Assassin's Creed Nexus Titelbild
Im neuen "Assassin's Creed"-Titel spielt man gleich drei unterschiedliche Assassinen in drei verschiedenen Settings: Man will für sein Geld ja etwas zu sehen bekommen.
Ubisoft

Ubisofts "Assassin's Creed" ist eine Spieleserie, die über die Jahre hinweg immer wieder Relaunches und Neuanstriche erlebt hat. Kritiker beklagen, dass innovative Ideen zuletzt rar waren, Fans wiederum freuen sich, dass sie mehr oder weniger wissen, mit welchen Spielelementen sie rechnen können: Als sportlicher Kapuzenträger bewegt man sich durch diverse Epochen der Weltgeschichte, um einem sinistren Geheimbund das Handwerk zu legen. Dabei wird geschlichen und an Kirchtürmen hochgeklettert, im Stil eines Parkourläufers über Hausdächer gerannt, von hohen Türmen in Heuhaufen gesprungen. Und die meisten Feinde werden nicht im offenen Kampf erschlagen, sondern hinterrücks mit einer versteckten Klinge erdolcht.

Bekannt ist die Serie vom PC und von Konsolen, gespielt wurde bisher stets in der Third-Person-Perspektive, bei welcher man den Avatar von hinten sieht. Und abgesehen von kurzen Ausflügen in die Gegenwart wird meist eine spezifische Ära der Menschheitsgeschichte – etwa das alte Ägypten oder die Piraten der Karibik – behandelt. "Assassin's Creed Nexus VR" bringt das Spiel seit 16. November in die Virtual-Reality(VR)-Welt, konkret exklusiv auf die Meta Quest 2, die Quest Pro und die Quest 3. In Zuckerbergs Metaversum erlebt man die Abenteuer nicht nur erstmalig aus der Ich-Perspektive, sondern kann auch gleich drei unterschiedliche Assassinen in unterschiedlichen Epochen spielen, die aus den bisherigen Spielen bekannt sind: Ezio Auditore da Firenze in der Zeit der italienischen Renaissance, Kassandra in der griechischen Antike und Connor Kenway während der Amerikanischen Revolution.

Auf Howlongtobeat.com wird die Spielzeit für die Kampagne des knapp 40 Euro teuren Games mit elf Stunden angegeben, was für ein VR-Spiel eine vertretbare Spielzeit ist – auch unter Beachtung der Tatsache, dass aufgrund von etwaiger Übelkeit und leeren Akkus nur wenige Stunden pro Abend gespielt werden kann. DER STANDARD hat auf einer Quest 2 rund drei Stunden in das Spiel hineingeschnuppert und teilt die Meinung der über 1.800 Vier-Sterne-Bewertungen im Quest Store: Dieser Ausflug ins Metaversum ist gelungen, wiewohl es einzelne Punkte zu bemängeln gibt.

Hacken in der Mixed Reality

Die Story von "Assassin's Creed Nexus VR" ist in etwa das, was man sich erwarten kann, wenn ein deutlich in die Jahre gekommenes Franchise mit neuem Leben erfüllt werden soll und vor allem drei Settings miteinander kombiniert werden sollen. So sind der Hauptfeind wieder einmal die finsteren Templer, die diesmal eine antike Technologie nutzen wollen, um daraus einen Supercomputer zu entwickeln, mit dem sie die Gedanken der Menschen kontrollieren können. Der Spieler schlüpft in die Rolle eines Hackers, der für den Templer-Konzern zu arbeiten vorgibt und in dieser Rolle über eine VR-Technologie namens Animus in die Rolle der Assassinen der Vergangenheit schlüpft.

Assassin's Creed Nexus VR | Official Launch Trailer | Meta Quest Platforms
Meta Quest

Das wirkt natürlich extrem an den Haaren herbeigezogen, erfüllt aber durchaus seinen Zweck. Denn so ist eine Rahmenhandlung gegeben, die wiederum ermöglicht, in die Rolle von drei unterschiedlichen Charakteren in drei Epochen zu schlüpfen – denn deswegen legt man sich dieses Spiel ja zu: Man will sich selbst wie ein Assassine fühlen und dabei möglichst viele unterschiedliche Settings in VR bewundern.

Bevor aber die Reise in die Vergangenheit beginnt, erlaubt sich Ubisoft noch ein kleines Schmankerl: Die Szenen als Elitehacker der Zukunft finden nicht ausschließlich in der Virtual Reality, sondern auch in der Mixed Reality (MR) statt. Das bedeutet, dass die Kameras der Quest-Brillen das Umfeld filmen und ins Auge des Spielers projizieren, angereichert um virtuelle Objekte. So schweben die futuristischen Computerbildschirme des Hackers plötzlich im eigenen Wohnzimmer, was dank düsterer Farbwahl sogar auf dem Schwarz-Weiß-MR-Bild der Quest 2 gut aussieht, auf den Farbbildern der neueren Brillen aber sicher noch besser rüberkommt.

