Alissa Mörz steht auf Boden.
Alissa Mörz in Aktion.
© Simone Ferraro

"Mir haben mehr Leute gratuliert als zu meinem Geburtstag“, sagt Kunstturnerin Alissa Mörz. "Das war schon lustig." Ausgelöst hatte dies der Turnweltverband Mitte November. Da hat die Fédération Internationale de Gymnastique (Fig) die Burgenländerin als Erfinderin eines Turnelements bestätigt. Ihr Bücksprung mit ganzer Drehung zur Liegestütz-Beugelandung auf dem Boden heißt nun offiziell "The Moerz".

Übersetzt für Laien: "Man steht aufrecht mit geschlossenen Beinen. Dann springt man hoch. Nach einer halben Drehung bückt man sich in der Luft. Danach dreht man sich um eine halbe Drehung weiter und landet auf Bauchlage." Letzteres ist entscheidend. Denn Bücksprünge mit Drehung gab es bereits davor. Dabei landen Athletinnen aber üblicherweise auf den Füßen.

The Moerz
FIG Education Channel

Entstehungsgeschichte

So auch Mörz vor zwei Jahren bei einem "lockeren Training" mit den beiden damaligen Nationaltrainern Daymon Jones und Patrick Kiens. "Patrick war lustig drauf und wollte ein paar Sachen ausprobieren", sagt Mörz. "Er meinte: Warum nicht in die Bauchlage?" Die Kunstturnerin probierte das Turnelement aus und fühlte sich rasch wohl dabei. Auch aus taktischen Gründen: Bei dem Sprung ist kein Spagat dabei, der anfälliger für Punkteabzüge sei.

Die Heeressportlerin musste dem Weltverband zunächst ein Video ihrer Übung schicken. Wer als Erfinderin namentlich anerkannt werden will, muss das Turnelement dann "ohne großen Fehler" bei einem internationalen Ereignis vorzeigen. Bei der EM 2022 turnte Mörz aber nicht am Boden, weil ihr eine Teamkollegin vorgezogen wurde. Bei der WM 2022 machten ihr Sprunggelenksprobleme zu schaffen. So konnte Mörz ihr Turnelement erst bei der EM in Antalya heuer im April uraufführen.

"Coole Errungenschaft"

Die Fig gab dem "Moerz" den Schwierigkeitsgrad C. Die Skala reicht von A bis J. Je höher der Buchstabe, desto schwieriger das Element. Die größte Herausforderung sei, die Drehung fertig zu machen, sagt Mörz. "Aber es gibt schon viele schwierigere Elemente. Ich war halt die, die es probiert hat und in den Code of Points gekommen ist." So werden die internationalen Wertungsvorschriften im Kunstturnen bezeichnet. Sie enthalten einen Überblick über einzelne Elemente und erklären, wie die Kampfgerichte die Übungen bewerten.

Bücksprung mit ganzer Drehung zur Liegestütz-Beugelandung am Boden.
Kreation von Alissa Mörz: ein Bücksprung mit ganzer Drehung zur Liegestütz-Beugelandung auf dem Boden.
FIG.

Vor Mörz hatten es erst vier andere österreichische Turnerinnen und Turner namentlich in den Code geschafft: Birgit Schier am Stufenbarren 1993, Thomas Zimmermann auf dem Sprungtisch 2001, Marco Baldauf 2015 am Reck und Tanja Gratt, deren Stufenbarren-Abgang-Variationen 2017 nachträglich ihrem Namen zugeordnet wurden. Nach US-Superstar Simone Biles sind bereits fünf Elemente benannt. Das letzte im November – zeitgleich mit Mörz. "Eine große Ehre", sagt die Österreicherin. "In unserem Sport geht es meistens nur um Medaillen und Platzierungen, aber ein eigenes Element erfunden zu haben, ist eine wirklich coole Errungenschaft mit Langzeiteffekt."

Harte Arbeit

Und der Lohn für die harte Arbeit. Mörz trainiert rund 35 Stunden pro Woche. Sie wohnt mit ihren beiden jüngeren Schwestern Charlize und Collien, ebenfalls Kunstturnerinnen, in Linz. Das Trio trainiert am dortigen Bundesstützpunkt und pendelt am Wochenende zurück zu den Eltern und zum Bruder nach Mattersburg. Ihr Papa ist der frühere Bundesliga- und Nationalteam-Fußballer Michael Mörz.

"Man muss jeden Tag an die eigenen Grenzen gehen", sagt Alissa Mörz. "Das ist zu 80 Prozent nicht lustig. Aber die restlichen 20 Prozent, wenn du bei Großereignissen dabei bist und deine Übung aufgeht, machen es halt aus." 2023 wurde sie Vizestaatsmeisterin am Stufenbarren und Boden, gemeinsam mit ihren Schwestern und Helena Zotos eroberte sie zudem den Mannschaftstitel für das Burgenland.

Fünf Turnerinnen stehen nebeneinander und lachen in die Kamera.
Österreichs Turnerinnen Bianca Frysak, Alissa Mörz, Leni Bohle, Selina Kickinger und Charlize Mörz (v.l.n.r.) landeten bei der EM im Teambewerb auf Rang zwölf.
Simone Ferraro

Die WM Anfang Oktober in Antwerpen verpasste Alissa Mörz wegen einer Sprunggelenksoperation. Danach absolvierte sie die Grundausbildung beim Bundesheer. Eine Qualifikation für Olympia 2024 hält sie für "weniger realistisch". Ihr großes Ziel ist die EM im Frühjahr in Rimini. Eine neue Choreografie für ihre Bodenkür ist ebenfalls geplant. "The Moerz" wird Teil des höchstens 90 Sekunden dauernden Programms sein.

Musik als Ausgleich

Als Ausgleich zum Leistungssport macht die 21-Jährige Musik. Nach der Matura habe sie eine Zeitlang "nur geturnt - und gemerkt, dass ich Ablenkung brauche." Ihr Idol: US-Sängerin Pink. "Ich habe in einer Doku gesehen, dass sie all ihre Lieder selbst schreibt. Da dachte ich mir, ich probiere es mal selber."

Mörz spielt Klavier, textet und singt. 31 englische Songs hat sie bereits komponiert. Diese seien "echt gut angekommen", sagt sie. In absehbarer Zeit will sie ihre Werke auf einem eigenen Spotify-Account veröffentlichen. Irgendwann würde sie gerne auch eigene Musik, die laut Richtlinien keinen Gesang beinhalten darf, für ihre Bodenkür kreieren. Dann turnt Mörz den Moerz zu Mörz-Musik. (Andreas Gstaltmeyr, 4.12.2023)