Auf den ersten Blick ist Ecosia eine Suchmaschine wie Google und viele andere: In ein Textfeld wird der gesuchte Begriff eingegeben, anschließend werden die Ergebnisse ausgespuckt. Es gibt eine Text- ebenso wie eine Bilder- und Videosuche sowie digitale Landkarten und auf Wunsch die aktuellen News zum gewünschten Thema. Was die Deutschen aber von der Konkurrenz unterscheidet: 100 Prozent der Gewinne werden in Klimaprojekte investiert. Auf diese Weise wurden seit der Gründung 2009 schon über 186 Millionen Bäume gepflanzt.

David und Goliath

Rund 100 Menschen arbeiten derzeit für das Projekt, wie Gründer und CEO Christian Kroll im Gespräch mit dem STANDARD sagt, der Marktanteil liegt unter einem Prozent. "Wenn wir größer wären, dann könnten wir wohl den ganzen Planeten aufforsten", sagt er mit mildem Lächeln. Oder andererseits: Würden Tech-Riesen wie Apple, Google und Microsoft nur zehn Prozent ihres Gewinns in Klimaprojekte stecken, wäre die Klimakrise wohl gelöst. Ähnlich wie beim Smartphone-Hersteller Fairphone kann aber auch hier gesagt werden, dass der Druck auf die Tech-Riesen größer wird, je mehr Social Businesses wie Ecosia an Bedeutung gewinnen.

Allerdings sind die Großen für Ecosia nicht nur Konkurrent, sondern auch Partner. Denn wenn man "ecosiert", anstatt zu googeln, dann baut das Start-up hauptsächlich auf Suchergebnissen von Microsofts Bing auf, hinzu kommen zuletzt auch öfters Ergebnisse aus der Google-Suche. Die Maps-Daten bauen ebenso auf Bing und Google Maps auf. Ruft man bei Ecosia wiederum die Wetterprognose ab, dann basieren die Daten auf entsprechenden Schnittstellen (APIs), die Darstellung des sichtbaren Wetter-Widgets ist wiederum eine Eigenentwicklung aus Berlin.

Ökostrom-Server statt Tracking

Auch das Geschäftsmodell ist bis zu einem gewissen Punkt mit jenem von Google vergleichbar. So werden Anzeigen im Kontext der jeweiligen Suchanfrage geschaltet, ein Targeting und Tracking auf Basis eines Log-ins gibt es bei Ecosia allerdings nicht – was auch in puncto Datenschutz von Vorteil ist. Ausgespielt werden die Ads von Google und Microsoft, die wiederum einen Anteil für sich behalten und einen Anteil an Ecosia überweisen.

Ecosia CEO Christian Kroll
Christian Kroll hat seine Ecosia-Anteile einer Stiftung überschrieben.
Der Standard/Stefan Mey

Abzüglich der eigenen Ausgaben wird der Gewinn anschließend in Klimaprojekte gesteckt. Kroll betont in diesem Kontext auch, dass er seine eigenen Anteile am Unternehmen einer Stiftung überschrieben hat: Dadurch wird unter anderem sichergestellt, dass er das Projekt auch dann nicht gewinnbringend an einen Konzern verkaufen könnte, wenn er es wollte. Der CEO bekommt ein marktübliches Gehalt. Die Finanzdaten von Ecosia werden auf dem Blog transparent offengelegt.

Und auch wenn es etwas paradox ist, mit einer Suchmaschine das Klima retten zu wollen, weil jede Suchanfrage Strom verbraucht und somit CO2 ausstößt, betont Kroll, dass zumindest die eigenen Server auf erneuerbaren Energien laufen. Verursacht eine Suche sonst rund 0,2 Gramm CO2-Ausstoß, so ist die CO2-Bilanz von Ecosia durch die Klimaprojekte negativ: Sie liegt bei minus 0,5 Kilogramm pro Suche. Übrigens macht es keinen nennenswerten Unterschied für den CO2-Ausstoß, wenn der Endnutzer die Suchmaschine im Dark Mode betreibt, räumt Kroll mit einer digitalen Urban Legend auf.

KI-Chatbot soll für Wachstum sorgen

Bis Ende November soll außerdem eine ChatGPT-Alternative in Ecosia integriert werden. Diese wird auf den APIs von OpenAI und anderen Anbietern aufbauen sowie mit eigenen Daten ergänzt werden. Ähnlich wie bei Googles Bard oder Microsofts Bing-Bot wird auch der Ecosia-Bot getrennt von der eigentlichen Suchmaschine, also in einem separaten Tab, betrieben.

Werbeeinschaltungen wird es beim Chatbot vorerst nicht geben, für die Userinnen und User wird die Benützung kostenlos sein. Somit wird das Projekt vorerst keinen Umsatz bringen. Kroll hofft jedoch, dadurch mehr Menschen für die Benützung der Ecosia-Suchmaschine zu überzeugen. Den Bedenken, dass auch KI-Projekte viel Energie verbrauchen, entgegnet er mit dem Argument, dass der Großteil dieser Energie für das Training der KIs anfällt und somit bereits verbraucht wurde.

2024 wird ein entscheidendes Jahr

Im Grunde steht und fällt aber – wie eingangs erwähnt – alles mit dem Marktanteil und der Skalierung derartiger Projekte, und hier ist Google nach wie vor der unangefochtene Platzhirsch: Weltweit kommt Chrome laut Statcounter auf rund 91 Prozent Marktanteil, auf Platz zwei liegt weit abgeschlagen Microsofts Bing mit rund drei Prozent.

Wie viele andere Herausforderer der Tech-Branche hofft Kroll hier auf den Digital Markets Act (DMA) der EU, welcher am 7. März 2024 schlagend wird. Dieser hat in Kombination mit dem Digital Services Act (DSA) das Ziel, bestehende Monopole zu brechen und regulatorische Fehler aus der Vergangenheit zu korrigieren. Dies könnte für Endnutzer auch bedeuten, dass sie im kommenden Jahr beim Öffnen von Googles Chrome-Browser einen Auswahlbildschirm sehen, auf dem sie sich für eine Standardsuchmaschine entscheiden können. Einen ähnlichen Punkt wird es auch in Apples iOS geben.

In den kommenden Wochen wird beschlossen, wie der entsprechende Auswahlbildschirm gestaltet werden muss. Und das wird laut Kroll entscheidend sein. Denn Studien zeigen, dass je nach Design eines solchen Menüs die Wechselwahrscheinlichkeit irgendwo zwischen zehn und zwanzig Prozent liegen kann. Für die Regulatoren wäre dies eine einmalige Gelegenheit, die Weichen in eine entsprechende Richtung zu stellen, sagt der Gründer: "Und ich wäre sehr enttäuscht, wenn es diesmal nicht klappt." (Stefan Mey, 23.11.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Pressereise zum Web Summit in Lissabon entstanden. Die Kosten für die Reise wurden von der Wirtschaftskammer Österreich übernommen.

Update: Die CO2-Bilanz liegt nicht bei minus 50, sondern bei minus 0,5 Kilogramm pro Suche. Der Fehler wurde korrigiert.