Verteidigungsministerin Klaudia Tanner besucht die österreichischen Kfor-Truppen in deren Hauptquartier: "Einsatz in sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten".
HBF/Carina Karlovits

Die Rotorblätter des Black Hawk knattern durch den kosovarischen Nebel. "Präsentiert", schallt es über den Platz unter den Flaggen, der Wind pfeift eiskalt durch die Reihen. Rund drei Dutzend Soldaten und wenige Soldatinnen in neuer Flecktarn-Uniform und weißen Handschuhen stehen stramm. Ein paar von ihnen haben ein Sturmgewehr in der Hand, einer eine bestickte Flagge mit den Wappen aller Bundesländer. Und dann ist sie da, "die Frau Minister". "Gleich vorab ein ganz großes Dankeschön", sagt Klaudia Tanner (ÖVP), Ressortchefin im Verteidigungsministerium, "für Ihren Einsatz in sicherheitspolitisch herausfordernden Zeiten." "Sie sind alle freiwillig hier", sagt die Heeresministerin auch. "Man kann Ihnen gar nicht genug dafür danken."

Es ist das Kfor-Hauptquartier in der kosovarischen Hauptstadt Prishtina, wo Soldatinnen und Soldaten des österreichischen Kontingents seit bald 25 Jahren die Kfor-Truppen unterstützen. Die Kosovo-Truppe wurde 1999 unter Leitung der Nato und mit Mandat der Uno aufgestellt, um nach Ende des Kosovokrieges für etwas Stabilität im nun von Serbien unabhängigen Kosovo zu sorgen. Die Truppe mit Hauptquartier in Prishtina soll die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrechterhalten, internationale Organisationen unterstützen und helfen, die Infrastruktur aufzubauen.

Ungewöhnlicher Zeitpunkt

Heute umfasst die Kfor gut 5000 Soldatinnen und Soldaten. Italien stellt mit 791 Personen das größte Kontingent, gefolgt von Großbritannien mit 677 und den USA mit 588. Für Österreich sind aktuell 275 Bundesheer-Angehörige im Einsatz. Der Ministerratsbeschluss würde theoretisch bis zu 600 ermöglichen, rund 250 davon zur kurzfristigen und temporären Verstärkung in besonderen Krisenfällen.

Tatsächlich wird sich Österreichs Truppenstärke aber in die gegenteilige Richtung bewegen: Mit Frühjahr wird von 275 auf rund 200 reduziert. Die aktuell zentrale Transport- und Infanteriekompagnie wird aufgelassen. Das Timing zur Reduktion des Kontingents scheint eher ungewöhnlich. Denn gerade in den vergangenen Monaten wurde der Kosovo von den schwersten Krisen seit vielen Jahren gebeutelt.

Der Beschluss, die Truppenstärke im Kosovo zu reduzieren, sei aber völlig unabhängig davon erfolgt und würde schon seit langem feststehen, versichert man im Verteidigungsministerium. Hintergrund sei, dass Österreich 500 Soldatinnen und Soldaten für die EU-Battlegroup 2025 bereitstellen will. Die Ausbildung dafür beginnt im kommenden Jahr. Insgesamt würden künftig mehr heimische Soldaten für Auslandseinsätze bereitstehen als bisher, heißt es.

Es habe bei den Truppen im Kosovo immer wieder Veränderungen gegeben, sagt Tanner auf Nachfrage. Und KFOR sei aktuell sicher im Wandel. "Die Frage ist, wie man sich aufstellt und ob es tatsächlich nur um die Anzahl der Personen in der Truppe geht", sagt die Ministerin. "Oder ob man nicht mit anderen Maßnahmen die Aufgaben sogar besser erfüllen kann."

Auf Eskalation zugesteuert

Ob aus Österreich oder nicht – Kfor-Einheiten in zumindest stabiler Zahl kann der Kosovo gerade gut gebrauchen. Erst im Herbst steuerte die junge Balkanrepublik auf eine Eskalation zu, nachdem Ende September ein aus Serbien eingedrungener Kommandotrupp den Ort Banjska im Nordkosovo überfallen und einen albanischen Polizisten getötet hatte. Wenig später bekannte sich der kosovo-serbische Politiker und Unternehmer Milan Radoičić, ein Vertrauter des nationalistischen serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, als Drahtzieher des Überfalls. Im Kosovo geht man davon aus, dass die Regierung in Belgrad vorab über die Attacke informiert war.

Die Eskalationsschraube hatte sich danach schnell weitergedreht. Der kosovarische Premier Albin Kurti sprach von Terror. Die USA berichteten, Serbien würde Truppen inklusive Artillerie und Panzern an der Grenze zum Nachbarland zusammenziehen. Und Kosovos Außenministerin Donika Gervalla-Schwarz warnte vor einem neuen Krieg auf dem Balkan. Das Vorgehen Serbiens erinnere sie an jenes von Russland vor dem Überfall auf die Ukraine.

Pulverfass auf dem Balkan

Inzwischen hat sich die Lage wieder ein wenig beruhigt. Aber der Kosovo bleibt ein Pulverfass. Serbiens nationalistische Regierung und der rechtspopulistische Präsident Vučić kultivieren weiterhin Gebietsansprüche auf das kleine 1,8-Millionen-Einwohner-Land. Auch vor der serbischen Parlamentswahl am 17. Dezember.

