Kronehit startet 2024 vier neue Radiokanäle über Digitalradio DAB+. Der neue Kronehit-Programmchef und langjährige Ö3-Chef Georg Spatt will mit Kronehit und den vier neuen Sendern "Ö3 massiv beschäftigen", sagt er im STANDARD-Interview. Kronehit-Geschäftsführer Philipp König lässt sich zur Zieldefinition für die Flotte hinreißen, Ö3 zu überholen. Künstliche Intelligenz soll dabei helfen.

Kronehit-Geschäftsführer Mario Frühauf ist seit Dienstag neuer Präsident des Privatsenderverbandes VÖP. Im Interview entwirft er ein Szenario für die Medienpolitik nach der Wahl 2024: Die ORF-Werbezeiten sollten in einem mehrjährigen Stufenplan schrittweise markant reduziert werden, verlangt Frühauf. Und: Den öffentlich-rechtlichen Auftrag müsste der ORF künftig für jeden einzelnen Kanal einhalten – und nicht nur gesamthaft über all seine Medien erfüllen, wie es derzeit Höchstgerichte und Gesetz definieren.

Die Forderung des Privatsenderverbandes, die Medienförderung für Kommerzielle von derzeit 20 auf zumindest 40 Millionen Euro pro Jahr aufzustocken sowie den Digitalisierungsfonds um 2,5 Millionen Euro zu erhöhen, verfolgt naturgemäß auch der neue VÖP-Präsident Mario Frühauf.

Kronehit-Geschäftsführer Mario Frühauf (links) und Philipp König (rechts) und Ex-Ö3-Chef Georg Spatt als neuer Programmchef beim größten Privatsender.
Kronehit-Geschäftsführer Mario Frühauf (links) und Philipp König (rechts) und Ex-Ö3-Chef Georg Spatt als neuer Programmchef beim größten Privatsender.
Christian Fischer

STANDARD: 2024 sollen via Digitalradio DAB+ vier neue Kanäle von Kronehit on air gehen. Was bekommt man da zu hören?

Frühauf: Wir können nach jahrelangem Kampf gegen gesetzliche Beschränkungen weitere terrestrische Radiokanäle starten. Das werden vier Produkte, die mit der Marke Kronehit gar nichts zu tun haben und ganz andere Zielgruppen ansprechen. Das wird eine gut orchestrierte Flotte mit dem Ziel, unsere Marktposition weiter zu stärken.

STANDARD: Geht es ein bisschen konkreter?

Frühauf: Wir haben uns unseren Vertragspartnern gegenüber verpflichtet, das noch nicht zu sagen. Aber es geht natürlich eher in Richtung DAB-Nutzer, also insbesondere Menschen im Auto mit beständigen Nutzungsgewohnheiten und einem etwas höheren Durchschnittsalter als die Kronehit-Hörerinnen und -Hörer.

STANDARD: Wann kann man was sagen?

Frühauf: Ende Jänner.

Spatt: Da geht es nicht um Musikstreams. Das ist ein klares Bekenntnis zum Livemedium Radio, moderiert, mit eigenen Morningshows, Nachrichten, Wetter, Verkehr. Das wollen auch heute sehr viele Menschen.

STANDARD: Vier weitere Morningshows?

Frühauf: Jedenfalls auf den zwei bundesweiten Programmen, zwei weitere DAB+-Kanäle sind regional für Ostösterreich. Im Ressourceneinsatz liegt der Fokus aber klar auf den zwei bundesweiten.

STANDARD: Und was wollen diese Menschen?

Spatt: Programme mit Herz und Seele. Das gilt für Kronehit wie für die weiteren Sender, an denen wir arbeiten wollen.

STANDARD: Werden diese Sender mit der Marke Kronehit etwas zu tun haben?

Frühauf: Gar nicht, null.

STANDARD: Warum nicht? Die Marke ist doch recht bekannt.

Frühauf: Wir gehen von einer Einmarkenstrategie bewusst zu einer Mehrmarkenstrategie, ein Ziel, das wir schon lange verfolgt haben.

STANDARD: Warum spielt man auf einem neuen Verbreitungsweg, DAB+, der vielleicht einmal UKW ablösen wird, nicht zumindest auch Kronehit?

Frühauf: Wir haben eine technische Verbreitung von 95 Prozent über UKW. DAB+ liegt bei rund 84 Prozent. Parallelbetrieb hat da keinen Sinn.

STANDARD: Vier Programme für Autofahrer sind ein bisschen viel.

Spatt: Nein.

STANDARD: Eines für jüngere Autofahrerinnen, eines für ältere Autofahrer ...

Spatt: Das ist ein Wettbewerb. Ich bin diesbezüglich ein Spieler und habe Freude an diesem Wettbewerb, speziellen Zielgruppen jeweils ein spezifisches Lieblingsprogramm zu liefern, das sie mögen.

STANDARD: Wer sind die Menschen?

