Eiskalt pfeift an diesem späten Vormittag der Wind über die kargen Äcker. Der Winter ist in der kleinen Waldviertler Ortschaft Winkl tatsächlich in jedem Winkel zu spüren. Schmusi fühlt sich dennoch sauwohl. Mit einem freudigen Grunzen galoppiert das Minischwein in Richtung des Zaunes, der das schweinische Freigelände umgibt. Noch ein kurzer Blick zurück in Richtung Futtertrog – zum Glück sind Mathilda, Mona, Miss Piggy und Mila intensiv mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt. Einer singulären Schmuseeinheit steht daher nichts im Wege.

zwei Minischweine schauen in die Kamera
Schweine sind lieb, verträglich, gelehrig, gescheit, pflegeleicht, unkompliziert, aber anspruchsvoll, was eine artgerechte Haltung betrifft.
Werner Dedl

"Ja wo is’ denn meine Hübsche? Ja is’ des gut, mein Baby?" Michaela Wese hat mittlerweile die matschige Suhle betreten und krault Schmusi am Rücken. Mit einem entspannten Grunzen lässt sich das tiefenentspannte Borstenvieh im Gatsch nieder. Erholung wird eben auch im Saustall wertgeschätzt.

Mini-Wanderung

Michaela Wese bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten einen großen Bauernhof. Artenvielfalt wird mit gut 150 Tieren hier großgeschrieben: Esel, Schafe, Enten, Ziegen, Chinchillas – und eben Schweine im Kleinformat. Mit Beginn ihres Veterinärmedizinstudiums wurde die heute 40-Jährige auf Minischweine aufmerksam. Und es war Liebe auf den ersten Rüssel. 2014 startete Wese dann mit zwei amerikanischen Minipigs ihre Zucht. Heute beleben 27 Schweine die Waldviertler Minischweinfarm. Und alle Tiere gemeinsam sind ein essenzieller Teil der "tiergestützten Arbeit", die die ausgebildete Tiertrainerin auf ihrem Hof anbietet. "Mein Angebot reicht von Ziegen- und Eselwanderungen für Familien und Paare bis hin zum Kindernachmittag." Fixer Bestandteil sind auch Spaziergänge mit Schweinen. Oder besser: Mini-Wanderungen mit Minischweinen. "Es sind ja doch Schweine. Die können nicht so weit gehen", erläutert Wese.

Wohnzimmertauglich

Stellt sich die Frage, warum man sich hier im Waldviertler Schweineparadies ausgerechnet auf ein vorgartentaugliches Format spezialisiert hat? Wese: "Meine Begeisterung für Schweine war schon immer extrem groß. Schon als Kind war ich oft und gerne im Schweinestall. Die Tiere sind einfach bezaubernd. Schweine haben ein supertolles Wesen – lieb, verträglich, gelehrig, gescheit, pflegeleicht, unkompliziert." Und Minischweine seien eben noch einmal etwas ganz Besonderes. "Die Größe passt gut. Es ist ein Unterschied, ob du eine 300-Kilo-Sau hast, die dann und wann ins Wohnzimmer kommt, oder ein Minischwein auf der Couch Platz nimmt."

Frau trägt Minischwein
Michaela Wese hat schon oft richtig Schwein gehabt. Auf ihrer Farm im Waldviertel züchtet die 40-Jährige Minischweine. Und sie spricht sich für strenge Vergaberichtlinien aus.
Werner Dedl

Den Einwand, dass ein Schwein eigentlich gar nicht ins Wohnzimmer gehört, lässt Michaela Wese nur bedingt gelten: "Ich halte nichts von einer kompletten Vermenschlichung. Aber ein Minischwein ist durchaus ein Haustier. Und es gibt ja Mindestanforderungen, an die sich jeder halten muss." Und auch ein kleines Schwein hat Bedürfnisse, die es zu erfüllen gilt: "Dazu gehört eben auch Graben und Wühlen. Wer einen englischen Rasen will, darf daher kein Schwein halten."

Zwei Quadratmeter pro Schwein an Stellfläche und zehn Quadratmeter Auslauffläche sind bei Nutztieren, und dazu zählen auch die Minischweine, vorgeschrieben. Wese: "Meine Gehege haben eigentlich alle so zwei- bis dreimal die Mindestfläche." Das Haus ist für die tierischen Bewohner der Minischweinfarm normalerweise Tabuzone: "Eigentlich dürfen die Minischweine nicht in mein Wohnzimmer. Heuer bin ich aber in den Genuss einer Handaufzucht gekommen. Diese Schweinderln waren dann natürlich im Haus drinnen, da sie alle zwei Stunden gefüttert werden mussten. Heute sind diese Tiere tagsüber draußen, schlafen aber im Haus."

Kleine Sau, ganz groß

Die Kunden von Michaela Wese sind allesamt keine Landwirte: "Es sind fast ausschließlich Familien, die sich für ein Minischwein interessieren." Hinsichtlich der Abgabe ihrer Zuchttiere, rund 550 Euro kostet ein Jungtier, hat die 40-Jährige strenge Vorgaben: "Eine reine Wohnungshaltung ist ein absolutes No-Go, und es gibt bei mir keine Vergabe von Einzeltieren. Ideal ist eine ganzjährige Freilandhaltung mit isolierten Hütten als Schlafplatz und einer Suhle im Sommer für ein möglichst artgerechtes Leben."

Und vor allem gilt es eines beim Kauf von Jungtieren zu bedenken: Mini ist bei den kleinen Schweinen ein relativer Begriff. Sie werden 45 bis 50 Zentimeter hoch und bekommen ausgewachsen bei normaler Figur – also nicht übergewichtig oder adipös – ein stattliches Gewicht zwischen 40 und 50 Kilo.

Drei Minischweine in ihrem Außengehege
Minischweine in ihrem geräumigen Gehege mit Schlafplatz, Fressplatz, Suhle und Klo.
Werner Dedl

Die Rüsseltiere – egal ob groß oder klein – tragen übrigens den Ruf als Saubartel völlig zu Unrecht. Wese: "Sie sind eigentlich sehr saubere Tiere und haben einen fixen Toilettenplatz. Fress- und Schlafplatz werden komplett trocken gehalten."

Und doch gilt es im Antlitz der süßen kleinen Nutschis noch eine Frage zu stellen: Kann man Minischweine essen? "Ja. Würde ich aber nie machen. Man muss nicht alles essen." (Markus Rohrhofer, 4.12.2023)