höheren Tierwohlstandards erzeugt werden. Dass der Handel durch den überwiegenden Verkauf von Schweinefleisch aus Vollspaltenbodenhaltung einen wesentlichen Beitrag zu Tierleid leiste, sei Teil einer politischen Diskussion über Tierschutz.

Konventionelle Tiermast gehe mit höheren Verletzungs- und Mortalitätsraten einher. Dass der Handel selbst unmittelbar keine Tierhaltung betreibt, ändere nichts an der Berechtigung der Tierschützer, das im Sinne eines zulässigen subjektiven Werturteils als "Verantwortung" zu äußern. Die Meinungsfreiheit schütze auch die Form der Darstellung mit Schockbildern.

Falsche Behauptungen

Vorerst verboten bleibt es dem VGT jedoch, zu behaupten und zu verbreiten, dass Spar nicht bereit sei, Verbesserungen hin zu mehr Tierwohl voranzutreiben, hält der OGH fest. Vorläufig nicht behauptet werden darf zudem, dass Konsumenten Fleisch von Schweinen aus tierquälerischer Intensivtierhaltung von Lebensmittelmärkten wie Spar aufgezwungen werde. Auch darf der VGT nicht behaupten, dass Spar von allen Supermarktketten am allerwenigsten bereit sei, den Ausstieg der Fleischbranche aus der Haltung auf Vollspaltenboden zu unterstützen. Diese Fragen werden im Hauptverfahren noch ein Thema sein.

Wie begründet das Gericht diese Entscheidung? Auch wenn Spar keine unmaßgebliche Rolle durch die Verbreitung von Fleisch aus Vollspaltenbodenhaltung spiele, sei nicht gesagt, dass der Konzern mehr Tierwohl am stärksten verhindere. Dies seien unrichtige Tatsachenbehauptungen. Spar engagiert sich in zahlreichen Projekten für höhere Standards in der Tierhaltung. Auch davon, dass Konsumenten Ware aus konventioneller Schweinemast quasi aufgezwungen werde, könne keine Rede sein.

Der Oberste Gerichtshof geht davon aus, dass diese vom VGT behaupteten Umstände noch nicht ausreichend bescheinigt sind. Die Tierschützer könnten diesen Sachverhalt jedoch im Hauptverfahren unter Beweis stellen.

Ein Maulkorb?

Die einstweilige Verfügung sei "ein Maulkorb unfassbaren Ausmaßes" gewesen, heißt es seitens des VGT. Könne man Handelsfirmen nicht mehr für Produktionsbedingungen ihrer Waren mitverantwortlich machen, wäre jede sinnvolle Kritik verhindert. Natürlich hätten Händler Verantwortung, sonst gäbe es kein Greenwashing. Tierschützern stehe es nun wieder frei, Spar zu kritisieren und gegen den Konzern zu protestieren.

Dass Spar Kritik an sich unterbinden wollte, sei falsch, betont Nicole Berkmann, Sprecherin des Konzerns, auf Anfrage des STANDARD. "Jeder darf uns kritisieren." Der VGT habe jedoch nachweislich falsche Aussagen über Spar verbreitet. "Das konnten wir uns nicht gefallen lassen, und darin uns hat der OGH bestätigt."

Dass Tierschützer weiterhin das Logo der Spar mit bluttriefenden Bildern verunstalten dürfe, nehme man mit Verwunderung zur Kenntnis. "So etwas muss man sich offensichtlich gefallen lassen." (Verena Kainrath, 19.11.2023)