Fast 30 Jahre ist der Isländer Jon von Tetzchner inzwischen im Browsergeschäft tätig. Im Jahr 1995 war er Mitgründer und später CEO des Unternehmens Opera Software, das den gleichnamigen Browser betrieb, dessen Desktop-Version in einigen afrikanischen Ländern zu den beliebtesten Programmen für den Einstieg ins World Wide Web zählte. Nach Meinungsverschiedenheiten über eine aus seiner Sicht zu starke Fokussierung auf die Quartalsergebnisse des börsennotierten Unternehmens stieg er 2011 aus.

Opera wurde später durch ein chinesisches Konsortium übernommen, von Tetzchner gründete indes im Dezember 2013 das Unternehmen Vivaldi Technologies mit Sitz im norwegischen Oslo, das 2015 den Webbrowser Vivaldi veröffentlichen sollte. Mit diesem rittert er nun seit fast zehn Jahren gegen die Großen der Branche, allen voran Googles Chrome. Und auf dem Web Summit in Lissabon erzählte er dem STANDARD, wie er diesen Kampf auch in Zukunft führen möchte.

Ein Browser für verschiedene Ansprüche

"Vivaldi ist der fortschrittlichste Browser, denn er lässt sich individuell an die Bedürfnisse des Users anpassen", sagt er selbstbewusst. Das bedeute auch, dass Vivaldi "Dinge beinhaltet, die viele Leute gar nicht brauchen", aber gewisse Menschen könnten einzelne Funktionen für sich individuell nützlich finden. "Manche Leute wollen die maximale, andere die minimalistische Erfahrung." Userinnen und User in fortgeschrittenem Alter würden etwa Basisfunktionen wie die Möglichkeit eines höheren Zoomlevels oder das Einrichten von Keyboard-Shortcuts zu schätzen wissen.

Jon von Tetzchner tritt mit Vivaldi gegen Googles Chrome an. Auf die Suchmaschine will er aber nicht verzichten.
Der Standard/Stefan Mey

Für Nutzerinnen und Nutzer mit gehobenen Ansprüchen spult von Tetzchner eine ganze Liste an Features herunter. So können in der PC-Version des Browsers bestimmte Tabs in einem gemeinsamen Fenster zusammengefasst werden, um einen "Workspace" zu einem bestimmten Thema zu generieren. Tabs können nicht nur am oberen Bildschirmrand, sondern auch an den Seiten oder am unteren Bildschirmrand angeordnet werden. Mit einer einzigen Aktion können Screenshots von Websites erstellt werden – inklusive jener Teile, die vor dem ersten Scrollen nicht sichtbar sind ("below the fold").

Und generell kann das Look & Feel nach Belieben angepasst werden, indem unter anderem einzelne Elemente hinzugefügt oder entfernt werden. Integriert sind auch ein Mail-Client, ein Feed-Reader und ein Kalender. Letzterer kann entweder rein lokal betrieben oder zum Beispiel mit einem Google-Kalender synchronisiert werden. Beim ersten Starten des Browsers werden Userinnen und User mit Fragen bezüglich des Designs und der Funktionen an die Hand genommen. Lesezeichen aus anderen Browsern lassen sich importieren.

Auf dem Smartphone und im Auto

Neben dem Desktopbrowser ist auch eine Version für Smartphones verfügbar. In puncto Design gewöhnungsbedürftig, aber irgendwie praktisch: Tabs werden hier auf Wunsch – wie am Desktop – als Reiterkarten in einem Fenster angezeigt, die Mindestbreite der Reiter lässt sich nach individuellen Vorlieben einstellen. Verlauf und Lesezeichen, Passwörter und andere Elemente können auf Wunsch synchronisiert werden.

Außerdem betont der Gründer, dass sich Vivaldi zunehmend auch in Autos befindet. So sei man der erste Browser im Polestar 2 des schwedischen E-Auto-Herstellers Polestar gewesen. Weiters findet sich der Browser in Autos der Hersteller Renault und Volvo sowie künftig in Fahrzeugen der Marken Audi und Mercedes-Benz. Gerade Besitzer von E-Autos sollen so etwa im Auto surfen können, während sich das Fahrzeug auflädt, auf Wunsch kann auch eine externe Tastatur angeschlossen werden. Auch Videokonferenzen hat von Tetzchner auf diese Weise schon geführt, allerdings ohne Kamera.

Datenschutz

Ein weiteres großes Thema ist Datenschutz. So betont von Tetzchner, dass Vivaldi keine Daten sammelt. Dies äußert sich auch darin, dass man zusätzlich zum Vivaldi-Account ein zweites Passwort zum Synchronisieren der Daten über verschiedene Geräte hinweg benötigt. Das ist zwar aufwendiger, soll aber garantieren, dass Vivaldi die synchronisierten Daten nicht auslesen kann.

Für technisch versiertere User ist es längst Usus, Werbebanner und Tracking auch in anderen Browsern mit diversen Plug-ins zu unterbinden. Auch Vivaldi hat einen derartigen Ad- und Tracking-Blocker integriert. Als Reaktion darauf werden Methoden wie die "Privacy Sandbox" von Google forciert, bei denen das Tracking nicht mehr über Cookies auf Websites, sondern über Googles Browser Chrome erfolgt.

Derartige Methoden lehnt der Isländer ab. Generell sollte Profile-Building illegal sein, sagt der Unternehmer auch mit Blick auf die politische Agenda der Europäischen Union. Zwar sei das Sammeln von Daten angebracht, um etwa Verkehrsstaus vorherzusagen, beim Einsatz von zielgerichteter Werbung sei die Grenze aber überschritten. Ebenso sei Onlinewerbung per se nicht schlecht, solle aber im Kontext eines Website-Inhalts und nicht auf Basis persönlicher Daten erfolgen.

Ein klarer Platzhirsch

Vivaldi selbst macht Umsatz durch Revenue-Deals mit Partnern. So sind Lesezeichen zu Plattformen wie Booking und Idealo hinterlegt, ebenso gibt es Deals mit diversen Suchmaschinen wie Duckduckgo, Startpage und Ecosia, die für die Präsenz im Browser bezahlen. Keinen Deal hat Vivaldi hingegen mit Google: "Diese haben wir ohne Bezahlung integriert, weil es von den Usern nachgefragt wird", sagt von Tetzchner.

Die Suchmaschine ist halt noch immer der unangefochtene Platzhirsch – was übrigens auch für den Browsermarkt gilt: So kommt Googles Chrome auf einen weltweiten Marktanteil von rund 63 Prozent, gefolgt von Safari mit knapp 20 Prozent und Edge mit rund fünf Prozent. Opera, das vorherige Projekt des Unternehmers, kommt immerhin auf rund drei Prozent weltweiten Marktanteil. Vivaldi hingegen findet sich noch nicht einmal in einem derartigen Ranking und dürfte somit – trotz aller Bemühungen – bei einem globalen Marktanteil von weit unter einem Prozent liegen. (Stefan Mey, 25.11.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Dieser Beitrag ist im Rahmen einer Pressereise zum Web Summit in Lissabon entstanden. Die Kosten für die Reise wurden von der Wirtschaftskammer Österreich übernommen.