Avatar: Frontiers of Pandora
Als Na'vi erlebt man parallel zum zweiten Kinofilm eine eigene Geschichte.
Ubisoft

2,32 Milliarden US-Dollar hat der Action-Film "Avatar: The Way of Water" seit seiner Premiere im Dezember 2022 eingespielt. Sein Vorgänger "Aufbruch nach Pandora", ebenfalls von Kultregisseur James Cameron, aus dem Jahr 2009 führt mit einem Einspielergebnis von 2,9 Milliarden Dollar das Ranking der erfolgreichsten Filme aller Zeiten sogar an.

Trotz dieses offenbar riesigen Interesses an den blauen Na'vi und ihrem Kampf gegen die von Zerstörungswut und Aggression beseelten Menschen fehlte es in den letzten Jahren an starken Versoftungen der Materie. Der französische Spielehersteller Ubisoft ("Assassin's Creed", "Splinter Cell", "Rayman") hat nun offenbar etwaige Schwierigkeiten, die Materie in einen spielbaren Blockbuster zu verwandeln, überwunden und präsentiert am Donnerstag ein Action-Spiel mit dem Namen "Avatar: Frontiers of Pandora". In der Rolle eines Na'vi, der seine Kindheit bei den Menschen und isoliert von der Außenwelt verbracht hat, gilt es nun die neue Welt zu entdecken und sich den damit verbundenen Herausforderungen zu stellen. Ob das gelungen ist?

Lebendige Welt

Langsam schwimme ich an das Ufer der mir unbekannten Welt. Der dichte Wald ist geprägt von bunten, mir unbekannten Pflanzen und haushohen Bäumen. Zu sehr im Gedanken verloren übersehe ich die massiven Tiere, die an eben diesem Ufer ein Nickerchen gemacht haben. Die Büffelähnlichen Wesen bemerken mich und schnauben kurz auf, bevor sie auf mich zulaufen. Ich nehme meine langen Beine in die Hand und hechte über riesige Wurzeln und ziehe mich an einer bis an den Boden reichenden Ranke hoch. Abgehetzt blicke ich mich um. Die Tiere können offenbar nicht klettern und lassen bald von mir ab. "Da habe ich mich auf etwas eingelassen," denke ich und schnaufe kurz durch.

Ubisoft ist es tatsächlich gelungen, die sehr lebendige Welt von "Avatar" in ein optisch aufwendiges und spielerisch umfangreiches Videospiel zu quetschen. Gerade zu Beginn des Spiels, wenn man sich als eben erst entflohener Na'vi versucht zurecht zu finden, passt die Geschichte wunderbar zum Spieler, der herausfinden muss, welche Pflanzen giftig sind, welche heilende Wirkung haben und welchen Tieren man besser ausweicht. Inszeniert ist das Ganze als klassisches Action-Spiel aus der Ego-Perspektive. Man bekommt früh im Spiel einen Bogen und ein MG in die Hand gedrückt, mit denen man sich gegen diverse Aggressoren wehren kann. Andere Waffen folgen und lassen die zahlreichen Auseinandersetzungen etwas taktischer werden, als das zu Beginn der Fall ist.

Um die Formel des klassischen Shooters zu erweitern, finden sich auch Parkour-Elemente im Spiel. So kann man mit einigen Tastenkommandos weit und hoch springen, sich an diversen Steinen und Bäumen hochziehen oder sich von bestimmten Pflanzen hochkatapultieren lassen. Das spielt sich flüssig und eingängig, wie man das etwa von Spielen wie "Mirror's Edge" oder "Dying Light" kennt. Natürlich werden auch diverse Ressourcen gesammelt, um Ausrüstungsteile zu verbessern oder sich am nächsten Brennofen bessere Mahlzeiten kochen zu können. Ein Talentbaum findet sich ebenfalls, der in diverse Richtungen ausgebaut werden kann. Macht man sich zum widerstandsfähigen Kämpfer oder eher zum geschickten Schleicher? Alles ist möglich.

