Toni Polster bei der Weltmeisterschaft 1990.
Toni Polster, hier bei der Weltmeisterschaft 1990, will juristisch um seine Länderspieltore kämpfen.
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Im Gastbeitrag erläutert Rechtsanwalt Philip Raffling, worum es rechtlich beim Streit um die Länderspieltore von Toni Polster geht.

In der Statistik des Österreichischen Fußball-Bunds (ÖFB) – abrufbar auf dessen Homepage – wird Anton Polster in der Rubrik "Ewige Torschützen" in der Tabelle mit 44 Toren an erster Stelle gereiht. Marko Arnautovic gesellt sich an Position 2 mit 36 Toren. Österreichs Fußball-Rekordtorschütze Toni Polster hat jedoch tatsächlich drei Länderspieltore mehr erzielt, als der ÖFB in seiner Länderspielstatistik ausweist, sohin 47 Tore. Dieses Faktum wird vom ÖFB gar nicht bestritten, doch wertet Letzterer die zwei betreffenden Spiele, in welchen die Tore erzielt wurden, als "inoffizielle" Länderspiele, die für die Torstatistik keine Relevanz hätten. Darum bahnt sich nun offenbar ein Rechtsstreit an.

Wie kürzlich zahlreichen Medien zu entnehmen war, plant Toni Polster nun mit anwaltlicher und folglich gerichtlicher Hilfe, langersehnte "Gerechtigkeit" zu erstreiten. Ob das nach Wunsch verläuft, hängt allerdings von mehreren ungeklärten rechtlichen Fragen ab.

ÖFB oder Fifa?

Hinsichtlich einer davon hat sich der ÖFB offenbar bereits vorsorglich in Stellung gebracht: Er würde "seinem" Rekordhalter gerne helfen, ließ er Medien wissen, doch seien ihm die Hände gebunden. "Inoffizielle" Spiele posthum zu "offiziellen" zu erklären liege außerhalb seiner Kompetenz, und damit spielt er den Ball an die Fifa als die anscheinend kompetente Organisation, dieses Problem zu lösen. Zu Recht?

Schon der Umstand, dass dieses Argument vom nationalen Verband eines Landes stammt, in dem sich gleich zwei Vereine als "Rekordmeister" ein und derselben Liga bezeichnen, sollte misstrauisch machen. Mehr noch, dass das Länderspiel gegen Tunesien 1987, in dem Toni Polster vor rund 7.000 Zusehern den Ball gleich zweimal ins gegnerische Tor bugsierte, vom tunesischen Fußballverband hingegen sehr wohl gezählt wird. Welchen Regeln aber folgt eine Länderspielstatistik?

Regeln werden (rechtshistorisch bedingt und dogmatisch betrachtet) vom Weltfußballverband Fifa als zentraler Stelle erlassen ("Ein-Platz-Prinzip"). Der ÖFB, ebenso wie alle anderen nationalen Fußballverbände, ist Mitglied bei der Fifa und der Uefa. Die Mitgliedsverbände sind verpflichtet, die Fifa- und Uefa-Statuten, -Reglements, -Beschlüsse und -Weisungen sowie den internationalen Spielkalender anzuerkennen. Zwar gibt es Verpflichtungen zur vorherigen Anmeldung und Genehmigung internationaler Begegnungen, Gebühren- sowie anschließende Berichtspflichten, doch die Fifa-Regularien unterscheiden zwischen offiziellen und inoffiziellen Spielen ebenso wenig wie sie Vorgaben für die Länderspielbilanzen der nationalen Verbände enthalten. Dass sich diese auf die Führung der Länderspielstatistik auswirken, dürfte aber auch der ÖFB nicht wahrhaben wollen. Schließlich finden sich in seiner Statistik auch Spiele, die sogar noch vor Gründung der Fifa im Jahr 1904 stattgefunden haben.

Tatsächlich sind die nationalen Verbände für die Führung der Länderspielbilanzen selbst verantwortlich, und offenbar frei hinsichtlich der Gestaltung, wenn auch nicht ganz frei: Determiniert wird dies auch von nationalen rechtlichen Rahmenbedingungen (etwa dem Willkürverbot); es liegt sohin weniger an der Fifa. So wurde in der Literatur (angesichts des Länderspiels BRD gegen die DDR) etwa auch die Berücksichtigung des Wiedervereinigungsgebots des deutschen Grundgesetzes diskutiert.

Verbotene Ungleichbehandlung?

Für den hier interessierenden Fall relevanter, wie mit Länderspielstatistiken umzugehen ist, könnten sich das österreichische Vereinsrecht und gesellschaftsrechtliche Grundsätze erweisen (eben das angesprochene Willkürverbot). Die Fifa-Statuten enthalten zumindest in Punkt 4 den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, wobei Diskriminierung jeglicher Art, unter anderem gegen eine Privatperson, auch aus sonstigen Gründen streng verboten ist. Eine solche Ungleichbehandlung ließe sich im Lichte dieses Gebots argumentieren, zumal der tunesische Fußballverband das Länderspeil 1987 als offiziell wertet, der ÖFB aber nicht. Was ist der rechtliche Unterscheid zwischen offiziell und inoffiziell? Sanktionen und Vorgaben im Zusammenhang mit diesen Termini existieren nicht. Muss man der Fifa bei inoffiziellen Länderspielen keine Abgaben leisten?

Für Toni Polster macht es ohnehin keinen Unterschied, ob offiziell oder inoffiziell, schließlich war er als registrierter Spieler eines Mitgliedsverbands einberufen beziehungsweise abgestellt worden, für den ÖFB im Rahmen des Nationalteams 1987 in Tunesien beziehungsweise bei der Partie Liechtenstein – Österreich 1984 in Vaduz zu spielen und zur Arbeit anzutreten. Die Rechtsfrage, ob es überhaupt eine Abstellpflicht gab oder nach wie vor gibt, kann in diesem Zusammenhang nicht relevant sein (ob solche "Einberufungsbefehle" rechtlich verbindlich sind, ist ebenso ein spannendes Thema). Sollte Toni Polster also tatsächlich ein Gericht anrufen, dürfte abhängig vom Klagsvorbringen auch Juristinnen und Juristen ein spannendes Match erwarten, mit Vorteil für Toni Polster. (Philip Raffling, 2.12.2023)