Kranker Bub liegt mit Fieberthermometer im Mund auf der Couch
Zuletzt wurde von mehr Lungenentzündungen bei Kindern berichtet. Ein gefährliches Virus steckt aber nicht dahinter.
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Zahlreiche Kinder, die aufgrund einer Lungenentzündung ins Krankenhaus müssen – diese Nachricht aus China ließ vergangene Woche aufhorchen. Und schürte die Angst vor einem unbekannten Erreger und womöglich einer neuen Pandemie. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte unmittelbar mehr Information aus China an und konnte rasch Entwarnung geben. Es handle sich nicht um einen neuen Krankheitserreger, der diese Pneumonien auslöse, sondern um einen altbekannten: nämlich das Bakterium Mycoplasma pneumoniae. Zwar sei die Häufung dieser Infektionen sehr ungewöhnlich, aber das dürfte wohl darauf zurückzuführen sein, dass die Corona-Maßnahmen erst seit kurzem gelockert seien und es nun vermehrt zu Infektionen komme, die durch die Schutzmaßnahmen genauso wie Covid-Infektionen verhindert worden seien.

Doch nun hört man auch in Europa von ungewöhnlich vielen Lungenentzündungen bei Kindern, die durch Mykoplasmen ausgelöst wurden. Zuletzt wurde von einem deutlichen Anstieg in der Schweiz berichtet. Und tatsächlich gibt es auch in Österreich aktuell mehr Lungenentzündungen, die von Mykoplasmen ausgelöst sind, als üblicherweise, bestätigt Volker Strenger, Kinderarzt an der Klinischen Abteilung für allgemeine Pädiatrie der Med-Uni Graz: "Wir sehen in letzter Zeit häufiger solche Pneumonien, die teilweise auch auffallend schwer verlaufen. Nicht nur bei uns in Graz, auch andere Kinderabteilungen haben das schon gemeldet." Genauere Zahlen gibt es für Österreich keine, da die Infektion nicht meldepflichtig ist.

Atypische Bakterien

Doch Strenger sieht keinen Grund zur Panik: "In vielen Fällen verlaufen solche Lungenentzündungen milde." Dass es jetzt vermehrt auch schwerere Verläufe gebe, liege auch hierzulande womöglich daran, dass diese Erreger aufgrund der Pandemiemaßnahmen in den vergangenen Saisonen weniger kursiert sind. "Wir haben das Gleiche in der vergangenen Saison mit Influenza und RSV gesehen, warum die Mykoplasmen erst jetzt kommen, ist nicht ganz klar. Aber es dürfte ziemlich sicher eine Spätfolge der Maßnahmen sein."

Es sei auch grundsätzlich völlig normal, dass die Infektionszahlen jetzt stiegen. Durch das kalte Wetter und die damit einhergehende Tatsache, dass man sich vermehrt drinnen aufhalte, stiegen auch die Infektionen wieder, das sei jedes Jahr so. "Mykoplasmen übertragen sich durch Tröpfcheninfektion, sind aber nicht sehr infektiös. Kurze Kontakte führen meist gar nicht zu einer Ansteckung", erklärt Monika Resch, Kinderärztin und Leiterin der Neugeborenenstation an der Privatklinik Goldenes Kreuz in Wien.

Doch was genau sind Mykoplasmen? Auch für dieses Bakterium interessieren sich die meisten Menschen, wie für so viele andere Erreger, erst seit der Pandemie. Es handelt sich dabei um ein atypisches Bakterium, das zu Husten und Schnupfen führen kann. In manchen Fällen entwickelt sich daraus eine Lungenentzündung, die aber oft eher leicht verläuft. Atypisch bedeutet, dass die Bakterien keine Zellwand haben, was dazu führt, dass die klassischen Antibiotika wie verschiedene Formen von Penicillin nicht wirken. "Dabei handelt es sich aber nicht um eine erworbene Resistenz, sondern sie können rein biologisch nicht wirken, weil das Bakterium anders aufgebaut ist", erklärt Strenger.

Und im nächsten Satz beruhigt er gleich: "Es gibt für diese atypischen Bakterien andere Antibiotika, die sehr gut wirken und gegen die es auch keine vermehrten Resistenzen gibt." Ohnehin seien Antibiotika bei dieser Form der Pneumonie oft gar nicht nötig: "Üblicherweise ist der Verlauf sehr mild. Studien zeigen, dass die Antibiotikagabe sehr oft gar keinen Vorteil bringt."

Kein Grund zur Panik

Auch Kinderärztin Resch beruhigt, diese Mykoplasmen seien kein Grund zur Panik: "Fast immer hat eine Infektion damit einen milden Verlauf. Typische Anzeichen sind Halsschmerzen, Müdigkeit, Fieber, auch Kopfschmerzen und vor allem Husten, der auch Wochen bis Monate andauern kann." Kinder unter fünf Jahren neigen auch zu pfeifender Atmung, Erbrechen oder Durchfall. Zur Lungenentzündung kann es ein bis vier Wochen nach der Ansteckung kommen, meist heilt es aber davor aus.

Zeigen sich diese Symptome, ist erst einmal symptomatische Behandlung angesagt, also Fieber senken, Schnupfen- und Schmerzbehandlung. Und Resch rät: "Gehen Sie bei Symptomen frühzeitig zum Kinderarzt. Wie alle respiratorischen Infekte gab es auch diese Lungenentzündungen während der Pandemie fast nicht. Da es jetzt keine expliziten Schutzmaßnahmen mehr gibt, kehren sie einfach zurück."

Will man auf besonderen Schutz achten, rät sie zu all den Maßnahmen, die auch während der Pandemie galten, also Händehygiene und möglichst kein Kontakt mit hustenden oder fiebernden Menschen.

Influenza ist gefährlicher

Impfung gibt es gegen diese Art der Lungenentzündung keine, weiß Volker Strenger. Aber gegen eine andere Art der Erreger von Lungenentzündung, die auch deutlich schwerere Verläufe bedingen: gegen Pneumokokken nämlich. Und er betont: "Als Elternteil hätte ich wegen der Influenza größere Sorgen. An dieser Infektion sterben auch immer wieder Kinder, an der Lungenentzündung durch Mykoplasmen dagegen extrem selten. Und gegen Influenza gibt es auch für Kinder eine Impfung, die sogar über Nasenspray verabreicht wird, also ganz ohne Spritze." (Pia Kruckenhauser, 29.11.2023)