Spatt: Man könnte sagen: Triple A – beim Aufstehen, beim Autofahren, bei der Arbeit. Das sind drei typische Zielgruppen, für die wir unser Programm, wie z.B. auch das Kronehit-Programm, denken und machen. Bei den jüngeren Zielgruppen ist das Radio vielleicht von der Verfügbarkeit her ein bisschen unter Druck. Aber es hat sich nicht so viel verändert. Auch ich war als 14- oder 15-Jähriger nicht unbedingt begeisterter Radiohörer, wenn ich etwa gerade die Sex Pistols gesucht habe.

STANDARD: Wie organisiert man wirtschaftlich tragbar vier neue Programme? Mit künstlicher Intelligenz?

Frühauf: Zum Teil. Wir sehen Radio als Medium gemacht von Menschen für Menschen, das live produziert wird. Wir können aber bei DAB+ nicht davon ausgehen, dass wir damit in einem Jahr eine Million Menschen erreichen. Also müssen wir das Projekt ressourcen- und kostenschonend angehen. Da wird uns KI helfen.

STANDARD: Wie?

Frühauf: Zum Beispiel bei der Parametrisierung von Musik, also: Was passt auf welchen Channel? Zu jedem der neuen DAB+-Kanäle wird es weitere Webradios geben. Das kann unsere Musikredaktion, die bisher einen Hauptsender und 20 Webchannels gemacht hat, nicht zusätzlich stemmen. Dabei können KI-Anwendungen unterstützen und die Effizienz steigern.

STANDARD: Wird KI moderieren?

Frühauf: Wir glauben, dass Menschen von Menschen unterhalten und informiert werden wollen. KI unterstützt uns aber bei vielen Arbeitsschritten, angefangen vom Texten, dem Generieren von Playlists für Streams und bei der Dezentralisierung: Moderatorinnen und Moderatoren können zu Hause über den Laptop ihre Stimmen aufnehmen, mittels KI wird daraus Studioqualität.

STANDARD: Synthetische Stimmen wird es nicht geben?

Frühauf: Würde ich jetzt nicht ausschließen, aber nur, wenn es einen Mehrwert für die Hörerinnen bringt, also beispielsweise bei Servicebereichen wie Wetter, Verkehr, Nachrichten in Zeiten, in denen es keine Livemoderation gibt.

STANDARD: Gibt es das bei Kronehit schon?

König: Nur in einer Testphase, noch nicht on air.

STANDARD: Aber für Kurznachrichten und Wetter ist das geplant.

König: Genau. Da greifen dann mehrere Systeme ineinander. Ein Tool selektiert Informationen aus verlässlichen Quellen, ein System bereitet damit die Moderation auf, und das dritte Tool spricht das mit einem Sprachsynthesemodell ein.

STANDARD: Das heißt, die KI spricht mit der Stimme bestehender Moderatorinnen und Moderatoren?

Frühauf: Für diese Wetter- und Verkehrsmeldungen, die außerhalb der Livemoderationen kommen, ist vorgesehen, sofern wir das umsetzen werden, synthetisierte Stimmen bestehender Moderatorinnen und Moderatoren einzusetzen.

STANDARD: Wann wird man KI-synthetisierte Stimmen auf Ihren Kanälen hören? Und wird der Einsatz von KI ausgewiesen?

Frühauf: Sofern wir in Zukunft damit arbeiten werden, werden wir es kennzeichnen. In der Radio Innovation GmbH entwickeln österreichische Privatradios gerade ein österreichisches Sprachmodell, bisher gibt es nur deutsche. Wir sind relativ zuversichtlich, dass wir die Entwicklung im Frühjahr abgeschlossen haben und der Einsatz im ersten Halbjahr 2024 theoretisch möglich sein sollte.

König: Wir spielen niemanden synthetisiert ab, der oder die nicht bei uns on air ist. Das ist kein Ersatz. Wir sind ein Angebot von Menschen für Menschen. Kein Sprachmodelle kann Stimmmusik, Empathie bisher wirklich gut vermitteln.

Spatt: Der Markt ist hier in einer Start-up-Phase des Ausprobierens, von Versuch und Irrtum. Es war schon die vergangenen Jahre faszinierend, wie Kronehit sehr schnell und mit sehr viel Neugierde an diesen Themen war. Ich habe das ja von der anderen Trainerbank aus genau beobachtet und mir oft gedacht: Hui, die sind da gut unterwegs.

STANDARD: Sie wurden in der Aussendung zu Ihrem Engagement bei Kronehit nach rund zwei Jahrzehnten Ö3 sinngemäß zitiert mit: Sie können nun machen, was Sie immer machen wollten. Woran hat man Sie beim ORF gehindert?

Spatt: Nach so vielen Jahren bin ich bei ein paar Dingen angestanden. Weil man anderer Meinung war oder weil dann auch der gesetzliche Rahmen dem entgegenstand. Also mache ich jetzt einmal etwas anderes. Das ist sicher eine andere Form von Flottenstrategie, als sie der ORF mit seinem Auftrag hat. Radio in mehreren Kanälen zu denken, technologisch sehr fortschrittlich, das taugt mir, und sehr wettbewerbsorientiert war ich immer.