Avatar: Frontiers of Pandora
Das Flugtier muss erst gezähmt werden, bevor man Pandora auch von oben betrachten kann.
Ubisoft

Action satt

Was das Missions-Design betrifft, darf man keine großen Überraschungen erwarten. Eine Befestigung der Menschen muss zerstört oder ein verlorener Freund gerettet werden. Dazwischen löst man kleine Rätsel, muss sich in technische Geräte "hacken" oder erforscht einfach die lebendige Welt, die zumindest in den ersten Stunden einige Überraschungen bietet. Das spielt sich alles kurzweilig und wird von zahlreichen Zwischensequenzen begleitet, die mehr über die einzelnen Figuren und die Haupthandlung verraten.

Die groß angelegte Welt erkundet man zunächst zu Fuß, kann bereits besuchte Orte allerdings via Schnellreisefunktion ansteuern. Später darf man auf den aus den Filmen bekannten Banshees Platz nehmen, drachenartigen Flugwesen, dank denen man Pandora auch einmal von oben erleben kann. Besonders spektakulär ist dann die Möglichkeit, sich von einer hohen Klippe zu stürzen, um dann von solch einem Banshee aufgefangen zu werden. Auch gekämpft wird in der Luft, allerdings spielt sich das ein wenig ungenauer als am Boden, weshalb man über das nur gelegentliche Auftreten dieser Auseinandersetzungen ganz froh ist.

Ein wirklich schöner Aspekt des Spiels ist es, dass man es gemeinsam erleben kann. Bis zu zwei Spieler können sich Seite an Seite durch die unwirtliche Landschaft von Pandora kämpfen und das sehr unkompliziert durch spontanes Ein- oder Aussteigen in eine laufende Partie. Auch nicht selbstverständlich ist, dass alle Erfolge und Fortschritte im Spiel für beide Spieler gesammelt werden. Ausrüstung kann zudem getauscht werden. Vorbildlich, liebe Ubisoft-Entwickler.

Avatar: Frontiers of Pandora
In den diversen Lagern erhält man neue Missionen und unterhält sich mit den unterschiedlichsten Charakteren.
Ubisoft

Warum gerade ballern?

Das Shooter-Genre wurde wohl aus zwei Gründen gewählt. Erstens konnte man wohl auf sehr viel technisches Know-How des "Far Cry"-Teams zurückgreifen, die schon ein halbes Dutzend Spiele in einem solchen Wald-Setting entwickelt haben. Zweitens gehört das Genre zu den beliebtesten am Markt, auch wenn hier meist die Multiplayer-Shooter zu den Dauerbrennern gehören und keine Story-Erfahrungen, die nach rund 20 bis 40 Stunden auch wieder vorbei sind.

Mir fällt auch keine Alternative ein, die Ubisoft hätte wählen können, um das Millionenpublikum vom Kino besser in Richtung Konsole und PC zu bewegen. Vielleicht ein taktisches Rollenspiel a la "Mario und Rabbids"? Ein Jump'n'Run a la "Rayman"? Sieht man sich jedoch die Verkaufszahlen dieser Games an, liegt Ubisoft mit der Shooter-Entscheidung wohl ganz richtig.

Avatar: Frontiers of Pandora
Bei Händlern kann man sich Ausrüstung oder Nahrungsmittel kaufen.
Ubisoft
Avatar: Frontiers of Pandora
Schleichpassagen sollte man mit dem Bogen bestreiten. Stehen die Menschen einmal so nah vor einem, lohnt ein Umschwenken auf andere, stärkere Waffen.
Ubisoft
Avatar: Frontiers of Pandora
Wie in den letzten "Zelda"-Spielen kann man Zutaten zusammenwerfen und sich vom Ergebnis überraschen lassen.
Ubisoft

Augenschmaus

Optisch ist das Spiel, das von drei Studios in Kooperation entwickelt wurde, sehr ansehnlich geworden. Blätter bewegen sich im Wind, das Wasser reagiert auf jede Bewegung eurer Figur und Explosionen sind sowohl optisch als auch akustisch stark inszeniert. Das Waffenfeedback, egal ob Bogen oder Schusswaffe, ist vorhanden und die Na'vi wurden ebenfalls so inszeniert, dass man in den meisten Fällen an ihren Lippen hängt.