Metaversum mit Ubisoft-Formel

Schlüpfen wir erst einmal in die Rolle der Assassinen, so eröffnet sich eine neue Welt. Allein schon im Tutorial bewegen wir uns als Ezio durch ein Gebäude in Venedig, lernen dort verschiedene Mechaniken des Gameplays und finden etliche Objekte, mit denen wir interagieren können. Später können wir ganze Städte bewundern und uns durch diese bewegen. Dabei kommt auch die "Ubisoft-Formel" zum Einsatz, bei der gelbe Punkte den Weg zum nächsten Handlungsabschnitt zeigen. Was sich auf dem PC oder der Konsole aber wie Bevormundung anfühlt, das nimmt man in VR gerne an: Schließlich will man nicht unnötig die Orientierung verlieren. Auch ist es möglich, die jeweiligen Städte aus der Vogelperspektive zu betrachten und sich so einen Überblick zu verschaffen.

Ubisoft

So beeindruckend der Ausflug in das Meuchler-Metaversum aber zunächst ist, so bieten die Nichtspielercharaktere doch Anlass für Kritik. Die Gesichtszüge tragen schon deutliche Anzeichen eines "Uncanny Valley", wirken hölzern und arm an Details. Und das Design diverser virtueller Komparsen wiederholt sich sehr schnell. Dafür kann man selbigen auch einmal den Bierkrug aus der Hand nehmen und ihn die Straße entlang pfeffern. Oder ihnen einen Besen aus der Hand reißen, um sie anschließend damit zu verkloppen. Das ist zwar nicht Teil der Haupthandlung, aber amüsant und ohne ernste Konsequenzen.

Schleichen, klettern, springen

Das eigentliche Spielprinzip ist jenes, das man auch aus den bisherigen Spielen kennt: Es wird geschlichen, gesprungen und geklettert – und das macht in VR richtig viel Spaß. So kann etwa geschlichen werden, indem man eine Taste auf den Controller drückt oder indem man real als Spieler in die Hocke geht. Beim Klettern wiederum führt kein Weg an der physischen Betätigung vorbei: Will man eine Leiter hochklettern, so streckt man die Arme aus und bewegt diese auf und ab. Ebenso muss beim Klettern an Hausfassaden die Hand entsprechend nach Vorsprüngen ausgestreckt werden.

Assassin's Creed Nexus VR - Official Gameplay Overview Trailer
IGN

Dies kann auch bei hartgesottenen Mägen zu einem gewissen Unwohlsein führen, wenn das Auge eine Kletterbewegung wahrnimmt, der Körper aber fest auf dem Boden steht. Allerdings hat Ubisoft einige Features eingebaut, um Übelkeit vorzubeugen: Auf Wunsch kann beim schnellen Laufen das Sichtfeld eingeschränkt werden, die Bewegung kann anstatt fließend über eine Teleport-Funktion erfolgen, und wer an Höhenangst leidet, der kann sich den realen Fußboden als Gitternetz einblenden lassen, während er gerade die Spitze eines Kirchturms erklimmt.

Von ebenjenen Kirchtürmen kommt man übrigens wie gewohnt wieder herunter, indem man einen waghalsigen Sprung in den nächstgelegenen Heuhaufen macht. Das ist weniger furchteinflößend, als es klingt, und macht in VR deutlich mehr Spaß als auf einem TV-Bildschirm.

Meucheln, kämpfen und rätseln

Und natürlich darf die berühmte versteckte Klinge nicht fehlen – also jenes Markenzeichen der Assassinen, mit dem sie ihre unachtsamen Feinde hinterrücks meucheln. Das Ausfahren der Klinge gelingt, indem ein Knopf auf dem Controller gedrückt und eine Bewegung mit der Hand durchgeführt wird. Die Wachen können entweder aus der Hocke heraus oder auch springend von einer höheren Ebene aus erstochen werden.

Ubisoft

Ergänzend dazu gibt es Nah- und Fernkampfwaffen, mit denen die Gegner in offenen Kämpfen erledigt werden können. Zum Schießen mit Pfeil und Bogen wird eine Bewegung wie mit einer echten Waffe dieser Art durchgeführt, und auch die Nahkampfwaffen werden wild mit den eigenen Händen geschwungen, um abwechselnd zu parieren und zu attackieren. Wer will, der kann außerdem Wurfmesser auf seine Feinde schleudern. Das ist abwechslungsreich, unterhaltsam und erneut viel immersiver als in bisherigen Spielen der Reihe.

Erwähnt sei schließlich noch, dass "Nexus" neben Kampf-, Schleich- und Parkourpassagen auch mit diversen Rätseln gespickt ist. Diese sind aber extrem simpel gehalten und drehen sich meistens darum, bestimmte Gegenstände in einem Raum zu finden oder Hebel umzulegen.

Fazit: Gelungene Umsetzung mit verzeihbaren Fehlern

"Assassin's Creed Nexus VR" ist somit in Summe kein perfektes Spiel – aber sehr wohl eines, das Spaß macht und für einige Stunden unterhalten kann, indem es den Spieler von der Außenwelt abschottet und in eine andere Zeit katapultiert. Gewiss, die Story könnte etwas weniger konstruiert und die Charaktere könnten liebevoller gestaltet sein. Dafür schafft es das Spiel aber, die richtigen Elemente des Franchise auf gekonnte Weise in ein neues Format zu portieren. Und das macht "Nexus" definitiv zu einem der besseren VR-Spiele, die es derzeit auf dem Markt gibt. (Stefan Mey, 2.12.2023)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Ein Code für das Spiel wurde dem STANDARD von Ubisoft zu Testzwecken zur Verfügung gestellt.