Heinz Fischer mit Österreich-Schal.
Heinz Fischer, früher Stammgast bei Länderspielen, sieht sich mittlerweile die meisten Spiele daheim im TV an. Einen Abstecher zur EM 2024 in Deutschland fasst er aber ins Auge.
imago sportfotodienst

Heinz Fischer war unter Österreichs Politikern einer der größten Fußballfans und blieb es auch als Pensionist. Der frühere Bundespräsident erinnert sich noch gut an den größten Erfolg der österreichischen Fußballgeschichte. Die aktuellen Erfolge des Teams, sagt er, "tun mir richtig gut", und das habe auch damit zu tun, dass er Rapid-Anhänger sei. Dass Österreich 2024 überraschen könnte wie Dänemark 1992 oder Griechenland 2004, glaubt Fischer nicht: "Die Besten in Europa sind wir nicht. Auch nicht die Zweitbesten."

STANDARD: Sie sind einer der größten und, wenn ich so sagen darf, längstdienenden Fans des österreichischen Fußballteams. Wie fanden Sie das Länderspieljahr, wie den letzten Auftritt gegen Deutschland?

Fischer: Ich bin fast restlos begeistert. Man hat ja fast geglaubt, die in den roten Trikots sind die Deutschen und die in den weißen Trikots die Österreicher. Dabei war Österreich die klar bessere Mannschaft, die immer wieder Druck erzeugt und Chancen kreiert hat. Und die es auch geschafft hat, immerhin zwei dieser Chancen zu Toren zu nutzen. Es hätten ja auch mehr sein können. Großes Kompliment an die Mannschaft. Ich hab mich daheim vor dem Fernseher sehr gefreut, mir tun die Erfolge des Teams richtig gut, auch weil ich als Rapid-Anhänger derzeit nicht wirklich verwöhnt werde.

STANDARD: Worauf führen Sie die Entwicklung und die Erfolge des Teams zurück?

Fischer: Es liegt auf der Hand, dass sich da viele sehr gute Spieler versammeln. Viele von ihnen spielen nicht umsonst bei Spitzenvereinen in Deutschland, Italien oder Spanien. Und zudem scheint natürlich der Teamchef seine Qualitäten zu haben. Rangnick ist kein Blender, sondern ein sehr solider Handwerker. Er übertreibt nicht, er untertreibt nicht, er ist selbstbewusst, aber nicht arrogant. Auch altersmäßig ist die Mischung im Team eine gute, da gibt es etliche Routiniers, aber auch viele Jüngere mit großem Potenzial.

STANDARD: Ein Wort zu Deutschland?

Fischer: Es ist offensichtlich, dass die Mannschaft und der Trainer unter Druck stehen. Druck kann lähmend sein, die Unsicherheit erhöhen. Das ist bei Deutschland klar der Fall.

STANDARD: Eine Fußball-EM ist eher für große Überraschungen angetan als eine WM, siehe Dänemark 1992, siehe Griechenland 2004. Was trauen Sie Österreich bei der EM 2024 in Deutschland zu?

Fischer: Moment – wir müssen schon realistisch bleiben. Österreich hat sicher eine gute Mannschaft, aber die Besten in Europa sind wir nicht. Auch nicht die Zweitbesten. Ich würde sagen, man darf noch weitere gute Leistungen erwarten. Ich kann mich noch gut an den größten Erfolg unserer Fußballgeschichte erinnern, das war der dritte Platz bei der WM 1954. Da hat Österreich das kleine Finale mit 3:1 gegen Uruguay gewonnen, das vier Jahre zuvor noch Weltmeister war. Jetzt besteht kein Grund, in Euphorie zu verfallen. Aber österreichische Erfolge sind keine Eintagsfliegen mehr.

STANDARD: Erfolge, die nicht nur Ihnen guttun, sondern auch dem ganzen Land?

Fischer: Natürlich freuen sich viele Österreicherinnen und Österreicher. Wir leiden ja im Sport immer mit, sei es mit dem Fußballteam, sei es mit den Skifahrerinnen und Skifahrern, sei es mit Dominic Thiem.

STANDARD: Arm gegen Reich, Alt gegen Jung, links gegen rechts, Impfgegner gegen Impfbefürworter, Letzte Generation gegen Benzinbrüder und -schwestern, Rapid-Fans gegen Austria-Fans. In Österreich tun sich immer mehr Gräben auf. Hat der Fußball auch die Kraft, dieses Land zu einen?

Fischer: Da würde man zu viel verlangen. Das Fußballteam wird das Land nicht einen. Die Probleme werden ja deshalb nicht weniger, und es ist und bleibt die Aufgabe der Politik, diese Probleme zu lösen.

STANDARD: Sind Sie noch ab und zu im Stadion, werden Sie zur EM nach Deutschland fahren?

Fischer: Einen EM-Besuch überlege ich mir schon, aber ansonsten schau ich Fußball mittlerweile meistens daheim.

STANDARD: Ihre Frau Margit gilt nicht unbedingt als Fußballfan. Aber wenn das Team so spielt wie gegen Deutschland, schaut sie dann ebenfalls zu?

Fischer: Nein, das tut sie dennoch nicht. Sie ist wirklich absolut fußballabstinent, und wir haben auch einen zweiten Fernseher. (Fritz Neumann, 23.11.2023)