So läuft man zunächst staunend durch die Welt, dreht sich schnell um, wenn ein unbekannter Grunzlaut sehr nah an der eigenen Person zu hören ist und verharrt ehrfürchtig, wenn man Orte betritt, die man in anderen Spielen so noch nicht gesehen hat. Will man etwas genauer in Augenschein nehmen oder Feinde auch hinter Deckungen sichtbar machen, dann schaltet man in die Na'vi-Sicht, um genau das zu ermöglichen. So werden auch Pflanzen analysiert und Fährten aufgenommen.

Ach ja, so mancher Fan der Franchise wird fragen, ob das Spiel sich inhaltlich an den Kinofilmen orientiert. Die Antwort lautet: ja. Zwar handelt es sich um eine neue Geschichte, die auch neue Charaktere vorstellt, die Handlung gehört laut Ubisoft aber zum offiziellen Kanon und soll zum gleichen Zeitpunkt spielen wie "Avatar 2". Untermauert soll das werden, indem einzelne bekannte Gesichter aus dem Kino im Spiel vorkommen, etwa General Frances Ardmore von der RDA.

Avatar: Frontiers of Pandora
Ja, das ist ein Screenshot. So sieht das Spiel aus.
Ubisoft
Avatar: Frontiers of Pandora
In die Welt kann man dank lebendiger Fauna und Flora gut eintauchen.
Ubisoft

Preis und Anforderungen

"Avatar: Frontiers of Pandora" erscheint am Donnerstag für PC (exklusiv im Ubisoft Store), PS5, Xbox Series und in ausgewählten Ländern auch auf Amazon Luna. Preislich liegen wir bei der Standard-Edition bei rund 70 Euro, die Ultimate-Edition mit diversen Goodies kommt auf allen Plattformen auf 130 Euro. Ubisoft+-Kunden freuen sich, dass das Spiel im Abo-Dienst enthalten ist.

Avatar: Frontiers of Pandora
Die Systemanforderungen der PC-Version in den unterschiedlichen Leistungsstufen.
Ubisoft

Eindruck

Für mich ist der große Star von "Avatar: Frontiers of Pandora" eindeutig die lebendige Welt. Ubisoft ist es wirklich gelungen, eine akkurate Umsetzung der bunten und mit vielen Details gespickten Welt in ein Spiel zu packen. Wenn sich die topfförmigen Pflanzen auf einmal zurückziehen, wenn man vorbeiläuft, oder bemannte Kampfgeher auf einen zulaufen, fühlt man sich schon sehr an die Vorlage erinnert.

Die Action ist ein Potpourri aus bekannten Marken wie "Horizon", "Dying Light" und "Far Cry". Intensiver Dschungelkampf, gepaart mit übergroßen lebendigen und mechanischen Gegnern sowie einem sehr gelungenen Parkour-System wissen spielerisch zu überzeugen. Speziell im Koop-Modus lassen sich gut ein paar Stunden im Spiel verbringen, weil sich dann auch sich wiederholende Questziele und längere Laufwege unterhaltsamer gestalten lassen.

Am Ende des Tages ist "Avatar: Frontiers of Pandora" ein weiterer Shooter, der auf bekannten Stärken des Genres aufbaut und als wichtigstes Alleinstellungsmerkmal die Avatar-Welt mitbringt. Wen das begeistert, der kann bedenkenlos zugreifen. Wer so wie ich weniger mit der Welt und ihren Bewohnern anfangen kann, den könnte das unaufhörliche Aufsammeln von Früchten und das Abschießen von wenig talentierten Gegnern auf Dauer etwas zu eintönig werden. (Alexander Amon, 6.12.2023)