Letzte Generation Klima Protest
Bilder der Letzten Generation zeigen Blockaden und auf dem Asphalt verschüttete Farbe.
Letzte Generation Österreich

Wien/Innsbruck – Montagfrüh waren die Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation wieder in Wien unterwegs, um den Frühverkehr zu blockieren. Sie blockierten mehrere Verkehrsknotenpunkte der Hauptstadt, teilte die Polizei auf X, vormals Twitter, mit. "Besonders betroffen sind Stadteinfahrten", hieß es. Insgesamt 57 Aktivisten wurden in Wien und Niederösterreich festgenommen.

"Heute haben wir uns auf der A2 angeklebt. Wir sind dem Verkehr und der Wut der Menschen entgegengetreten, um auf die eskalierende Klimakrise aufmerksam zu machen", schrieb die Letzte Generation auf X. Einige Menschen hatten den Angaben der Gruppe zufolge ihre Hände mit einer Mischung aus Quarzsand und Kleber auf der Straße befestigt, was eine betonartige Mischung ergebe, die schwieriger zu lösen sei als der bisher hauptsächlich eingesetzte Kleber. Die Bilder zeigten zudem ausgeschüttete orange Farbe auf dem Asphalt. Der Polizeieinsatz dauerte am Montag auch deshalb länger, weil mehrere Gruppen gestaffelt die Straße blockierten. Insgesamt hätten 70 Personen an der Aktion am Montag teilgenommen.

Laut ÖAMTC blockierten Aktivistinnen und Aktivisten ab 7.45 Uhr mehrere neuralgische Punkte und sorgten für umfangreiche Staus mit stundenlangem Zeitverlust. Betroffen war unter anderem die Südautobahn (A2) beim Knoten Vösendorf (Bezirk Mödling). Auf der A2 gab es laut ÖAMTC rasch mehr als zehn Kilometer Stau, auch auf den Ausweichstrecken B16 und B17 stockte der Verkehr. Ebenso blockiert war die Westeinfahrt auf Höhe Auhof. Das führte auch auf der Ausweichstrecke Hauptstraße/Linzer Straße zu umfangreichen Staus von etwa vier Kilometern stadteinwärts. Blockadeaktionen gab es zudem auf der Südosttangente (A23) beim Altmannsdorfer Ast vor dem Kreuzungsbereich Altmannsdorfer Straße und bei den Abfahrten Handelskai in beiden Richtungen. Dazu war auf der Raffineriestraße die Abfahrt von der A23 und der Donauuferautobahn (A22) in Richtung Lobau gesperrt, was zu Staus auf allen umliegenden Straßen führte.

Aktivisten sprachen von "massiven Aggressionen"

Die Aktivistinnen und Aktivisten sprachen von "massiven Aggressionen" gegen sie und stellten auch ein Video online, wie Teilnehmende angefahren, getreten, weggezerrt und mit Wasser überschüttet wurden. "Wir verstehen den Frust der Autofahrerinnen und Autofahrer. Gewalt ist keine Antwort. Wie werden sie reagieren, wenn Straßen überflutet sind oder es kein Trinkwasser gibt?", fragten die Aktivisten und Aktivistinnen auf X. Weil die Attacken laut Exekutive nicht von Protestierenden angezeigt wurden, waren Ermittlungen zu den Vorfällen anhand von Videoaufnahmen im Laufen.

Die Polizei bestätigte ebenfalls auf X die Verkehrsblockaden "an mehreren Örtlichkeiten", insbesondere an Stadteinfahrten. Die Einsatzkräfte seien ab circa 7.50 Uhr an Ort und Stelle gewesen und "sicherten die Situation ab", wurde seitens der Landespolizeidirektion Wien zu den Übergriffen auf die Aktivisten betont. Zuständig sei in weiterer Folge die niederösterreichische Polizei gewesen, die die Amtshandlung übernahm.

57 Festnahmen

In Niederösterreich gab es Blockaden im Bezirk Mödling in Vösendorf, zwischen den Abfahrten Wiener Neudorf und Shopping City Süd sowie zwischen Guntramsdorf und Traiskirchen (Bezirk Baden). "Alle 30 Teilnehmer wurden festgenommen", sagte Stefan Loidl, Sprecher der Landespolizeidirektion Niederösterreich, auf Anfrage. Davon stehen 18 Personen, die sich an der Straße festbetoniert haben sollen, unter dem Verdacht der schweren Sachbeschädigung. Weiteren zwölf Teilnehmern, die sich festgeklebt haben sollen, drohen Anzeigen nach dem Verwaltungsstrafgesetz. Bei einer Frau setzten Wehen ein, wie auch der ORF berichtete. Ihr wurde der Weg von der A2 ins Krankenhaus laut Polizei rasch freigemacht.

Die Feuerwehr rückte aus, um die Straße von Farbe zu reinigen und jene Personen zu befreien, die sich mithilfe einer speziellen Mischung auf die Fahrbahn "betoniert" hatten – "eine besondere und neuartige Herausforderung in Österreich", hieß es von der Freiwilligen Feuerwehr Wiener Neudorf, die mit sieben Fahrzeugen und 20 Mitgliedern im Einsatz stand. "Nachdem die Aktivisten zum Schutz vor Splittern abgedeckt wurden, musste mithilfe von Trennschleifern der Fahrbahnbelag aufgeschnitten werden, um anschließend die mit dem Untergrund verbundenen Hände freizulegen", sagte der Einsatzleiter, Feuerwehrkommandant Walter Wistermayer.

