Dass Max Verstappen gewinnt, war zu erwarten. Ansonsten lief in Las Vegas nicht alles wie geplant.
AFP/ANGELA WEISS

Las Vegas – Am Ende schien der gesamte Formel-1-Zirkus ein bisschen vernarrt in Las Vegas, sogar Max Verstappen freute sich bereits auf das nächste Jahr, obwohl der Dreifachweltmeister im Vorfeld ordentlich gegen das Rennen vom Leder gezogen hatte. An der Kombination "99 Prozent Show, ein Prozent Sportveranstaltung" habe er "null Interesse", sagte er. Ganz anders kommentierte er das Geschehen nach seinem 18. Saisonsieg: "Es hat viel Spaß gemacht."

Doch es ist eine tragische Romanze. Denn als die Rennserie ihren neuen Lieblingsort verließ, da schickte ihr Las Vegas nicht nur eine Sammelklage hinterher, sondern auch allerlei Verwünschungen – es ist vorerst eine einseitige Liebe. "Dieses ganze Formel-1-Experiment war ein Wahnsinn höchsten Grades", kommentierte das "Las Vegas Review-Journal", die größte Tageszeitung der Stadt – was unter Umständen ja durchaus in Ordnung sei, gerade an diesem Ort: "Große Events sind Unannehmlichkeiten wert. Aber gilt das für die Formel 1?"

Und diese Frage waberte tatsächlich die gesamte Woche durch die Straßen der Stadt. Wirklich kaum ein Uber-Fahrer, eine Hotelangestellte, ein Barkeeper oder eine Verkäuferin hatte etwas Freundliches zu sagen über die Formel 1. Gut, wenn es vorbei ist, so der Tenor, und das hat einige Gründe.

Tohuwabohu über Monate

Der Aufbau der Strecke hat sich eingebrannt, ein "Durcheinander, ein absoluter Albtraum" sei das gewesen, schreibt das "Review-Journal". Und er zog sich endlos hin, seit Anfang April waren die Organisatoren zu Gange. Sie bauten das riesenhafte Boxengebäude und asphaltierten in vielen Einzelschritten die 6,2 Kilometer lange Rennstrecke neu. Sie ließen die berühmte Promenade vor den Fontänen des Bellagio unter einer dreistöckigen Stahlkonstruktion verschwinden, auf einer Länge von drei Football-Feldern wurden hier VIPs empfangen.

Und das alles endete nicht mit der geschwenkten Zielflagge. Tribünen, Verkabelungen, Barrieren, Zäune und Flutlichtanlagen müssen entfernt werden. "Das Ziel ist, das meiste bis Weihnachten zu schaffen", teilten die zuständigen Behörden mit. Und nächstes Jahr beginnt dann wieder der Aufbau, irgendwann im Sommer.

All die Staus und Straßensperren und die Aussicht auf eine Endlosschleife wären wohlmöglich zu ertragen für die "Locals", wenn die Formel 1 für ein großes Geschäft sorgen würde. Doch die Auslastung der Hotels war enttäuschend, viele waren gerade mal zur Hälfte gefüllt - obwohl die Anfangs hohen Preise in den Wochen vor dem Rennen rapide sanken. Der November ist, was den Tourismus angeht, ein schwacher Monat für Las Vegas, die Formel 1 konnte das nicht ändern.

Für ein Ticket für das Wochenende musste man im Schnitt umgerechnet rund 1.500 Euro hinblättern und damit rund 50 Prozent mehr als beim zweitteuersten GP des Jahres in Miami. Am günstigsten ist es vergleichsweise in Ungarn mit rund 150 Euro. Der VIP-Bereich oder "Paddock" in der Wüstenstadt war ausgelegt für 25.000 Personen. Ticketpreise dafür lagen im fünfstelligen Bereich.

Sammelklage tausender Fans

Las Vegas hat für die kommenden Rennen einige Baustellen abzuarbeiten, dazu gehört auch ein weitreichender Rechtsstreit. Eine ansässige Kanzlei hat Sammelklage eingereicht, sie will 35.000 Fans vertreten, die am Donnerstagabend trotz teurer Tickets keine Trainingssessions zu sehen bekamen. Eine Kanalabdeckung hatte sich gelöst und einen Ferrari zerstört, bevor es tief in der Nacht weiterging, wurden die Zuschauer nach Hause geschickt. Die Formel 1 möchte sie nun gerne mit Merchandising-Gutscheinen entschädigen.

Nach dem ersten Date deutet also noch nicht alles auf eine Traumehe zwischen der Königsklasse und Las Vegas hin, schnell enden dürfte sie dennoch nicht. Der Vertrag gilt bis 2032. Charles Leclerc, als Zweitplatzierter ein Hauptdarsteller des aus sportlicher Sicht hervorragenden Rennens, hofft auf Besserung. "In meiner Heimat Monaco kennen die Leute die Einschränkungen durch ein Stadtrennen seit Ewigkeiten", sagte der Ferrari-Pilot, "aber für Las Vegas ist das neu, daran muss man sich gewöhnen."

