"Wahnsinn!“ Tesla-Boss Elon Musk findet nur einen Ausdruck, um zu beschreiben, was derzeit im kleinen Schweden passiert. Ein lokaler Streik in den schwedischen Tesla-Servicewerkstätten hat sich so ausgeweitet, dass die Auswirkungen für den E-Autobauer aus dem Silicon Valley kaum mehr abschätzbar sind. Was mit gerade einmal 120 Mitarbeitern begann, trat eine Solidaritätswelle im hohen Norden los.

Teslas Streit mit der IF-Metall reicht schon länger zurück. Jahrelang hatte die Industriegewerkschaft versucht, der schwedischen Tochter des US-Konzerns einen Kollektivvertrag abzuringen. Laut Gewerkschaft liegen die Gehälter der Beschäftigten etwas unter dem Branchenschnitt. Zudem hätten diese schlechtere Pensions- und Versicherungsbedingungen. Stimmt nicht, kontert Tesla. Das Gegenteil sei der Fall.

Eine Gewerkschafterin vor einem Tesla-Servicecenter in Schweden.
Hier wird gestreikt:Eine schwedische Gewerkschafterin vor einem Servicecenter. Die Gewerkschaft will Tesla die Suppe versalzen.
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Die Gewerkschaft biss auf Granit. Elon Musk hält grundsätzlich wenig von den organisierten Arbeitnehmervertretungen und kollektivvertraglicher Absicherung der Mitarbeiter. In den USA und in Deutschland gibt es so etwas bei Tesla auch nicht. Vor einigen Wochen hat die schwedische IF Metall die Geduld verloren und die Automechaniker zum Streik aufgerufen. Was klein begann, wuchs sich aus. Wenig später sprang die schwedische Transportgewerkschaft der Kollegenschaft bei und blockierte die Einfuhr neuer Teslas über die Häfen des Landes. Weitere Gewerkschaftsverbände stellten sich an die Seite der Tesla-Mitarbeiter. Die Postmitarbeiter schlossen sich an, was bedeutet, dass die Nummernschilder der Teslas nicht zur Kundschaft kommen. Stockholms größtes Taxiunternehmen hat den Kauf neuer Teslas für seine Flotte gestoppt. Am Freitag legten etwa 50 Mitarbeiter des Tesla-Zulieferers Hydro Extrusions nach Gewerkschaftsangaben ihre Arbeit bis auf weiteres nieder oder wurden in anderen Abteilungen eingesetzt.

Gestörte Basis

"Sie liefern Teile an das Tesla-Werk bei Berlin, und wir hoffen, dass sie zurück an den Verhandlungstisch kommen, wenn die Produktion gestört wird", sagte der zuständige Gewerkschaftsunterhändler Veli-Pekka Saikkala. Doch wie kam es soweit, dass sich der Konflikt so zuspitzt?

Öl ins Feuer goss Tesla laut IF-Metall-Chefin Marie Nilsson mit einem Tabubruch. Man habe zu Beginn des Streiks Hinweise erhalten, dass Tesla Streikbrecher aus anderen Ländern einfliegen lasse, erklärte sie Reuters erbost. "So etwas haben wir in Schweden seit 1937 oder so nicht mehr erlebt", sagte Nilsson. "Das hat uns gezwungen, den Konflikt zu eskalieren." Man denke nicht daran, zurückzuweichen, erklärte Susanna Gideonsson, Chefin des schwedischen Gewerkschaftsverbands LO Sweden in der schwedischen Wirtschaftszeitung Dagens Industrie bemerkenswert zuversichtlich: "Dies wird damit enden, dass die Beschäftigten auf die eine oder andere Weise einen Tarifvertrag erhalten", sagte sie. Und wenn sie das nicht tun? "Dann kann Tesla das Land verlassen."

Welle der Solidarität

Viele Beobachter sind sich einig, dass Tesla vor allem ein Ausbreiten der Solidaritätswelle fürchten muss. Denn gemessen an den weltweiten Verkaufszahlen des E-Autoriesen ist der schwedische Markt überschaubar. Aber es gibt bereits Symphatiebekundungen aus Norwegen, einem der größten europäischen Märkte für E-Autos.

Das Schiff Malacca Highway am Ufer, während Hafenarbeiter die Verladung von Tesla-Fahrzeugen blockieren, in Malmö.
Die schwedische Transportgewerkschaft sprang der Kollegenschaft bei und blockierte die Einfuhr neuer Teslas über die Häfen des Landes.
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Die dortigen Gewerkschaften erklärten, sie würden verhindern, dass für Schweden bestimmte Teslas im Nachbarland ausgeladen werden. Nicht auszuschließen, dass weitere Länder aufspringen, warnt der Autoanalyst Matthias Schmidt in der Financial Times. "Das größte Risiko ist natürlich Deutschland. Wir haben erwartet, dass in Deutschland etwas Ähnliches passieren würde, als sie ihr Werk dort eröffneten, da die Gewerkschaften so stark sind."

Großbritannien wäre auch ein Kandidat für ein Überschwappen der Symphatiewelle. Dort hat Elon Musk viele frühere Twitter-Beschäftigte erzürnt. Musks Amtsantritt habe den Gewerkschaften einen regelrechten Zustrom an Twitter-Mitarbeiter beschert, sagt der britische Gewerkschaftsboss Paul Nowak Politico. Der Milliardär glaube, er könne "von San Francisco aus eine Anweisung erlassen, die irgendwie auf der ganzen Welt ohne Rücksicht auf das Arbeitsrecht gilt." (Regina Bruckner, 25.11.2023)