Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis ein gewiefter Geschäftsmann – in diesem Fall sogar ein Prinz – die goldene Gelegenheit wahrnehmen würde. Scheich Ahmed Dalmook al-Maktoum, Spross der königlichen Familie in Dubai, wo gegenwärtig der 28. Klimagipfel der Vereinten Nationen (COP 28) stattfindet, hat einen pfiffigen Weg gefunden, aus der Klimakatastrophe noch Kapital zu schlagen – und aus dem Notstand, in den Afrika dadurch geraten ist.

Der Emissionshandel ist für viele ein goldenes Geschäft.
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Der jugendliche Scheich gründete im August des vergangenen Jahres die Firma Blue Carbon, die sich in Afrika als Agentin im Emissionshandel anbietet. Dazu erwirbt das Unternehmen die entsprechenden Rechte über weite Regionen afrikanischer Staaten, die als Kohlenstoff-Reiniger gelten – vor allem Wälder und Naturschutzgebiete. Im Einzelnen legte der Prinz seinen Finger auf 20 Prozent der Landesfläche Simbabwes, zehn Prozent von Liberia sowie größere Teile Tansanias, Sambias und Kenias – insgesamt eine Fläche von der Größe Großbritanniens.

Die Kohlenstoff-Guthaben, über die diese Staaten infolge einer Vereinbarung des Pariser Klimagipfels vor acht Jahren verfügen, will Scheich Ahmed an Unternehmen oder Regierungen im reichen Norden oder Mittleren Osten verscherbeln, die ihren Nachhaltigkeitspflichten nicht nachkommen. Dabei handelt es sich um Milliardenbeträge. Die Pointe, falls man der britischen Tageszeitung "Guardian" Glauben schenkt, die einen der Verträge gesehen haben will: Der Prinz streicht für seine Dienste 70 Prozent Kommission ein.

"Wirtschaftliche Goldmine"

Kenias Präsident William Ruto hatte also recht, als er im September beim ersten afrikanischen Klimagipfel in der Hauptstadt Nairobi den Emissionshandel als eine "einzigartige wirtschaftliche Goldmine" bezeichnete. Die Kohlenstoff-Kredite, fügte der Chef des ostafrikanischen Staates hinzu, sollten zu einem "bedeutenden Exportartikel" seines Landes werden. Bislang vernachlässigte ganz Afrika diese Einnahmequelle: Nach Schätzungen der afrikanischen Kohlenstoffmarkt-Initiative (ACMI, Africa Carbon Markets Initiative) nimmt der Kontinent nur zwei Prozent des Potentials des Emissionshandels in Anspruch.

Dabei ist der Erdteil auf finanzielle Mittel zur Abfederung der katastrophalen Folgen der Klimaerwärmung dringend angewiesen. Der Kontinent, der mit nur vier Prozent zum Ausstoß von Treibhausgasen beiträgt, wird zunehmend von Dürren, Überschwemmungen und Hitzerekorden heimgesucht. Afrika muss bis Mitte des Jahrhunderts mit mehr als 110 Millionen Flüchtlingen und bis Ende des Jahrhunderts mit einem Einbruch seiner Wirtschaftsleistung um mehr als 60 Prozent rechnen.

Ein derartiges Szenario durch Anpassungsmaßnahmen zu verhindern wird die 55 Staaten des Kontinents jährlich bis zu 250 Milliarden US-Dollar kosten, rechnet die UN vor: Genauso teuer wird das Umrüsten der jeweiligen Länder auf klimafreundliches Wirtschaften und Haushalten werden. Bislang hat der Erdteil nur einen Bruchteil dieser Summen von den Verantwortlichen der Erhitzung im Norden des Globus erhalten: Dass sich das nach dem Klimagipfel in Dubai entscheidend ändert, ist nicht zu erwarten.

800 Milliarden Dollar

Der Emissionshandel könne jährlich bis zu 800 Milliarden Dollar einbringen, rechnen Fachleute vor: zehnmal mehr als die Summe aller derzeitigen Auslandsinvestitionen in Afrika. Mit dem Geld könnte die Adaption des Kontinents an noch heißere Zustände ohne weiteres finanziert werden. Allerdings warnten schon in Paris viele davor, dass der Kuhhandel zahlreiche Gefahren in sich berge. Etwa dass Firmen in den Industrienationen an einer Umstellung ihrer schmutzigen Produktion dann gar kein Interesse mehr hätten oder dass es bei der Berechnung der Kohlenstoffkredite zu Streitereien kommt. Woran damals noch keiner gedacht hat: dass ein Großteil des Geldes den Kontinent niemals erreichen wird, weil sich ein Erdölscheich an dem Emissionshandel noch zusätzlich bereichert.

Prinz Ahmed ist in der Welt des Zwielichts übrigens kein Unbekannter. Er machte sich schon während der Covid-Pandemie einen schlechten Namen, als er den minderwertigen russischen Impfstoff Sputnik V an afrikanische Staaten verscherbelte – teilweise um das Doppelte des Einkaufspreises. In seiner Entourage befindet sich außerdem ein Berater namens Samuele Landi, gegen den in seiner italienischen Heimat ein Strafbefehl wegen betrügerischen Bankrotts vorliegt. Für die königliche Familie des Ölscheichtums alles kein Grund zur Sorge: Wenn es um die Plünderung Afrikas geht, war schon immer jedes Mittel recht. (Johannes Dieterich, 1.12.2023)