Im Gazastreifen sind viele Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Auch im Flüchtlingslager Khan Junis in Südgaza gibt es viel Zerstörung.
REUTERS/MOHAMMED SALEM

Am vierten Tag der Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas wartete man gespannt, ob die Feuerpause verlängert werden würde. Tatsächlich arbeiteten im Hintergrund Katar, Ägypten, die USA und die EU mit, die Waffenruhe zu verlängern. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte sich dafür ausgesprochen. Am Montag stockten die Verhandlungen zur vierten Runde des Austauschs von israelischen Geiseln und palästinensischen Häftlingen – doch am Abend dann die erhoffte Nachricht:Die Waffenruhe soll um – zunächst – zwei Tage verlängert werden. Das berichteten übereinstimmend Katar und die USA. Schließlich bestätigte es auch die Hamas: Die Verlängerung der Waffenruhe erfolge unter denselben Bedingungen wie die vorherige, mit Ablauf des Montag eigentlich zu Ende gegangene viertägige Waffenruhe.

Video: Verhandlungen um Verlängerung der Feuerpause im Gazastreifen
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Frage: Wird diese erstmals verlängerte Waffenruhe halten?

Antwort: Das wird sich naturgemäß erst in den nächsten Tagen zeigen. Grundsätzlich wurde der Deal zwischen Israel und der Hamas anfänglich für vier Tage beschlossen, mit der Möglichkeit einer Verlängerung von bis zu zehn Tagen. Nun wird erstmals verlängert; zwar nicht um zehn, aber immerhin um zwei Tage. Weitere Runden sind – Stand Montagabend – nicht ausgeschlossen.

Am Freitag trat die Feuerpause in Kraft, ab da wurden täglich 13 israelische Geiseln im Gegenzug zu 39 palästinensischen Häftlingen freigelassen. Das Abkommen sieht vor, dass im Fall einer Verlängerung die Hamas täglich weitere zehn Geiseln freilassen würde, wie gehabt im Gegenzug zu je drei Palästinensern.

Der militärisch unterlegenen Hamas kommt die Feuerpause dabei gelegen; die Terrororganisation hat bereits bekannt gegeben, dass Interesse an einer Verlängerung bestehe. In Israel sieht man das weitaus skeptischer. Am Sonntag hatte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu aber erstmals Bereitschaft zur Verlängerung signalisiert. US-Präsident Joe Biden sagte am Sonntag, dass die Waffenruhe so lange dauern müsse, bis alle Geiseln frei seien. Auch am Montag verzögerte sich die Übergabe der vereinbarten Zahl israelischer Geiseln – und damit die Freilassung der palästinensischen Gefangenen.

Frage: Was passiert, wenn sie endet?

Antwort: Wenn die Waffenruhe tatsächlich zu Ende geht, etwa zu Wochenmitte, dann ist davon auszugehen, dass die Kämpfe mit gleicher Intensität wie vor der Pause weitergehen. Vertreter des israelischen Militärs (Israel Defense Forces, IDF) haben immer wieder betont, dass die Armee den Kampf nach der Pause wieder "mit Entschlossenheit aufnehmen” würde. Es handle sich nur um eine Pause, nicht um ein Ende der Kämpfe. Auch Netanjahu betonte, dass Israel „mit voller Kraft" seine Ziele verfolgen werde: die Eliminierung der Hamas, die Sicherstellung, dass "der Gazastreifen nicht wieder zu dem wird, was er war", und die Freilassung aller Geiseln.

Noch kurz vor Inkrafttreten des Deals haben die IDF ihre Angriffe intensiviert. Die Soldaten und Soldatinnen haben sich nicht von ihren Stellungen zurückgezogen; vor allem im Norden des Gazastreifens sind tausende Truppen stationiert.

Frage: Inwiefern nutzt die Feuerpause der Hamas?

Antwort: Beim israelischen Militär befürchtet man, dass die Hamas die Pause nützt, um sich neu aufzustellen, Nachschub an illegalen Waffen und Hilfsgütern besorgt und insgesamt gestärkt aus der Pause herausgehen könnte.

Frage: Wie sicher ist es, dass die Freilassungen in diesen Tagen nun tatsächlich weitergehen?

Antwort: Ganz sicher kann man sich erst sein, wenn die Betroffenen in Sicherheit in Ägypten beziehungsweise weiter in Israel sind. So kam es ab Samstag immer wieder zu Verzögerungen bei der Überstellung. Auch am Montag äußerten sowohl Israel als auch die Hamas bereits Bedenken wegen der jeweiligen Listen an Verschleppten auf der einen Seite und an Häftlingen auf der anderen. Vertreter Katars, das ja wie Ägypten als Vermittler bei dem Abkommen dient, arbeiten auf Hochtouren an Lösungen.

Frage: Werden jetzt Kinder tatsächlich nicht mehr von den Müttern getrennt?

Antwort: Für die betroffenen Personen, die in Gefangenschaft der Hamas geraten waren, ist die Situation natürlich höchst traumatisch. Alle Stellen sind bemüht, die Menschen bei ihrer Rückkunft so sensibel wie möglich zu betreuen. Es sind auch viele Kinder und Teenager betroffen. Wie sich spätestens am Sonntag herausstellte, hat die Hamas ihr Versprechen, Kinder nicht von ihren Müttern zu trennen, nicht wahr gemacht: Ein 13-jähriges Mädchen erklärte nach der Freilassung, dass es zwei Tage zuvor von ihrer Mutter getrennt worden sei und sich diese weiterhin in Haft befinde.

Immer wieder machen zudem Berichte die Runde, dass sogar die Hamas selbst nicht den Überblick über alle Geiseln habe, weil nicht alle in ihrem eigenenKontrollbereich, sondern teils in der Gewalt anderer Gruppen seien.

Frage: Was bedeutet die Pause für die Bevölkerung in Gaza?

Antwort: Für Zivilisten und Zivilistinnen in Gaza ist die Pause das erste Aufatmen seit Wochen. Seit vier Tagen kommen so viele lebenswichtige Hilfslieferungen wie seit Ausbruch des Kriegs noch nicht in den abgeriegelten Küstenstreifen. Mehrere Hunderte Lastwagen kamen mit Versorgungsgütern, auch in den umkämpften Norden gelangten etwa 61 Lkws. (Anna Sawerthal, Gianluca Wallisch, 27.11.2023)