Andere Betrachter, die von außen auf diese neue Verbindung schauen, sehen übrigens durchaus Gemeinsamkeiten. "Es war die Feier eines exzessiven Sports in der exzessivsten aller Städte", schrieb die "Washington Post". Angelockt wurden auch ungemein viele Stars aus allen Metiers. So ließen sich die große Party etwa Brad Pitt (Schauspieler), Daniel Craig (Schauspieler), Rihanna (Sängerin), Cara Delevingne (Model und Schauspielerin), Nina Dobrev (Schauspielerin), Mickey Rourke (Schauspieler), Rita Ora (Sängerin und Schauspielerin), Marshmello (DJ), Heidi Klum (Model), Paris Hilton (Unternehmerin), Robert Trujillo (Bassist der Rockband Metallica), Kylie Minogue (Sängerin), Martin Garrix (DJ), Justin Bieber (Sänger), Jerry Bruckheimer (Produzent), Tommy Hilfiger (Modedesigner), Gordon Ramsey (Koch), LeBron James (Basketball), Shaq O'Neal (Basketball), Tom Brady und Patrick Mahomes (beide American Football), Lindsey Vonn (Ski), Usain Bolt (Leichtathletik), David Beckham (Fußball), Zlatan Ibrahimovic (Fußball) und Shaun White (Snowboard) nicht entgehen.

Hohe VIP-Dichte in der Königsklasse: Paris Hilton, Nina Dobrev und Shaun White.
EPA/CAROLINE BREHMAN

Dass man es auch ein bisserl übertreiben kann, zeigte sich etwa bei der Fahrerpräsentation, als die Piloten in Anlehnung an große Boxkämpfe mit großem Tamtam lautstark vorgestellt wurden. Der letztlich drittplatzierte Red-Bull-Pilot Sergio Perez ließ die Zeremonie zunächst schmunzelnd über sich ergehen, ehe er doch leicht verstört das Weite suchte. (sid, APA, honz, 20.11.2023)

Pressestimmen zum Großen Preis von Las Vegas

USA

Las Vegas Review-Journal: "Große Events sind Unannehmlichkeiten wert. Aber gilt das für die Formel 1? Dieses ganze Formel-1-Experiment war ein Wahnsinn höchsten Grades. Der Aufbau der Strecke war ein Durcheinander, ein absoluter Albtraum. Das große Problem ist aber, dass die Stadt tot ist. Ob es die anfangs empörend hohen Preise waren oder die Angst vor einem chaotischen Wochenende - die Leute sind weggeblieben."

Washington Post: "Schnelle Hochzeiten. Cocktails in Fahrerschuhen. Eine Sammelklage. Das Einzige, was beim Formel-1-Debüt in Las Vegas vorhersehbar war, war der Sieger. Es war die Feier eines exzessiven Sports in der exzessivsten aller Städte."

ENGLAND

Guardian: "Nach einer unruhigen Woche für die Formel 1, nach Tagen der Angst und Abscheu in Las Vegas, hat der Sport auf den Straßen der Stadt endlich geliefert, und zwar mit einem solchen Effekt, dass sich das große Glücksspiel wirklich gelohnt hat. Die Bank gewinnt hier immer, und so war es klar, dass Max Verstappen den ersten Grand Prix von Las Vegas für sich entscheiden konnte, aber er musste hart dafür kämpfen, was bedeutete, dass das Rennen zur Show passte und für das von der Formel 1 ersehnte Spektakel sorgte."

Telegraph: "Die Formel 1 muss aus ihrem ersten Ausflug in die Stadt der Sünde noch einiges lernen, aber der Sonntag hat ihr eine Plattform gegeben, auf der sie in den kommenden Jahren aufbauen kann."

Mirror: "Max Verstappen mag zwar alles an dieser Veranstaltung hassen, aber das tat seiner Begeisterung für den Sieg keinen Abbruch."

Sun: "Viva Max Vegas! Es war die einzige Gewissheit in der Stadt, bei der das Glück eine Rolle spielt: Max Verstappen gewann den Großen Preis von Las Vegas."

NIEDERLANDE

Telegraaf: "Ende gut, alles gut für die Formel 1 und das enorm gehypte Rennen in Las Vegas. Nach tagelanger Negativpresse war der Hauptgang ein voller Erfolg. Selbst Max Verstappen, der im Elvis-Overall auf dem Asphalt erneut allen die Show stahl, äußerte sich nach seiner vorherigen heftigen Kritik plötzlich deutlich positiver."

AD: "Max Verstappen darf endlich wieder sich selbst spielen in einer Show, die Freund und Feind überzeugt. Die Traumehe aus Sport und Show konnte nach etlichen Anlaufschwierigkeiten endlich überzeugen."

ITALIEN

Gazzetta dello Sport: "Vielleicht kann man in dieser Saison ohne Glanz für Ferrari noch etwas retten. In Las Vegas ist es endlich wieder zu einem Duell gekommen und Red Bull hat kein leichtes Leben gehabt. Leclerc zeigt den besten Ferrari dieses Jahres. Das Duell zwischen Leclerc und Verstappen sorgt schon ab der ersten Kurve für Show."

Corriere dello Sport: "Leclerc hat in Las Vegas gezeigt, was er kann, wenn sein Auto wirklich funktioniert. Bei einem spannenden Duell hat er gegen Red Bull um den Sieg gekämpft und bewiesen, dass er sowohl angreifen, als sich verteidigen kann."

Tuttosport: "Am Schluss bleibt die Bitterkeit für das, was hätte sein können und nicht war. Angesichts Ferraris Wettbewerbsfähigkeit ist das Rennen von der ungerechten Strafe gegen Sainz überschattet worden. Mit dem Spanier an der Seite hätte Leclerc gewinnen können."

Corriere della sera: "Leclercs Leistungen genügen nicht gegen Super Max. Zum zwölften Mal hat der von der Pole Position gestartete Monegasse nicht gewonnen, doch diesmal ist für ihn die Freude größer als die Reue."

La Repubblica: "Duelle, Überholmanöver und viel Tempo: In Las Vegas hat man eines der schönsten Rennen des Jahres gesehen, mit Verstappen als Sieger: 53 Erfolge wie Vettel, der 18. Erfolg des Jahres. Doch Verstappen muss mit allen Muskeln kämpfen, wie man schon lang nicht mehr gesehen hatte."