Rund 800 Kilometer Reichweite und eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in etwa fünf Sekunden. Mit diesen Leistungsdaten und verschiedenen Features für teilautonomes Fahren hat Tesla vor sechs Jahren seinen ersten Lkw, den Tesla Semi, angepriesen. Im Dezember 2022 begann schließlich die Auslieferung.

Der erste Kunde war der Getränke- und Snackkonzern Pepsico, der seine Flotte um 21 Semis erweiterte. 100 sollen es insgesamt werden, die Massenproduktion wird laut Tesla-Chef Elon Musk aber frühestens Ende 2024 anlaufen. Mitfinanziert wurde die Anschaffung aus Mitteln des Bundesstaates Kalifornien mit 31 Millionen Dollar zum Zwecke des Klimaschutzes. Im August zog man bei Pepsico öffentlich ein bislang zufriedenes Fazit, sprach von bis zu 725 Kilometern erzielter Reichweite, hohem Komfort für die Fahrer und lobte digitale Fahrtunterstützung. Doch intern geben die Semis womöglich ein ganz anderes Bild ab. Das legt ein vom Branchenkenner Brad Munchen ("Motorhead") veröffentlichter Bericht nahe.

Der Text zitiert einen nicht namentlich genannten PepsiCo-Mitarbeiter. Dessen bisheriges Fazit summiert er als "hot mess" und "disaster", sinngemäß also nicht gerade als durchschlagenden Erfolg. Der Ärger beginnt bei der Reichweite. Ist der Semi voll mit knapp 37,2 Tonnen Fracht beladen, kommt der Tesla-Truck maximal 645 Kilometer weit, was bedeuten würde, dass die Akkukapazität wesentlich niedriger oder die Effizienz deutlich schlechter ist als angegeben.

Rendering eines Tesla-Semi-Lkw.
Rendering eines Tesla-Semi-Lkw.
Tesla

Ungeeignete Teile und Wartungsprobleme

Die andauernde Beanspruchung des Akkus im Frachtbetrieb soll außerdem für Zuverlässigkeitsprobleme sorgen, die Energiespeicher also recht schnell an Kapazität verlieren. Darüber hinaus würde Tesla Bauteile verwenden, die nicht den Anforderungen der Logistikbranche entsprechen – sondern solche, die sonst in normale Autos verbaut werden und mangels Haltbarkeit immer wieder für Ausfälle sorgen. Als Beispiel wird vorgebracht, dass im Tesla Semi eine Doppelquerlenker-Radaufhängung verbaut ist, wie man sie eigentlich nur in Pkws sieht.

Der zentral positionierte Fahrersitz soll bei den Fahrerinnen und Fahrern außerdem unbeliebt sein. Über zu erwartende Probleme mit dem Design der Fahrerkabine hat der Trucker Tomasz Orynski bereits im Dezember ausführlich referiert. Dass der Lkw schnell beschleunige und es immerhin in 20 Sekunden auf knapp 100 km/h schaffe, sei für viele Trucker zudem uninteressant. Tesla bewarb die Beschleunigung mit der Möglichkeit, andere Lkws schnell zu überholen.

Berichtet wird außerdem, dass Wartung und Reparaturen des Tesla Semi sehr zeitaufwendig seien. Denn die Techniker von Pepsico dürfen nicht selbst Hand anlegen, sondern müssen darauf warten, dass Tesla Fachkräfte vorbeischickt, die etwaige Mängel beheben. Das gilt zumindest für die Fahrzeuge der ersten Bestellrunde, die Tesla als Testlauf für die Massenproduktion sieht.

Trotz der berichteten Mängel weiche Pepsico nicht von seinen Plänen ab. Das, so spekuliert "Motorhead", liege daran, dass der Konzern möglichst viele ESG-Punkte lukrieren wolle. Diese können Firmen für Engagement in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung sammeln, wobei verschiedene Marktanalyse- und Finanzunternehmen entsprechende Wertungen führen. Das Abschneiden darin hat wiederum Auswirkungen auf die Attraktivität der Unternehmen für Investoren. (red, 21.11.2023)