@myjanebirkin auf TikTok
Ausprobiert: Beim Backen kann man die Pringles offenbar gleich in der Rolle lassen.
Screenshot TikTok/ @myjanebrain

Vermeintliche Kreativität in der Küche benötigt nicht viele Zutaten: zum Beispiel nur ein bisschen Extrawurst und Schlagobers. Ab damit in den Küchenchef, danach ein bisschen abseihen, formen – und schon ist die "köstliche" Wurstbutter fertig, die man sich zum Frühstück genüsslich aufs Plundergebäck streichen kann. Auf Tiktok gehen solche Videos, auch "Food Hacks" genannt, nach wie vor viral – ob sie auch nachgekocht werden, darf in vielen Fällen bezweifelt werden.

Je tiefer man unter #FoodTiktok auch in die skurrile Welt sonderbarer Rezepte abtaucht, desto mehr wird man sich bewusst, dass Kochen nur noch als Ausrede für das Gewinnen von Aufmerksamkeit dient und zur Satire verkommt. Ungebrochener Beliebtheit erfreuen sich diese Inszenierungen dennoch – oder gerade deshalb: Sie verzeichneten bislang mehr als 100 Milliarden Aufrufe.

Dass man mit Chips kochen kann, wissen wir nicht erst seit unzähligen Rezepten auf Social Media, die uns – hoffentlich vergeblich – einreden wollen, dass sie hervorragend schmecken. Dass man allerdings rohe Spaghetti in den Mixer werfen soll, um dann aus dem gewonnenen "Mehl" neue Nudeln herzustellen, die mit Tomatensauce übergossen "wie frische Pasta" schmecken, hat schon eine ganz neue Qualität. Wie man aus Pasta Pasta macht – toll, oder?

Auf Tiktok reicht diese "Rezept"-Idee immerhin aus, um damit mehr als 2.000 Likes zu triggern – und 3.000 Kommentare, die erwartungsgemäß nicht durchgehend positiv ausfallen: Italiener zeigen sich verwirrt, bei anderen wiederum kommen Zweifel an der US-amerikanischen Bildungspolitik auf. Videos wie diese sind aber kein Vergleich zu den Werken von @elis_kitchen und @myjanebrain – die beiden Kanäle gelten auf Tiktok als "Masterclass" sonderbarer Küchenaktivitäten.

Allein das Pringles-Gebäck von @myjanebrain hält bei fast zwei Millionen Aufrufen und mehr als 89.000 Likes. Das Erfolgsrezept: einfach eine Flasche warmes Cola in eine angefangene Rolle mit Pringles-Chips schütten und mit ein bisschen Trockengerm und Mehl zu einem Teig verstampfen.

Mit einem verschmitzten Lächeln teilt die charmante Kanadierin im Video mit, dass sie nicht sicher sei, ob man die Rolle gleich direkt in den Backofen stellen kann – und tut es dennoch. Eine Stunde später freut sie sich, dass sie die Küche damit nicht abgefackelt hat, und serviert das aufgeschnittene Pringles-Gebäck mit Salami, Schinken, Paprika und Ananas. Geschmolzener Käse darüber darf freilich auch nicht fehlen. Ob das schmecken kann? Eher unwahrscheinlich.

Dabei ist Jane, die ihren Nachnamen nicht preisgibt, eher zufällig in diese Richtung vorgestoßen. Ursprünglich wollte sie mit Lehrvideos zum Kochen auf Tiktok auffallen. Nach der vernichtenden Kritik ihrer Zuschauer begann sie allerdings, sich erst recht darauf zu konzentrieren, was sie am besten kann: nämlich anders zu kochen und nach den "verrücktesten Kombinationen" zu suchen. Der Erfolg auf der Plattform gibt ihr recht.

Auch die nichtbinären Schmuckmacher Eli Betchik sind sich bewusst, dass Skurrilität bei den Videos Trumpf ist und weder Kocherlebnis noch Geschmack zählen. Unter @elis_kitchen bezeichnen sie sich selbst als "übelster Koch auf Tiktok" und stellen die Kochwelt mit Erdbeer-Chips-Pudding, Fisch-Cocktails und Toasts aus Dosennudeln auf den Kopf – oder zuletzt eben mit Wurstbutter. In einem Interview mit "The Verge" im vergangenen Jahr sagten sie, dass bei ihren Videos "einfach eine Menge Ekel" und "angewiderte Faszination" eine große Rolle spiele. Die Clips werden "oft mit einem Autounfall oder einem Zugwrack verglichen, wo die Leute nicht wegschauen können", so Betchik. Daran hat sich bis heute nichts verändert.

Gegenüber dem "Guardian" führten sie aus, dass es bei ihrem Content wohl auch um Empörung gehe, die Leute offenbar gerne spüren. „Sie würden nicht wiederkommen, wenn sie nicht etwas davon hätten. Ich finde, dass die Leute manchmal glücklich sind, wenn sie auf die richtige Art und Weise verärgert werden", sagt Betchik. Kritik lehnen sie nur eine entschieden ab: dass ihre ungewöhnlichen Kreationen verschwenderisch seien. Abgesehen davon, dass sie versuchen, nur Lebensmittel zu verwenden, die kurz vor dem Verderben stehen oder die ihnen geschenkt worden sind, konsumieren sie fast alles, was sie zubereiten. In diesem Sinne: Prost, Mahlzeit. (red, 28.11.2023)