Und schon vor der heiklen Zuspitzung im Herbst hatte es immer wieder Unruhen und Zusammenstöße zwischen ethnischen Serben und Albanern gegeben, die im Kosovo mehr als 90 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Die Kfor hatte ihr Kontingent dementsprechend immer wieder um teils mehrere Hundert Soldatinnen und Soldaten aufgestockt. Wie ist die Lage aktuell?

Instabiler Norden

"Wenn es eskaliert, dann wohl nicht punktuell, sondern flächendeckend", sagt Oberst Markus Mautz, Kommandant der österreichischen Kfor-Truppen. Seitdem beim serbischen Überfall im Herbst der albanische Polizist getötet wurde, sei im Norden des Landes unter der kosovarischen Polizei höhere Anspannung bemerkbar. Denn im Nordkosovo ist der Anteil der serbischen Bevölkerung am höchsten. Über das ganze Land verteilt macht er nur noch geschätzte 1,5 Prozent aus. Genaue Zahlen gibt es allerdings nicht, weil Volkszählungen – jedenfalls in manchen Teilen der jungen Republik – in der Praxis kaum durchführbar sind.

Im Gegensatz zum an Serbien grenzenden Norden ist die Lage im zentralen und südlichen Teil des Kosovo recht ruhig. Auch in Prishtina, wo auf den Weihnachtsmärkten gerade reger Betrieb herrscht und von einem in der Luft liegenden Konflikt oder gar einer möglichen Eskalation wenig zu spüren ist.

Parlamentswahl in Serbien

Innerhalb des österreichischen Kontingents versuche man laufend, ein möglichst konkretes und aktuelles Lagebild zu bekommen, sagt Kommandant Mautz. Dabei sei man aber zu großen Teilen auf öffentliche Quellen angewiesen. Die persönliche Einschätzung des Kommandanten: Derzeit sei die Lage ruhig. "Aktuell deutet nichts auf eine neue Eskalation im Kosovo hin."

Wie sich die serbische Wahl am 17. Dezember auswirke, sei schwer einschätzbar. Klar ist: Die im Nordkosovo wohnende serbische Bevölkerung ist dort wahlberechtigt. Heißt: Viele Kosovo-Serben werden sich am Sonntag vor Weihnachten auf den Weg Richtung Belgrad machen, um ihre Stimme abzugeben. Nach serbischer Lesart tun sie dies ohnehin "auf eigenem Territorium". Oder besser gesagt: Sie fahren zum Wählen von einem Teil Serbiens in einen anderen.

Von fünf EU-Ländern nicht anerkannt

Die konträren Sichtweisen hinsichtlich des Status des Kosovo beschäftigen auch die österreichischen Kfor-Einheiten in ihrer täglichen Arbeit, berichtet Mautz: "Schon von der Terminologie her ist es heikel", sagt er. Spreche man etwa über Schmuggel zwischen Serbien und dem Kosovo, sei das für Kosovo-Albaner organisierte Kriminalität über eine Landesgrenze hinweg; für Serben eher so etwas wie Warenhandel zwischen zwei Gemeinden.

Und auch die internationale Gemeinschaft vermittelt über den Status des Kosovo keine Sicherheit: 117 der 193 Uno-Mitgliedsstaaten haben die Republik anerkannt – die restlichen nicht. Darunter sind auch die EU-Länder Spanien, Griechenland, Rumänien, Zypern und die Slowakei.

16 Frauen, knapp 260 Männer

In der Arbeit der Kfor-Truppen ist – gerade im Umgang mit der Bevölkerung – also Fingerspitzengefühl gefragt. Aber wer sind sie eigentlich, die österreichischen Kfor-Soldatinnen und -Soldaten? Und was treibt sie an, sich für den zumindest sechsmonatigen Einsatz im Kosovo zu melden? Denn der Alltag im Camp ist wenig spektakulär. Auf eigene Faust verlassen darf man es nur in der kargen Freizeit am Samstagabend und Sonntag. Und die Zerstreuungsmöglichkeiten auf dem Kfor-Gelände sind begrenzt.

Da ist zum Beispiel Andre aus Vorarlberg, der sich schon zum vierten Mal zum Einsatz in Prishtina gemeldet hat. Er arbeitet in der Aufklärer-Kompanie und kommt deshalb öfter aus dem Camp als andere Einheiten. Denn Aufgabe der Aufklärer ist es, Informationen zu sammeln, sei es über das Gelände im Einsatzgebiet oder über die Konfliktparteien im Kosovo. "Es war einfach attraktiv, im Auslandseinsatz zu sein und ein bisschen von zu Hause wegzukommen", sagt er dem STANDARD.

Und da ist Doris, die schon im Juni zu den Kfor-Truppen gestoßen ist. Sie ist eine von nur 16 Frauen im noch 275 Personen umfassenden Bundesheer-Kontingent. Ihren Alltag im Kfor-Hauptquartier verbringt sie vor allem mit administrativen Tätigkeiten im Büro – denn das ist ihr Job. Aber warum hier in Prishtina und nicht in einer der beschaulichen Kasernen in der Heimat? "Da bin ich ehrlich", sagt Doris und lächelt, "die bessere Bezahlung war schon auch ein ausschlaggebender Faktor." (Martin Tschiderer, 5.12.2023)