Nach zweieinhalb Stunden waren alle Personen freigestemmt. Um die angeklebten Aktivisten zu befreien, brachte die Berufsfeuerwehr Wien auch Lösungsmittel zur Einsatzstelle. Die Blockaden waren um 11.15 Uhr vorbei, berichtete Loidl.

Im Wiener Stadtgebiet gab es bei den Blockaden an vier Örtlichkeiten insgesamt 27 Festnahmen, sagte Polizeisprecher Markus Dittrich. Zu dem auf X zu sehenden Video, das einen langsam gegen Aktivisten fahrenden und schließlich flüchtenden Lenker mit seinem Fahrzeug zeigt, würden Ermittlungen geprüft, betonte er. Insgesamt 57 Aktivisten wurden in Wien und Niederösterreich festgenommen.

Beweggründe für Protest

Auf X erklärte einer der Demonstrierenden, Lorenz Trattner, seine Beweggründe für den Protest so: "Wir protestieren hier, weil wir keine andere Wahl mehr haben. Unsere Regierung ignoriert die verheerenden Folgen durch die Klimakatastrophe noch immer. Unsere Zukunft steht auf dem Spiel, und wir fordern die Bundesregierung auf, jetzt zu handeln. Lösungen gibt es genug: Der Klimarat schlägt 93 vernünftige Ideen vor. Zeit, dass Nehammer zu arbeiten beginnt!"

Am Wochenende Klimaproteste in Tirol

Am Wochenende sind offenbar einige Klimaaktivsten unbemerkt auf das Innsbrucker Flughafengelände vorgedrungen und hatten auf der Umkehrplatte eine Botschaft hinterlassen. In weißen Großbuchstaben war der Schriftzug "ban private jets" zu lesen, berichtete am Montag die Tirol-Ausgabe der "Kronen Zeitung" unter Berufung auf das Portal "Austrian Wings". Der stellvertretende Flughafendirektor Patrick Dierich bestätigte das der APA. Unklar sei, wann es dazu gekommen ist.

Seitens des Flughafens hieß es Montagmittag, dass man Anzeige erstatten werde. "Zudem wird aktuell ausgewertet, ob der genaue Hergang auf den Überwachungskameras aufgezeichnet wurde. Der Flugbetrieb war zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt", so der Airport in einer Aussendung. Von der Existenz der Botschaft erfuhr man am Sonntag durch eine private Luftaufnahme. "Eine umgehend durchgeführte Kontrolle vor Ort ergab unkenntliche Reste eines weißen Farbmittels am betroffenen Pistenende. Die Erkennbarkeit sei durch "Nässe auf der Piste beeinträchtigt" worden.

Erst am Samstag waren Klimaaktivistinnen und -aktivisten in Tirol aktiv. Die Letzte Generation sorgte beim Herrenslalom in Gurgl für eine zehnminütige Unterbrechung. Mehrere Personen stürmten dabei den Zielbereich und gossen am Schnee orange Farbe aus. Sicherheitskräfte führten sie unter Buhrufen der Fans weg, eine Person wurde liegend aus dem Zielbereich gezogen.

Nehammer kündigt neue Vorgangsweise der Polizei an

"Wie viele andere Menschen auch habe ich kein Verständnis für die Blockade von Autobahnen durch Klimakleber. Durch solche Aktionen entsteht nicht nur erheblicher wirtschaftlicher Schaden, sie vergiften auch das gesellschaftliche Klima", reagierte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) auf X. "Die Polizei wird sich künftig mit einer neuen Vorgangsweise und schwerem Gerät rüsten, damit diesen Blockadeaktionen mit aller Konsequenz entgegnet werden kann", kündigte er zudem gegenüber der "Krone" online an.

Laut Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) rüstet sich die Polizei derzeit mit schwerem Baugerät gegen die Klimakleber, um diese von der Fahrbahn zu lösen. Das Gerät ist bereits in Beschaffung, die entsprechende Vorgehensweise der Exekutive werde bundesweit einheitlich geregelt.

"Ich bleibe dabei: Diese Form des Protests ist nicht normal. Das ist radikal, rücksichtslos und leider auch lebensgefährlich. Es braucht von Frau Zadić (Justizministerin Alma Zadić, Grüne, Anm.) endlich härtere Strafen", sagte Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in einer Stellungnahme. Ihr Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) sah indes ein "völliges Versagen" von Innenminister Karner. Dieser sei mit seiner "Kleben-lassen"-Politik grandios gescheitert.

"Letzten Endes haben diese Situation nicht die Klima-, sondern die Sesselkleber in der Landesregierung mitzuverantworten. Denn abseits heißer Luft hat die verantwortliche ÖVP-Landespolitik wenig für den Klimaschutz unternommen", reagierte dagegen die Neos-Landesparteivorsitzende in Niederösterreich, Indra Collini. Die Wiener Landesparteien von FPÖ und ÖVP sparten in Aussendungen nicht mit Kritik an den Aktivisten und forderten härtere Strafen. (red, APA, 20.11.023)