Auch die Sieben wird nicht zur Glückszahl in der Metallerbranche werden. Nach sieben ergebnislosen Verhandlungsrunden weitet die Gewerkschaft ab Dienstagnachmittag ihre Streiks aus, die Voest soll lahmgelegt werden. Die Kollektivvertragsverhandlungen gestalten sich damit heuer wie erwartet ausgesprochen zäh. Solange die Metaller nicht weiterkommen, dürfte es auch in anderen großen Branchen, allen voran im Handel, keine Einigung geben.

Dabei steht einiges auf dem Spiel, und zwar nicht nur für die betroffenen Unternehmen und ihre Beschäftigten. Den Kollektivvertragsverhandlungen kommt für die Gesamtwirtschaft eine wichtige Rolle zu. Nach einer Rezession heuer, also einer sinkenden Wirtschaftsleistung, soll im kommenden Jahr die Erholung einsetzen. Das Forschungsinstitut Wifo zum Beispiel rechnet 2024 mit einem Wachstum von 1,2 Prozent. Diese Rechnung fußt ähnlich wie jene des IHS stark auf der Annahme, dass die Konsumlaune der Menschen in Österreich gut bleibt – die Leute also im kommenden Jahr mehr Geld ausgeben können, ob nun im Baumarkt oder im Shoppingcenter.

Video: Metaller-KV - Verhandlungen abgebrochen, Streiks werden "vertieft"
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Der Konsum spielt dabei im kommenden Jahren deshalb eine große Rolle, weil andere Bereiche schwächeln. Das Wachstum in einer Volkswirtschaft kann aus drei Bereichen kommen: Investitionen, Exporte und Konsum. Die Situation bei Investitionen ist aktuell besonders bitter.

Investitionen schwächeln ...

Ökonomen messen mit dem Begriff der "Bruttoinvestitionen", wie sich private und staatliche Ausgaben für neue Häuser, Fabriken und Maschinen entwickeln. Laut Zahlen des Wifo sind die Werte sowohl heuer als auch im kommenden Jahr etwas rückläufig, um 0,5 Prozent. Das liegt vor allem daran, dass der Bausektor einen Absturz erlebt hat. Die Zahl der im ersten Halbjahr 2023 erteilten Baugenehmigungen in Österreich ist um 67 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken, sagt der Ökonom Klaus Weyerstrass vom IHS und beruft sich dabei auf Zahlen der Statistik Austria. Der private Wohnbau ist stark rückläufig, aber auch der sonstige Bau schwächelt. Mit sonstigem Bau ist die Errichtung von Fabriken, Straßen und Bürogebäuden gemeint. Laut Weyerstrass sind es hier vor allem die Unternehmen, die sich zurückhalten, nicht also der Staat.

Das liegt neben gestiegenen Baukosten vor allem an dem rapiden Zinsanstieg. Seit Juli 2022 hat die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen von 0,0 auf 4,5 Prozent angehoben. Die Investitionen der Unternehmen in neue Maschinen oder neue IT-Anlagen können zwar leicht zulegen – altes Gerät muss modernisiert werden. Allerdings ist das Plus so leicht, dass es den Rückgang beim Bau nicht ausgleicht. Unterm Strich kommt den Investitionen kein positiver Wachstumsimpuls für die Gesamtwirtschaft für das Jahr 2024 zu.

... Konsum soll allerdings anziehen

Eher schwach entwickeln sich auch die Exporte. Sie legen etwas zu, aber auch die Importe erhöhen sich, der Beitrag der Exporte zum Wachstum ist damit nur leicht positiv. Das liegt vor allem an der weltweiten Konjunkturschwäche: Die Nachfrage ist aktuell international schwach.

Woher also das Wachstum im kommenden Jahr kommt? Vom Konsum. Laut einer Aufschlüsselung des Wifo stammen von den erwarteten 1,2 Prozent BIP-Wachstum im Jahr 2024 immerhin 0,9 Prozentpunkte aus höheren Konsumausgaben. Basis für diese Berechnung ist ein Anstieg der Löhne und Gehälter in Österreichs Kollektivverträgen bis Ende 2024, und zwar im Ausmaß der rollierenden Inflation. Wifo-Chef Gabriel Felbermayr nennt Lohnabschlüsse in dieser Größenordnung daher auch ein "recht großes Konjunkturprogramm". Eine ähnliche Annahme steckt hinter den Zahlen des Forschungsinstituts IHS.

Wachstumsbeiträge von Investitionen, Konsum und Exporten zur Wirtschaft. Die Diskrepanz zum Gesamtwert von 1,2 Prozent ergibt sich aus unterschiedlichen Arten der BIP-Berechnung
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Die Frage ist natürlich, ob die kräftigen Lohnsteigerungen auch negative Effekte haben werden für die Wirtschaft.

Die Argumentation hier geht so: In Österreich ist die Inflation seit gut einem Jahr höher als im Euroraum. Wenn auch die Lohnabschlüsse höher ausfallen, steigen die Produktionskosten in Österreich stärker an als in anderen Ländern. Das spielt dort eine Rolle, wo Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen und Kostensteigerungen nicht 1:1 weitergeben können.

Streik der Mitarbeiter der Firma Engel Austria in der vergangenen Woche.
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Ob das 2024 schon eine Rolle spielt? Laut Ökonom Stefan Schiman vom Wifo machen sich steigende Arbeitskosten wenn, dann "mittelfristig" in wirtschaftlichen Kennzahlen negativ bemerkbar, also erst in den Jahren danach. Das hat mehrere Gründe. Die Industriebetriebe beliefern ihre Partner im Ausland meist in Form längerfristiger Vereinbarungen und Partnerschaften, sagt Schiman. Ein Anstieg der Kosten für ein Produkt schlägt sich nicht sofort nieder, weil es dauere, neue Zulieferer zu finden. Besonders in spezialisierten Industrien muss ein alternativer Anbieter für ein Produkt erst gefunden werden. Bei Investitionsentscheidungen wiederum seien es kurzfristig vor allem die Kapitalkosten, die entscheiden, ob ein Projekt angegangen wird.

Interessant ist, dass die EU-Kommission in ihrer vergangene Woche veröffentlichten Prognose steigende Lohnstückkosten als einen der Gründe anführt, weshalb Österreichs Wirtschaft sich 2023 so schwach entwickelt hat. Die Kommission begründet das nicht. Schiman selbst nennt die Annahme der Kommission wenig belastbar, auch weil Lohnkosten in vielen Industrieländern kräftig gestiegen sind. Kurzfristig also braucht es einen kräftigen Lohnabschluss, damit die Erholung wie geplant einsetzt. Längerfristig wird entscheidend sein, wie gut die Industrie mit dem Anstieg der Lohnstückkosten im internationalen Wettbewerb klarkommen kann. (András Szigetvari, 21.11.2023)