Russlands Außenminister Sergej Lawrow im Kreis von Diplomatinnen und Diplomaten.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow wirkt beim OSZE-Treffen in Nordmazedonien als Spaltpilz.
AFP/POOL/SEBASTIAN GOLLNOW

Nach einem Jahr Pause ist er wieder dabei: Russlands Außenminister Sergej Lawrow landete Donnerstagfrüh in Skopje, der Hauptstadt Nordmazedoniens. Das Land hat gerade den Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) inne und ist nun Gastgeber der zweitägigen Jahrestagung am Ende seiner Präsidentschaft. Noch 2022 hatte Lawrow auf die große OSZE-Bühne verzichten müssen: Das damalige Vorsitzland Polen hatte dem Moskauer Chefdiplomaten mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Einreise verweigert.

2023 gehört Polen nun neben den drei baltischen Staaten und der Ukraine zu jenen Ländern, deren Außenminister wegen der Anwesenheit Lawrows nicht nach Skopje gekommen sind. Dessen Teilnahme biete der Führung in Moskau lediglich eine Propagandamöglichkeit, teilten die Außenminister Estlands, Lettlands und Litauens am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung mit. Zuvor hatte bereits der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba seine Teilnahme abgesagt.

Während aber die Vertreter der Ukraine sowie jener Staaten, die sich von der russischen Aggression aus historischen und geografischen Gründen besonders bedroht sehen, mit Lawrow nicht an einem Tisch sitzen wollen, hat dessen Teilnahme auch Fürsprecher. So begrüßte etwa Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg die entsprechende Entscheidung des OSZE-Vorsitzes. Bereits im Vorjahr sei er der einzige westliche Außenminister gewesen, der die Ausladung Lawrows durch Polen kritisiert habe.

Nicht nur Gleichgesinnte

Der Westen dürfe keine Scheu davor haben, sich mit Vertretern Russlands zusammenzusetzen, so Schallenberg: "Die Tendenz, sich in der Außenpolitik in eigene Echokammern zu vertiefen, halte ich für lebensgefährlich." Die OSZE sei eben keine Organisation, in der einander nur Gleichgesinnte begegnen. "Das ist Diplomatie, dafür stehe ich." Die OSZE hänge derzeit "an der Herz-Lungen-Maschine", sagte er, und forderte zu "mehr Commitment" für die in Wien ansässige Organisation auf.

In seiner Rede fand Schallenberg aber klare Worte, was die Ursache der Krise betrifft, in der sich die OSZE immer weniger handlungsfähig zeigt und mit chronischen Budgetproblemen kämpft: Dass die Organisation derzeit "in Trümmern" liege, sei die Folge des "brutalen und nicht provozierten Angriffs" auf die Ukraine, die Verantwortung trage der russische Präsident Wladimir Putin.

Moskau nutzte indes Lawrows Anwesenheit in Skopje, um für das heimische und das internationale Publikum das eigene diplomatische Gewicht herauszustreichen. Am Donnerstag verbreitete das russische Außenministerium Fotos von Treffen Lawrows mit anderen Außenministern, darunter auch eines beim informellen Gespräch mit Schallenberg. Das Treffen sei "auf Bitte der OSZE und in Absprache mit dem Vorsitz" erfolgt, hieß es aus Schallenbergs Kabinett.

Vorsitzkrise gelöst

Demnach habe Österreich als Sitz der OSZE auch eine besondere Verantwortung. Schallenberg habe mit Lawrow "über das noch ausstehende Personalpaket der OSZE-Führungspositionen gesprochen". Im Vorfeld des Treffens in Skopje galt die Besetzung mehrerer Topjobs neben den Finanzen als eines der wichtigsten Probleme.

Ein anderer Stolperstein, der eine schwere Führungskrise hätte auslösen können, war bereits im Vorfeld aus dem Weg geräumt worden. Die 57 OSZE-Mitglieder, zu denen so gut wie alle europäischen Staaten, die Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie die USA und Kanada gehören, einigten sich zu Wochenbeginn auf Malta als Vorsitzland 2024. Grund für den späten Entschluss: Russland hatte den Bewerber Estland boykottiert. Auch hier lässt sich dasselbe Muster im Umgang mit Moskau erkennen: Dass Russland sich durchgesetzt hat, sorgt für den bitteren Beigeschmack, doch generell dominiert der Wunsch, die OSZE als wichtige diplomatische Plattform am Leben zu erhalten. (Gerald Schubert, 30.11.2023)