Seinen letzten größeren Auftritt in der Öffentlichkeit absolvierte Jürgen Höckner Ende November des vergangenen Jahres. Zu diesem Zeitpunkt aber schon längst nicht mehr in seiner Funktion als ÖVP-Bürgermeister der kleinen oberösterreichischen Gemeinde Scharten. Vielmehr war es der finale Akt in einem aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess. Am Oberlandesgericht Linz wurde damals die Strafhöhe des wegen Vergewaltigung einer Gemeindemitarbeiterin schuldig gesprochenen Ex-Gemeindechefs und ehemaligen Landtagsabgeordneten von siebeneinhalb auf sieben Jahre reduziert.

Gericht
Das Oberlandesgericht Linz hatte die Strafhöhe reduziert
APA/dpa/Stefan Puchner

Höckner beteuerte, unterstützt von der örtlichen Bürgerinitiative "Schartner Bürgerinitiative für Jürgen Höckner" und begleitet von selbst gesungenen Schnulzen auf Youtube, bis zuletzt seine Unschuld. "Jeder Tag im Gefängnis ist einer zu viel, da ich weiß, dass ich unschuldig bin", bekundete der Kommunalpolitiker damals wortgewaltig. Seit Februar sitzt Höckner jedenfalls seine Haftstrafe in der Justizanstalt Suben ab.

Haftung für Schäden

Die Causa beschäftigt die heimischen Gerichte aber weiter. Jetzt klagt nämlich das Opfer, das sich bis heute in therapeutischer Behandlung befindet, die Marktgemeinde Scharten. Eingebracht hat die Klage im Namen seiner Mandantin der Welser Rechtsanwalt Clemens Krabatsch. Bereits am 10. November fand eine gut dreistündige Tagsatzung am Landesgericht Wels statt. Konkret geht es um einen Verdienstentgang in Höhe von 73.000 Euro. Darüber hinaus soll die Gemeinde für etwaige künftige Schäden, die die Frau möglicherweise noch zu erwarten habe, haften. Laut Krabatsch habe die Gemeinde ihre Fürsorgepflichten verletzt.

"Grundsätzlich ist es so, dass Gemeinden oder eben Gebietskörperschaften des öffentlichen Rechts ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber eine Fürsorgepflicht trifft. Was heißt, dass ich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davor zu schützen habe, dass diese in ihrer körperlichen Integrität, Gesundheit, Sittlichkeit gefährdet werden", führt Krabatsch im STANDARD-Gespräch aus. Konkret werde der Gemeinde Scharten vorgeworfen, dass "der damalige Bürgermeister Jürgen Höckner meine Mandantin während der Arbeitszeit in den Amtsräumlichkeiten der Gemeinde Scharten vergewaltigt hat". Es gebe zwar keine vergleichbaren Fälle in der Judikatur, aber: "Sexualisierte Gewalt oder eben die Vergewaltigung von Mitarbeiterinnen wird man als Verletzung der Fürsorgepflicht zu qualifizieren haben. Und deswegen wird ein Amtshaftungsanspruch der Gemeinde zu bejahen sein."

Kommunale Keller-Gelüste

Verurteilt wurde Höckner erstinstanzlich im Oktober 2021 am Landesgericht Wels, da er die Mitarbeiterin in der Zeit von 2014 bis 2016 zweimal sexuell belästigt, dreimal vergewaltigt und – als sie ihr Schweigen schließlich brach – verleumdet hatte. Die Anklage stützte sich unter anderem auf ein vom Opfer vorgelegtes Taschentuch, auf dem Scheidensekret der Frau und Sperma des Angeklagten nachgewiesen wurden. Höckner bestritt bereits damals alle Vorwürfe vehement und ortet eine Intrige. Er habe niemals eine Affäre mit der Frau gehabt und meinte, das Beweisstück müsse manipuliert worden sein. Die Begründung, die Höckner im Prozess lieferte, war durchaus kurios: Er gab an, in einer Sitzungspause auf der Toilette im Keller des Gemeindeamtes onaniert zu haben und dann ein beflecktes Taschentuch im Mistkübel entsorgt zu haben. So könnte die Angeklagte später zu dem Sperma gekommen sein.

Höckner hatte die Mitarbeiterin, nachdem sie Vorwürfe gegen ihn erhoben hatte, zunächst wegen Verleumdung angezeigt und eine Unterlassungsklage eingebracht. Die Staatsanwaltschaft stellte aber letztlich ihre Ermittlungen gegen die Frau ein und erhob gegen den Politiker Anklage. Dieser blieb damals vorerst im Amt und wurde noch während des laufenden Verfahrens im September 2021 mit 55 Prozent im Amt bestätigt.

Vonseiten der Gemeinde hat man mit der Klage erwartungsgemäß wenig Freude. Bürgermeister Christian Steiner (ÖVP) ortet im STANDARD-Gespräch in der Klagsschrift zudem "Unwahrheiten". Es sei etwa "nicht richtig", dass das Opfer während ihrer Amtszeit von MitarbeiterInnen gemobbt worden sei. "Es war eher umgekehrt, da gibt es genug Protokolle und Zeugenaussagen dazu", so Steiner. Zudem rechnet der Gemeindechef mit einem "langen Prozess". Man habe der Frau auch vonseiten der Gemeinde eine Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Job angeboten: "Aber das wurde alles abgelehnt." (Markus Rohrhofer, 23.11.2023)