STANDARD: Was lernt man in 20 Jahren Ö3 fürs Privatradio?

Spatt: Sicherlich auch einiges, was man nicht verwenden kann (lacht). Aber das ist schon für sich ein Wert.

STANDARD: Was zum Beispiel?

Spatt: Da fällt mir gerade kein Beispiel ein. Ich habe beim privaten Radio CD begonnen, als Privatradio in Österreich noch nicht erlaubt war, und habe doch einige Entwicklungen erlebt. Ich komme mit dem Wissen zu Kronehit: Wenn ihr das macht, haben wir uns bei Ö3 immer geärgert – und wenn ihr das macht, haben wir uns immer gefreut. Das muss nicht immer richtig sein. Aber das Match, das wir jetzt quasi von innen führen, kann auch für Kronehit wertvoll sein.

STANDARD: Kronehit war immer jünger als Ö3 und unter anderem deshalb erfolgreich. Machen Sie jetzt Ö3 für Kronehit auf DAB+?

Spatt: Wir würden nicht hier sitzen, wenn neben den DAB+-Aktivitäten nicht auch ein starker Fokus auf Kronehit wäre. Da gibt es den starken Anspruch und meinen persönlichen Ehrgeiz: Kronehit ist der wesentlichste Konkurrent von Ö3 und wird da noch größer werden.

STANDARD: Wann wird Kronehit Ö3 überholen?

Frühauf: Die Privatradios gemeinsam haben Ö3 schon 2021 als reichweitenstärkstes Angebot überholt. Das ist schon ein Spiel auf Augenhöhe.

Spatt: In einzelnen Zielgruppen geht es für mich schon darum: Wir werden gemeinsam Segment für Segment anschauen und Lösungen finden, wie wir Ö3 massiv beschäftigen.

STANDARD: Mit 1. Jänner kommt ein neues ORF-Gesetz mit einem ORF-Beitrag von allen und neuen Streamingangeboten des ORF. Täuscht der Eindruck, dass die Privatsender – im Gegensatz zu den verlegerischen Medienhäusern – mit dem ORF-Gesetz ganz zufrieden sind? Das Gesetz reduziert ja leicht die Werbeminuten auf Ö3.

König: Man muss das Ergebnis nach den Rahmenbedingungen beurteilen. Die Grünen sind große Fans des Öffentlich-Rechtlichen. Die Privatsender haben sich da nicht leichtgetan, Beschränkungen durchzusetzen. Gemessen an dem, was auf dem Tisch lag, kann man damit leben. Ö3 darf nun etwa keine zehn digitalen Subchannels machen, wie sie in Diskussion waren.

STANDARD: Was wäre aus Sicht der Privaten ein sinnvolles Ergebnis gewesen, mit dem man mehr als nur leben kann?

Frühauf: Eine Annäherung an den Idealzustand wäre eine signifikante Reduktion der ORF-Werbezeiten in Radio und TV anhand eines Mehrjahresplans. Mit Prozentsätzen, die für den ORF verkraftbar sind, den heimischen Werbemarkt nicht schädigen und den Privaten Luft zum Atmen geben. Weiters müsste der öffentlich-rechtliche Auftrag für jeden Kanal einzeln gelten und nicht nur mit allen Kanälen gemeinsam zu erfüllen sein. Selbstverständlich müssen auch die Fördertöpfe für die Privatsender entsprechend erhöht werden.

STANDARD: Wie groß schätzen Sie die Chancen darauf ein?

Frühauf: Nächstes Jahr wird neu gewählt. Das ORF-Gesetz und die Haushaltsabgabe werden ein wichtiges Wahlkampfthema. Deshalb sehen wir gute Chancen für unsere Forderungen.

STANDARD: Wenn wir schon bei der Luft zum Atmen sind: Wie ist die wirtschaftliche Lage bei den Privatsendern?

Frühauf: Bei uns, Kronehit, läuft es gut. Die Privatsender profitieren davon, dass die über die RMS vermarkteten Privaten gemeinsam Ö3 überholt haben. Damit beschleunigt sich auch die Umverteilung von Werbegeldern hin zu den Privatsendern.

STANDARD: Eine Frage noch an Philipp König: Man hört immer wieder von Anfragen aus dem ORF, auch Spekulationen über einen höherrangigen Führungsjob im gemeinsamen Verlag der Kronehit-Eigentümer Krone und Kurier, der Mediaprint. Was ist da dran?

König: Mit der Gesetzesänderung, die uns mehr Programme erlaubt, habe ich hier die Möglichkeit, einen geschichtsträchtigen Meilenstein für Kronehit mitzugestalten. Ich möchte diese Senderflotte mitbauen, sehen, wie sie Fahrt aufnimmt und sehen ...

STANDARD: ... wie sie Ö3 überholt?

König: Wie sie Ö3 überholt. (Harald Fidler, 29.11.2023)