Wer gut schlafen will, kauft Anleihen, wer gut essen will, kauft Aktien." Mit diesem legendären Zitat spielt der 1999 verstorbene Börsenaltmeister André Kostolany auf die verschiedenen Risiken und Ertragsaussichten von Schuldverschreibungen und Unternehmensbeteiligungen an: Sichere Anleihen sparen Nerven, aber auf lange Sicht machen sich die riskanteren Aktien durch eine bessere Performance bezahlt – es bleibt also mehr Geld für teures Essen. Allein, durch die Nullzinsphase bis zum Vorjahr war dieses Verhältnis extrem verzerrt. Mit Schuldtiteln war kaum etwas zu verdienen, während viele Aktienmärkte geradezu durch die Decke gingen.

Finanzminister Markus Brunner (ÖVP).
Wer Markus Brunner in seiner Funktion als Finanzminister für zehn Jahre Geld leiht, erhält derzeit eine jährliche Rendite von drei Prozent.
REUTERS/LEONHARD FOEGER

Doch seit dem Vorjahr schlägt das Pendel zurück. Die Inflationswellen beiderseits des Atlantiks haben zu starken Zinserhöhungen geführt – etwa um 4,5 Prozentpunkte in der Eurozone –, was die Ertragsaussichten beider Anlageklassen durcheinandergewirbelt hat. Sollten privat Investierende, von denen wohl etliche noch einen Überhang an Aktien in den Portfolios haben, darauf reagieren?

Pendel schwingt zurück

Der Zeitpunkt erscheint jedenfalls günstig. Warum? Während der steigenden Zinsen erlitten alte Anleihen mit wenig Verzinsung Kursverluste, um ihre Rendite auf das gestiegene Zinsniveau zu heben. Doch diese Phase dürfte vorüber sein, da die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen voraussichtlich nicht weiter anheben werden. Wer nun in Anleihen einsteigt, kann sich also auf Jahre ein aussichtsreiches Ertragsniveau mit Schuldpapieren sichern.

Für zehnjährige deutsche Bundesanleihen, den Inbegriff von Sicherheit, erhält man knapp 2,5 Prozent Rendite pro Jahr, österreichische Pendants spielen etwas mehr als drei Prozent ein. Auch bei Anleihen gilt: Etwas mehr Risiko bringt zusätzlichen Ertrag. Für Staatspapiere aus Italien werden 4,2 Prozent geboten, auch bei deutschen Unternehmensanleihen liegt die mittlere Umlaufrendite bei 4,2 Prozent. Zehnjährige US-Treasuries spielen etwa 4,3 Prozent ein, allerdings besteht dabei ein Währungsrisiko.

Positive Realerträge in Sicht

Was das bedeutet? Mit diesen Erträgen können Investierende voraussichtlich erstmals seit vielen Jahren wieder positive reale, also inflationsbereinigte, Erträge erzielen. Wohl wird es noch dauern, bis die EZB ihr zweiprozentiges Teuerungsziel erreicht, Experten rechnen eher mit drei Prozent in den nächsten Jahren – das ist aber eine Hürde, die nun mit Anleihen von Schuldnern mit guter Bonität und überschaubarem Risiko zu übertreffen ist.

"Höhere Zinsen werden uns voraussichtlich nicht über Monate, sondern über Jahre begleiten – eine strukturelle Veränderung, die über den nächsten Konjunkturzyklus hinaus Bestand haben wird", heißt es dazu von Vanguard, einem Anbieter von Exchange-Traded Funds (ETFs), also kostengünstigen, börsengehandelten Fondslösungen. Was aus dessen Sicht "die wichtigste finanzpolitische Entwicklung seit der Finanzkrise darstellt".

Denn im Gegenzug haben sich die Aussichten für die deutlich riskanteren Aktien etwas eingetrübt. Vanguard zufolge sollen sie in den nächsten zehn Jahren nur null bis zwei Prozentpunkte mehr als Anleihen einspielen – das ist der geringste erwartete Risikoaufschlag seit fast 15 Jahren.

Ausreichend Anleihen

"Das Leitzinsmaximum und die hohen Einstiegsrenditen von Anleihen sind eine hervorragende Ausgangsbasis, um sich auf Jahre hinaus attraktive Renditen zu sichern", fasst Haran Karunakaran, Investmentdirektor beim Vermögensverwalter Capital Group, zusammen. Investierende sollen also mit Blick auf die Zukunft neben Aktien auch Schuldpapieren entsprechendes Gewicht im Portfolio verleihen – tendenziell mehr bei geringer Risikobereitschaft und Veranlagungsdauer. Denn wer will nicht sowohl gut schlafen als auch gut essen? (Alexander Hahn, 3.12.2023)